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Atherothrombose
Management und Langzeitbehandlung der peripheren Verschlusskrankheit*
CHRISTOPH THALHAMMER
Die Atherothrombose ist eine
klassische Alterserscheinung.
In dieser Arbeit werden die
zugrunde liegenden Prozesse
beschrieben und notwendige
Therapiemassnahmen vor-
gestellt.
Kardiovaskuläre Erkrankungen stellen die häufigste Todesursache in den industrialisierten Ländern dar. Die Prävalenz der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit ist eine wichtige Manifestation der generalisierten Erkrankung und steigt im Alter kontinuierlich an. Im Alter zwischen 65 und 75 Jahren leiden etwa 7 Prozent der Bevölkerung an einer symptomatischen arteriellen Verschlusserkrankung (Claudicatio intermittens), hinzu kommen fast 14 Prozent mit einer asymptomatischen Durchblutungsstörung (1). Das Vorhandensein dieser noch asymptomatischen Verschlusserkrankung ist jedoch bereits mit einer 3- bis 4-fach erhöhten Mortalität assoziiert (2). Gespannt warten wir auf eine epidemiologische Studie, die German Epidemiological Trial on Ankle Brachial Index (getABI-Studie), welche in den nächsten Jahren publiziert werden soll (3). Insgesamt 6880 Patienten im Alter über 65 Jahre wurden in diese prospektive Studie eingeschlossen. Wichtiger Bestandteil der Untersuchung ist die dopplersonografische Bestimmung des Knöchelarm-Index
(Ankle Brachial Index, ABI) in einem unselektionierten hausärztlichen Patientengut. Ein wichtiger Bestandteil der Untersuchung wird auch die Assoziation von CRP- und Homocysteinspiegeln mit kardiovaskulären Ereignissen sein (4). Die Prävalenz einer symptomatischen oder asymptomatischen peripheren arteriellen Verschlusserkrankung betrug in der Gesamtgruppe 18,0 Prozent und zeigte erneut einen ganz deutlichen Anstieg in den Altersgruppen: von 14,1 Prozent bei den 65- bis 69-Jährigen, auf 35,1 Prozent bei den über 84-Jährigen (5). Diese Patienten werden derzeit für drei Jahre nachbeobachtet, und die zu erwartenden kardiovaskulären Ereignisse werden erfasst (4). Der «Ageing Process» der menschlichen Gefässe beginnt bereits beim jugendlichen Erwachsenen mit «Fatty Streaks» grosser Arterien (Abbildung 1). Unter dem Einfluss der Gefässrisikofaktoren entwickeln sich dann in einem jahrzehntelangen Prozess fibröse und arteriosklerotische Plaques. Diese Entwicklung verläuft asymptomatisch, ist aber der Zeitraum für die Primärprophylaxe. Das akute ischämische Ereignis wird in der Regel ausgelöst durch eine Plaqueruptur (Abbildung 2) mit thrombotischem Verschluss und führt zur klinischen Manifestation Myokardinfarkt, Schlaganfall oder Extremitätenischämie.
Visualisierung von Gefässveränderungen
Moderne Ultraschallgeräte können bereits sehr frühe Gefässwandveränderungen visualisieren. Besonders gut zugänglich sind periphere Arterien und die Karotiden. Eine beginnende Hypertrophie der Gefässwand lässt sich im hochauflösenden Ultraschall durch die Messung der
Merk-
sätze
q 7 Prozent der 65- bis 75-Jährigen leiden an symptomatischer arterieller Verschlusskrankheit. Der Alterungsprozess der Gefässe beginnt bereits beim jugendlichen Erwachsenen.
q Mit modernem Ultraschall lässt sich eine intimale Hypertrophie der Gefässwand dokumentieren. Gerade bei Patienten mit Gefässrisikofaktoren, wie Hypertonie, Rauchen oder Diabetes lässt sich dieser Befund erheben.
q Patienten mit einer gestörten Glukosetoleranz können bereits eine eingeschränkte Vasodilatation nach induzierter Ischämie aufweisen.
q Der Alterungsprozess der Gefässe kann durch Kontrolle der Risikofaktoren verlangsamt werden, die Gefahr eines akuten ischämischen Ereignisses durch eine Plaqueruptur lässt sich durch ASS oder Clopidogrel verringern.
q Alle asymptomatischen peripheren Angiopathien sollten mit einem Thrombozytenfunktionshemmer versorgt werden. Studien zeigen, dass eine Dosis von 100 mg/Tag ASS ausreicht.
