Transkript
CETERUM CENSEO
des Baumes, der auch in der deutschen Sprechweise meistens Ginkgo genannt wird, ist im vorliegenden Fall noch wichtiger als bei andern Arzneipflanzen. Im Falle von Ginkgo biloba hat sich der Extrakt EGb 761 allgemein als «Branchenleader» durchgesetzt. Das heisst aber nicht, dass ähnlich zusammengesetzte Ginkgo-Extrakte nicht auch wirksam sind!
Phytotherapie und Neurologie
Die 26. Schweizerische Tagung für Phytotherapie vom 17.11.2011 in Baden war dem Thema «Phytotherapie in der Neurologie» gewidmet (vgl. AM thema Phytotherapie 1/2012). Und die an dieser Tagung gehalte-
nen Referate zeigten zum Teil erstaunliche Resultate, zum Beispiel für die Behandlung von Kopfschmerzen, wo Pfefferminzöl (ätherisches Öl aus Mentha piperita) eine durchaus gute Wirksamkeit zeigt. Aber auch die Pestwurz (Petasites hybridus) und das Mutterkorn (Tanacetum parthenium) zeigen verheissungsvolle Ansätze. Weiter stellte ein Referent an der erwähnten Tagung die Vorteile von Vicia faba, einer Arzneipflanze mit einem hohen Gehalt an L-Dopa, dar. Wenn Parkinson-Patienten genügende Mengen dieser Pflanze einnehmen, dann führen sie auf diese Weise L-Dopa zu sich, das weniger Nebenwirkungen als die reine Form hat. An derselben Ta-
gung wurde auch über verheissungsvolle
Behandlungsansätze mit Cannabis als zu-
sätzliche Therapiemöglichkeit von Para-
und Tetraplegikern berichtet.
Mit diesem kurzen Exkurs sind die phyto-
therapeutischen Möglichkeiten zur Be-
handlung von Beschwerden des ZNS sicher
noch nicht ausgeschöpft. Er zeigt aber
deutlich, wie vielfältig pflanzliche Arznei-
mittel wirken können und dass es Indika-
tionen gibt, bei denen man auf den ersten
Blick kaum an die Phytotherapie denkt und
diese trotzdem sehr erfolgreich eingesetzt
werden kann!
◆
Dr. C. Bachmann
FORSCHUNG
Myrtol – ein Kombinationspräparat aus
ätherischen Ölen bei Sinusitis und Bronchitis
Klinische Studien belegen die Wirksamkeit
Bei der Behandlung der akuten und chronischen Bronchitis und ebenso der akuten Sinusitis hat sich auch ein Kombinationspräparat aus verschiedenen ätherischen Ölen bewährt. Seine Wirksamkeit wurde mit verschiedenen klinischen Studien belegt. In der Folge werden drei dieser Studien vorgestellt. Sie stammen zwar aus den Jahren 1999 und 2000, weisen aber eine hohe Qualität auf. Deshalb sind sie aussagekräftig!
Abbildung: Myrte (Myrtus communis), eine der Pflanzen, aus der Myrtol gewonnen wird.
Christoph Bachmann
Myrtol
Myrtol ist der geschützte Name einer Kombination aus verschiedenen ätherischen Ölen. Sie besteht aus dem Wasserdampfdestillat der rektifizierten ätherischen Öle aus Eukalyptus (Eucalyptus globulus), Süs-
sorange (Citrus sinensis), Myrte (Myrtus communis) und Zitrone (Citrus x aurantium) im Verhältnis 66:32:1:1. Das Gemisch enthält als Hauptbestandteile die Monoterpene Alpha-Pinene, d-Limonene und 1,8 Cineol. Myrtol wird bei akuter und chronischer Bronchitis und Sinusitis als Sekretomukolytikum eingesetzt. In der Folge werden drei klinische Studien vorgestellt, die
die Wirksamkeit von Myrtol dokumentieren.
Meister et al. 1999
Studiendesign 1999 erschien eine von Meister et al. publizierte randomisierte, plazebokontrollierte und doppelblinde Multizenterstudie (1), die die Wirksamkeit und Verträglichkeit von
thema400
PHYTOTHERAPIE
2/2012
FORSCHUNG
Tabelle 1: Exazerbationen und Antibiotikatherapie während einer Exzerbation
Ohne Exazerbation während Behandlung Antibiotikatherapie während Exazerbation Antibiotikatherapie < 7 Tage Antibiotikatherapie > 7 Tage
Verum 72% 51,6% 62,5% 37,5%
Plazebo 63% 61,2% 23,3% 76,7%
p < 0,01
p = 0,01 p = 0,01
◆ klinische Befunde bei den jeweiligen Visiten (1 bis 4: Baseline, 1 und 2 Wochen nach Behandlungsbeginn, 2 Wochen nach Behandlungsschluss)
◆ FEV1 ◆ Globalurteil über die Wirksamkeit ◆ Laborparameter und körperliche Unter-
suchungsbefunde.
