Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Preisgekrönt
Rehabilitation mit Robotik
Für die Entwicklung eines Arm-Exoskeletts zur Neurorehabilitation wurden die ETH Zürich und das Schweizer Medizintechnik-Unternehmen Hocoma mit dem europäischen «Tech Transfer Award 2012» ausgezeichnet. Der Preis wird jährlich für herausragende Innovation und erfolgreichen TechnologieTransfer zwischen Wissenschaft und Industrie verliehen. Das Gerät wurde ursprünglich an der ETH Zürich unter der Leitung von Prof. Robert Riener und dem damaligen Doktoranden Tobias Nef (heute Professor am Zentrum für Gerontechnologie und Rehabilitation an der Universität Bern) für die roboterunterstützte Rehabilitation entwickelt und begleitend an der Uni-
klinik Balgrist in Zürich klinisch ge-
testet. Der Entwicklung folgte eine
Erprobung im Rahmen einer durch
den Schweizerischen Nationalfond
(SNF) geförderten klinischen Studie an
4 Schweizer Zentren für Neurorehabi-
litation. Ende 2011 brachte Hocoma
das Gerät unter dem Namen Armeo-
Power auf den Markt. Es ist das welt-
weit erste kommerziell erhältliche
robotische Arm-Exoskelett für die
Neurorehabilitation, speziell für die
Arm-und Handtherapie in der frühen
Phase der Rehabilitation, zum Beispiel
nach einem Schlaganfall oder einem
Schädel-Hirn-Trauma. Die Armunter-
stützung im repetitiven Training erleich-
tert das Wiedererlernen motorischer
Fähigkeiten. Dabei passt sich die Ar-
munterstützung an die individuellen
Bedürfnisse und die sich verändernden
Fähigkeiten jedes Patienten automa-
tisch an.
RBO❖
Cochrane Review Update
Cholinesterasehemmer wirken bei Parkinson- und Lewy-Körper-Demenz
Die Parkinsonkrankheit mit Demenz (PD) und die Lewy-Körper-Demenz (LKD) haben klinisch viel gemeinsam. Die Betroffenen leiden an besonders ausgeprägter kortikaler Acetylcholinverarmung, was den Einsatz von Cholinesterasehemmern vielversprechend macht. Ein erweiterter Cochrane-Review hat Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit von Cholinesterasehemmern bei diesen beiden Demenzformen sowie bei lediglich schwächer ausgeprägter kognitiver Beeinträchtigung im Rahmen von Parkinson (cognitive impairment in Parkinson’s disease falling short of dementia [CIND-PD]) überprüft. 6 Studien mit 1236 Patienten entsprachen den Einschlusskriterien (randomisiert, doppelblind, plazebokontrolliert). 4 Studien betrafen Parkinsonpatienten mit Demenz, 1 Studie berücksichtigte auch Patienten mit CIND-PD und nur 1 Studie erhob Daten bei Patienten mit LBD. Für die Gesamtbeurteilung vergli-
chen 3 Studien Cholinesterasehemmer mit Plazebo anhand des Alzheimer’s Disease Cooperative Study-Clinical Global Impression of Change (ADCSCGIC)-Scores und ergaben eine Differenz von -0,38 zugunsten der Cholinesterasehemmer (95%-Konfidenzintervall [KI] -0,56 bis -0,24, p < 0,0001). Für die kognitive Funktion ergab sich ebenfalls ein Effekt der Cholinesterasehemmer, der mit einem therapeutischen Nutzen vereinbar ist (standardisierte mittlere Differenz [SMD] -0,34, 95%-KI -0,46 bis -0,23, p < 0,00001). Bei PD und auch bei CIND-PD hatten Cholinesterasehemmer einen statistisch signifikanten positiven Effekt auf die MiniMental-Status-Examination (MMSE), nicht aber bei LBD. Die gepoolten Daten stützten auch einen Therapieeffekt der Cholinesterasehemmer