Intima-Media-Dicke gut dokumentieren (Abbildungen 3 und 4). Zahlreiche Studien konnten eine klare Assoziation zwischen den Gefässrisikofaktoren Diabetes
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Atherothrombose
Normal
«Fatty Streaks»
fibrotische Plaque
arteriosklerotische
Plaque
Plaqueruptur/ Fissur und Thrombose
Abbildung 1: Die Entwickung arteriosklerotischer Plaques und ihrer Folgeerkrankungen im Zeitverlauf (Grafik: Sanofi-Synthélabo)
instabile Angina
Myokardinfarkt
ischämischer Insult/TIA
Beinischämie
kardiovaskulärer Tod
Tabelle 1: Positive Korrelation der Intima-Media-Dicke der Arteria carotis communis mit den Risikofaktoren
(Übersicht in [6, 7])
q Alter q Body-Mass-Index q Arterielle Hypertonie q Hypercholesterinämie q Lipoprotein (a) q Diabetes mellitus q Insulinresistenz q Nikotinabusus q Homozysteinämie
Tabelle 2: Modifikation der Risiko-
faktoren bei Patienten mit peripherer arterieller
Verschlusserkrankung
q Einstellung des Nikotinabusus q LDL-Cholesterin < 100 mg/dl
(2,6 mmol/l) q HbA1c < 7,0% q Blutdruck < 130/85 mmHg q ACE-Hemmertherapie bei arterieller
Hypertonie q Thrombozytenfunktionshemmer: ASS
oder Clopidogrel
Aus: N Engl J Med 2002 (12)
mellitus, arterielle Hypertonie, Nikotinabusus und Hypercholesterinämie mit einer intimalen Hypertrophie im Bereich der Karotiden zeigen (Tabelle 1; [6, 7]). Fortschreitende Arteriosklerose kann nichtinvasiv mittels der farbkodierten Duplexsonografie detektiert und quantifiziert werden.
Endotheliale Dysfunktion
Bereits lange vor den strukturellen Veränderungen lassen sich frühe funktionelle Störungen der Gefässwand untersuchen. In den letzten Jahren wurden Techniken zur Erfassung der Endothelzellfunktion entwickelt (8). Die postischämische, flussinduzierte Vasodilatation wird gesteuert von den Endothelzellen und schon sehr früh durch die bekannten Gefässrisikofaktoren gestört (Abbildung 5). Nicht endothelabhängig hingegen ist die Vasodilatation durch Nitroglycerin, die in den Studien als Kontrolluntersuchung durchgeführt wird. Mit hochauflösenden Ultraschallsystemen kann man bereits bei «gesunden» Patienten die Endothelfunktionsstörung vor dem Entstehen arteriosklerotischer Wandpathologien untersuchen (9). So konnte beispielsweise gezeigt werden, dass Patienten mit einer gestörten Glukosetoleranz bereits eine eingeschränkte Vasodilatation nach induzierter Ischämie aufweisen (10). Eine Zusammenfassung der derzeit verfügbaren Literatur zur Endothelfunktionsmessung bietet Balletshofer in einer aktuellen Übersichtsarbeit (9).
Therapieziele und Therapieoptionen Der Altersprozess kann durch konsequente Kontrolle der bekannten Risikofaktoren verlangsamt werden. Die Therapieziele für Patienten mit peripherer arterieller Verschlusserkrankung sind identisch mit jenen kardiologischer Patienten (Tabelle 2). Das akute ischämische Ereignis durch eine Plaqueruptur kann mit einer Thrombozytenfunktionshemmung (ASS oder Clopidogrel) verhindert werden (6). Der Transatlantic Inter-Society Consensus (TASC) hat zum Ziel, ein international einheitliches Management arteriosklerotischer Erkrankungen auf höchstem Niveau zu erreichen. Die Empfehlungen der Experten zu allen Fragestellungen zur Diagnostik und Therapie der arteriellen Verschlusserkrankung kann man sehr komfortabel im Internet abrufen (www.tasc-pad.org). Sowohl Patienten mit einer symptomatischen wie auch asymptomatischen peri-
Abbildung 2: Akutes ischämisches Ereignis durch eine Plaqueruptur (aus [11])
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Atherothrombose
pheren Angiopathie sollten eine Therapie mit einem Thrombozytenfunktionshemmer erhalten. Ziel dieser Massnahme ist die Senkung der kardiovaskulären Morbidität und Mortalität. Eine aktuelle Metaanalyse zur Risikoreduktion kardiovaskulärer Ereignisse durch Aspirin (13) konnte zeigen, dass der protektive Effekt in allen geprüften Dosierungen vergleichbar ist und dass die in Europa übliche Dosierung von 100 mg/Tag ausreicht.