Myrtol in einer Langzeitbehandlung bei chronischer Bronchitis während der Winterzeit gegenüber Plazebo untersuchte. Für die Studie wurden 279 Patienten rekrutiert, und aufgrund der genau definierten Ausschlusskriterien wurden 260 in die Studie aufgenommen. 246 Probanden wurden in eine Verum- und eine Plazebogruppe randomisiert; 122 erhielten das Studienmedikament und 124 Probanden das Plazebopräparat während mindestens eines Monats. Alle Drop-outs wurden dokumentiert und begründet. Hinsichtlich der protokolldefinierten Behandlungsdauer von 6 Monaten konnten die Daten von 215 Probanden (110 Verum, 105 Plazebo) in Bezug auf die Wirksamkeit (Exazerbationsrate, Antibiotikabedarf, Symptomenscore und Lebensqualität) ausgewertet werden.
Resultate Während der Behandlung traten bei den Patienten in der Verumgruppe signifikant weniger akute Exazerbationen auf als bei den Patienten in der Plazebogruppe (p < 0,01) (vgl. Tabelle 1) Die Lebensqualität wurde anhand des Allgemeinbefindens und der Beeinträchtigung durch Husten und Auswurf beurteilt. Diese verbesserte sich unter der Behandlung in der Verumgruppe deutlich. Deshalb wurde die Wirksamkeit des Prüfmedikaments von der Verumgruppe signifikant besser beurteilt als von der Plazebogruppe (p < 0,01). Beide Behandlungen, das Prüfmedikament und Plazebo, wurden gleich gut vertragen. Die dokumentierten unerwünschten Ereignisse waren von milder bis moderater Intensität und benötigten keine zusätzlichen Interventionen.
Schlussfolgerung Die Behandlung einer chronischen Bronchitis mit Myrtol führte, verglichen mit Plazebo, zu signifikant weniger Exazerbationen, zu einem signifikant geringeren Antibiotikabedarf und zu einer signifikanten Verbesserung der Lebensqualität.
Matthys et al. 2000
Eine andere Studie untersuchte die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Myrtol bei akuter Bronchitis im Vergleich zu Plazebo, Cefuroxim und Ambroxol (2).
Studie Die Studie wurde als randomisierte, doppelblinde, plazebokontrollierte, Parallelgruppen-geführte Multizenterstudie angelegt. Dabei wurde die Wirksamkeit und Verträglichkeit einer zweiwöchigen Behandlung mit Myrtol gegenüber Cefuroxim, Ambroxol und Plazebo bei akuter Bronchitis untersucht. Die Studienmedikamente wurden folgendermassen dosiert: Myrtol:4 x täglich 300 mg während 14 Tagen Cefuroxim: 2 x täglich 250 mg während 6 Tagen Ambroxol: 3 x täglich 30 mg während 3 Tagen, anschliessend 2 x täglich 30 mg während 11 Tagen. Plazebo: 4 x täglich während 14 Tagen.
Probanden An der Studie nahmen 676 männliche und weibliche Patienten teil, die seit weniger als 5 Tagen an einer akuten Bronchitis mit einem FEV1 (Forced expiratory volume in 1 second) > 75 Prozent litten und keine klinische Hinweise auf eine chronische Atemwegserkrankung aufwiesen. Sie wurden folgendermassen in eine der Behandlungsgruppen randomisiert: Myrtol: n = 170, Cefuroxim: n = 171, Ambroxol: n = 163, Plazebo: n = 172.
Zielvariablen Zielvariablen waren ◆ Responder und Nonresponder (= Be-
handlungsabbruch bei Visite 2 bzw. 3 wegen Unwirksamkeit der Behandlung bzw. Verschlechterung des Zustandes; EAP: Efficacy analysable population) ◆ pathologische Auskultationsbefunde ◆ Tagebuchdaten über das Husten und das allgemeine Wohlbefinden
Resultate Die Nonresponderrate in der Myrtolgruppe war signifikant geringer als in der Plazebogruppe.