auf Verhaltensstörungen (SMD -0,20, 95%-KI -0,36 bis -0,04, p = 0,01). Dies traf ebenfalls auf die Messparameter für All- tagsaktivitäten zu (SMD -0,20, 95%-KI -0,38 bis -0,02, p = 0,03). Patienten unter Cholinesterasehemmern hatten im Vergleich zu Plazebo eher Neben- wirkungen (Odds Ratio [OR] 1,64, 95%-KI 1,26 bis 2,15, p = 0,0003) und Studienabbrüche (OR 1,94, 95%-KI 1,33 bis 2,84, p = 0,0006). Nebenwir- kungen waren unter Rivastigmin häufi- ger, nicht aber unter Donezepil. In der Behandlungsgruppe gab es im Vergleich zu Plazebo weniger Todesfälle (OR 0,28, 95%-KI 0,09 bis 0,84, p = 0,03). Das Fazit des Updates bestätigt die Schluss- folgerungen früherer Cochrane-Reviews: «Die derzeit verfügbare Evidenz stützt den Einsatz von Cholinesterasehemmern bei Parkinsonpatienten mit Demenz, mit positiven Wirkungen auf Skalen zu Gesamtbeurteilung, kognitiver Funktion, Verhaltensstörungen und Alltagsakti- vitäten. Die Wirkung bei Lewy-Körper- Demenz bleibt unklar. Separate Evidenz für eine günstige Beeinflussung von schwächer ausgeprägter kognitiver Be- einträchtigung im Rahmen eines Par- kinson fehlt zurzeit». HB❖ Rolinski M et al.: Cholinesterase inhibitors for dementia with Lewy bodies, Parkinson’s disease dementia and cognitive impairment in Parkinson’s disease. Cochrane Database Syst Rev. 2012 Mar 14;3:CD006504. 308 ARS MEDICI 7 ■ 2012 Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel Gufoni-Manöver und auch blosses Schütteln des Kopfes wirksam Der paroxysmale Lagerungsschwindel ist harmlos aber äusserst unangenehm. Eine Behandlung mit Manövern welche die Otholithen aus dem Bogengang in eine unschädliche Ruheposition bringen kann rasch helfen. Eine propsektive randomisierte Studie hat die unmittelbaren und langfristigen Behandlungsauswirkungen von Manipulationen am Kopf zur Beeinflussung des horizontalen Bogengangs beim gutartigen Langerungsschwindel untersucht. 157 konsekutive Patienten zwischen 18 und 89 Jahren (knapp die Hälfte Frauen) wurden an 10 koreanischen Schwindelambulatorien entweder zum Gufoni-Manöver (n = 52), zu blossem Schütteln des Kopfes (n = 54) oder zu einem vorgetäuschten Manöver (n = 51) randomisiert. Der unmittelbare Erfolg wurde innert einer Stunde nach maximal 2 Versuchen sowie am Folgetag bestimmt. Ausserdem wurden die Patienten während eines Monats wöchentlich nachkontrolliert. Nach maximal 2 Manövern während der Erstkonsultation hatten Patienten mit dem Gufoni-Manöver (38/52, 73,1%), aber auch diejenigen mit Kopfschütteln (33/53, 62,3%) bessere Ansprechraten als diejenigen mit der vorgetäuschten Manipulation (17/49, 34,7%). Die kumulativen Therapieeffekte waren jeweils im Vergleich mit der vorgetäuschten Prozedur beim Gufoni-Manöver (p < 0,001) und Kopfschütteln (p = 0,026) besser. Die Unterschiede zwischen Gufoni-Manöver und Kopfschütteln waren weder kurzfristig (p = 0,129) noch langfristig (p = 0,239) gesehen signifikant. HB❖ Kim JS et al.: Randomized clinical trial for apogeotropic horizontal canal benign paroxysmal positional vertigo. Neurology. 