q
Literatur: 1. Criqui MH, Fronek A, Barrett-Connor E, Klauber MR, Gabriel S, Goodman D: The prevalence of peripheral arterial disease in a defined population. Circulation 1985; 71(3): 510–5. 2. Ouriel K: Peripheral arterial disease. Lancet. 2001, Oct 13; 358 (9289): 1257–64. 3. getABI Study group. getABI: German epidemiological trial on ankle brachial index for elderly patients in family practice to detect peripheral arterial disease, significant marker for high mortality. VASA. 2002; 31(4): 241–8. 4. Diehm C, Lange S, Darius H, Allenberg JR, Haberl R, v. Stritzky B, Tepohl G, Schuster A, Pittrow D, Trampisch HJ: Rationale und Ziele der getABI Studie. VASA 2003; 32: Suppl. 62. 5. Lange S, Diehm C, Trampisch HJ, v. Stritzky B, Allenberg JR, Darius H, Haberl R, Tepohl HG, Pittrow D, Schuster A: getABI: Hohe Prävalenz der arteriellen Verschlusskrankheit bei älteren Patienten in hausärztlicher Versorgung. VASA 2003; 32: Suppl. 62. 6. Ludwig M, von Petzinger-Kruthoff A, von Buquoy M, Stumpe KO: Intima media thickness of the carotid arteries: early pointer to arteriosclerosis and therapeutic endpoint. Ultraschall Med 2003; 24(3): 162–74. 7. Simon A, Gariepy J, Chironi G, Megnien JL, Levenson J: Intima-media thickness: a new tool for diagnosis and treatment of cardiovascular risk. J Hypertens 2002; 20(2): 159–69. 8. Corretti MC, Anderson TJ, Benjamin EJ, Celermajer D, Charbonneau F, Creager
Abbildung 3: Normaler Intima-Media-Komplex: zarte Doppelkontur (0,70 mm) einer echoreichen und einer echoarmen Linie (Pfeile)
Abbildung 4: Deutliche Intimahypertrophie: echogene Verbreiterung (1,4 mm) des Intima-Media-Komplexes (Pfeile) mit Aufhebung der zarten Doppelkontur
MA, Deanfield J, Drexler H, Gerhard-Herman M, Herrington D, Vallance P, Vita J, Vogel R: International Brachial Artery Reactivity Task Force: Guidelines for the ultrasound assessment of endothelialdependent flow-mediated vasodilation of the brachial artery: a report of the International Brachial Artery Reactivity Task Force. J Am Coll Cardiol 2002; 39(2): 257–65. 9. Balletshofer BM, Rittig K, Stock J, Ha-
ring HU: Indicators of incipient atherosclerosis: demonstration of endothelial dysfunction with high-resolution ultrasound. Ultraschall Med 2003; 24(3): 153–61. 10. Thalhammer C, Balzuweit B, Busjahn A, Walter C, Luft FC, Haller H: Endothelial cell dysfunction and arterial wall hypertrophy are associated with disturbed carbohydrate metabolism in patients at risk for cardiovascular disease. Arterioscler Thromb Vasc Biol 1999; 19(5): 1173–9.
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Atherothrombose
2700 Mittlerer Durchmesser (µm)
2550
2400
2250
2100 0
50 100 150 200 250 300 350 400
Abbildung 5 : Postischämische Vasodilatation der A. radialis als Parameter für Endothelfunktion (aus [10])
Zeit (s) 450
11. Falk E, Shah PK, Fuster V: Coronary plaque disruption. Circulation 1995; 92(3): 657–71. 12. Stewart KJ, Hiatt WR, Regensteiner JG, Hirsch AT: Exercise training for claudication. N Engl J Med 2002; 347(24): 1941–51. 13. Antithrombotic Trialists' Collaboration: Collaborative meta-analysis of randomised trials of antiplatelet therapy for prevention of death, myocardial infarction and stroke in high risk patients. BMJ, 2002; 324: 71–86.
Korrespondenzadresse: Dr. med. Christoph Thalhammer Oberarzt Angiologie Kantonsspital/
Universitätskliniken Basel Petersgraben 4 4031 Basel
Tel. 061-265 25 25 Fax 061-265 53 56 E-Mail: thalhammerc@uhbs.ch
Interessenkonflikte: keine
* Der Beitrag beruht auf einem Referat im Rahmen des Symposiums «Does The Ageing Process Affect You?» am 5. Juni 2003, das von der Firma Sanofi-Synthélabo veranstaltet wurde.
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