Tabelle 2: Nonresponderraten in der Plazebo- und der Myrtolgruppe (EAP):
Visite 2 Visite 3
Plazebo Myrtol p 36 (20,9%) 9 (5,3%) 19 (11,0%) 2 (1,1%) < 0,001 Tabelle 3: Responderraten in der Myrtol-, Cefuroxim- und Ambroxolgruppe (EAP) Myrtol Cefuroxim Ambroxol Visite 2 158 (92,9%) 158 (92,4%) 147 (90,1%) Visite 3 168 (98,7%) 161 (94,1%) 154(94,4) Die Responderraten in den wirksamen Gruppen waren gegenüber Plazebo signifikant höher, zeigten aber untereinander keine erheblichen Unterschiede. Dasselbe Bild zeigte sich in allen anderen erhobenen Parametern mit teilweise geringfügiger Überlegenheit für Myrtol. Es gab keine Hinweise auf Bronchokonstriktion oder Rezidive bei den Respondergruppen. Die Verträglichkeit der Behandlungen war vergleichsweise gut. Schlussfolgerung Myrtol erwies sich in der Behandlung der akuten Bronchitis als signifikant überlegen bei vergleichbarer Verträglichkeit. Die Wirksamkeit von Myrtol war vergleichbar mit den Referenzsubstanzen Cefuroxim und Ambroxol, mit geringfügiger Überlegenheit von Myrtol bei einigen erhobenen Parametern. Federspil et al. 2000 Eine dritte klinische Studie erschien im Jahr 2000 in der Zeitschrift «Laryngo-RhinoOtologie» (3). 2/2012 thema PHYTOTHERAPIE 401 FORSCHUNG Studie Bei dieser randomisierten, doppelblinden, plazebokontrollierten Multizenter-Vergleichsstudie wurde die Wirksamkeit von Myrtol gegenüber Plazebo und einem weiteren Gemisch aus ätherischen Ölen bei akuter Sinusitis untersucht. Methode 330 Patienten mit einer Sinusitisdiagnose erhielten während 6 ± 2 Tagen entweder 3 x täglich 330 mg Myrtol (n = 109), ein anderes, nicht für diese Indikation zugelassenes Gemisch aus ätherischen Ölen (n = 110) oder Plazebo (n = 111). Die Patienten erhielten zusätzlich einen Xylometazolin-Dosierspray, mit dem sie 4 x täglich 2 Sprühstösse in jedes Nasenloch spritzen durften. Vor Behandlungsbeginn wurden die für den Schweregrad der Sinusitis verantwortlichen Symptome mit einem Symptomscore von 0 bis 3 ermittelt. Für die Behandlung war ein Gesamtscore von mindestens 10 der 25 möglichen Punkte erforderlich. Nach den 6 ± 2 Tagen gab es eine zweite Visite, bei der der Symptomscore erneut ermittelt wurde, unerwünschte Ereignisse dokumentiert und eine allfällige weitere Behandlung und weitere Massnahmen festgelegt wurden. Eine dritte Visite nach 13 ± 2 Tagen diente zur Erhebung einer möglichen Reinfektion, zur Feststellung unerwünschter Ereignisse und zur Anordnung eines Behandlungswechsels. Resultate Der Symptomscore der beiden Gruppen mit ätherischen Ölen verminderte sich während der Behandlung gegenüber Plazebo signifikant (p = 0,02). Der Scoreunterschied zwischen Visite 1 und Visite 2 betrug für die Myrtolgruppe 10,3 Punkte, für die Gruppe mit dem anderen ätherischen Öl 10,6 und für die Plazebogruppe 9,0 Punkte. Dies bedeutet für die beiden Behandlungsgruppen eine signifikante Überlegenheit gegenüber der Plazebogruppe. Nach Behandlungsende musste bei 38 Patienten eine zusätzliche Antibiotikabehandlung angeordnet werden. Davon waren 15 (40%) aus der Plazebogruppe, 14 (37%) aus der Gruppe mit dem andern ätherischen Öl und nur 9 (23%) aus der Myrtolgruppe. Von 82 Patienten wurden 11 verschiedene unerwünschte Ereignisse dokumentiert, die alle als nicht erheblich eingestuft wurden. Schlussfolgerung Diese Studie dokumentierte die Wirksamkeit von Myrtol ebenso wie vom Präparat mit einer anderen Mischung aus ätherischen Ölen ohne Registrierung für Sinusitis in der Behandlung einer unkomplizierten, akuten Sinusitis in Zusammenhang mit einer dekongestiven Begleitbehandlung. Zusammenfassung Die drei hier vorgestellten Studien dokumentieren die Wirksamkeit von Myrtol, einem standardisierten Gemisch aus ätherischen Ölen, zur Behandlung einer akuten Bronchitis beziehungsweise einer akuten Sinusitis. In allen drei Studien erwies sich Myrtol gegenüber Plazebo als signifikant überlegen. Ausserdem wies Myrtol eine vergleichbare Wirksamkeit wie Cefuroxim und Ambroxol auf. Das natürliche Gemisch aus ätherischen Ölen bietet sich also in der Behandlung einer akuten und unkomplizierten Bronchitis und/oder Sinusitis als valable Alternative zu herkömmlichen Behandlungsarten an. ◆ Anschrift des Verfassers Dr. Christoph Bachmann Hirschmattstrasse 46 6003 Luzern c.a.bachmann@bluewin.ch Literaturreferenzen: 1. Meister R. et al.: Efficacy and Tolerability of Myrtol Standardized in Long-Term Treatment of Chronic Bronchitis, Arznei-Forsch/Drug Res. 1999(1); 49: 351–358. 2. Matthys H. et al.:Efficacy and tolerability of Myrtol Standardized in Acute Bronchitis, Arzneim-Forsch/ Drug Res 2000(II); 50: 700–711. 3. Federspil P.,Wulkow R., Zimmermann T.: Efficacy of Myrtol Standardized in the Therapy of Acute Sinusitis – Results of a Double-Blind, Randomized, PlaceboControlled, Muticentric Study, Laryngo-Rhino-Otol 2000; 79: 1–5. thema402 PHYTOTHERAPIE 2/2012