2012 Jan 17; 78(3): 159–166 Systematischer Review und Metaanalyse Wie gut wirken Medikamente bei Ischias überhaupt? Patienten mit akutem Ischiasschmerz als Ausdruck einer frischen Nervenwurzelreizung erhalten in der Praxis oft Medikamente. Ein systematischer Review wollte die Evidenz zu Wirksamkeit und Verträglichkeit gängiger Pharmakotherapien bei diesem häufigen Krankheitsbild prüfen. Schmerz- und Behinderungsmesswerte wurden von den Wissenschaftlern in eine Skala von 0 bis 100 übertragen und die gepoolten Daten mit einem Random-effects-Modell geprüft. 23 Studien entsprachen den Einschlusskriterien (randomisierter Vergleich mit Plazebo oder anderer aktiver Therapie). Die Evidenz zur Wirksamkeitsbeurteilung von nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR), Kortikosteroiden, Antidepressiva, Antikonvulsiva, Muskelrelaxanzien und Opioiden schwankte in der Qualität von mittel bis schlecht. Die meisten gepoolten Schätzungen bevorzugten die aktive Therapie nicht gegenüber Plazebo. Nur 2 Studien mit Kortikosteroiden zeigten für den Parameter Beinschmerz einen gewissen Nutzen, ferner ergab eine einzige Studie bei chronischem Ischias für Gabapentin einen Nutzen beim Score für Gesamtschmerz. Allerdings waren diese Behandlungsvorteile nur kurzfristig dokumentiert. Median lag die Nebenwirkungsrate für die aktiven Pharmakotherapien bei 17 Prozent und für Plazebo bei 11 Prozent. Zu den Schwächen der einbezogenen Studien gehören das Fehlen validierter Outcome-Messwerte, das Fehlen eines langfristigen Follow-ups sowie geringe Fallzahlen. Die Autoren aus Australien und den Niederlanden ziehen denn auch ein ernüchterndes Fazit: «Da die bestehende Evidenz aus klinischen Studien von geringer Qualität ist, bleibt die Wirksamkeit und Verträglichkeit von zur Behandlung von Ischias häufig verschriebenen Medikamenten unklar».HB❖ Rafael Zambelli Pinto et al.: Drugs for relief of pain in patients with sciatica: systematic review and meta-analysis. BMJ 2012; 344:e497 doi:10.1136/bmj.e497. RÜCKSPIEGEL Vor 10 Jahren Botox Am 15. April 2002 erteilt die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) die Zulassung für BotoxInjektionen als Mittel gegen Falten, die sich nach jahrelangem Stirnrunzeln früher oder später einstellen. Schon zuvor war der Off-labelGebrauch des Nervengifts als Faltenglätter verbreitet, mit der Zulassung begann ein regelrechter Boom (Foto: Vancouver Laser and Skincare Center). Vor 50 Jahren Nierentransplantation Joseph E. Murray und sein Team an der Harvard Medical School führen rund ein Dutzend Nierentransplantationen durch, bei denen Spender und Empfänger genetisch nicht identisch sind. Dank der neuen Methode der Immunsuppression mit Azathioprin sind sie damit erfolgreich. Bereits acht Jahre zuvor hatte Murray erstmals erfolgreich eine Niere transplantiert; Spender und Empfänger waren eineiige Zwillinge. 1990 erhielt Murray gemeinsam mit E. Donnall Thomas den Nobelpreis für Medizin. Vor 100 Jahren Erster Sportkongress In Thüringen findet der erste Kongress für Sportmedizin statt. Dort wird der erste Sportärzteverband der Welt gegründet, das «Deutsche Reichskomitee für die wissenschaftliche Erforschung des Sportes und der Leibesübungen». Die Ergometrie wurde rund 30 Jahre zuvor erfunden, kurz danach das Laufband und um die Jahrhundertwende das noch heute gebräuchliche Fahrrad-Ergometer. Ebenfalls 1912 wurde in Berlin das erste Institut für Sportmedizin gegründet. Sport und «Leibesübungen» (Foto: Bundesarchiv Deutschland) wurden gefördert.