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ÜBERSICHT q APERÇU
Stand der Hypertonie-Therapie bei Adipositas und Diabetes
GERD BÖNNER
Zu den Risikofaktoren der
Entwicklung einer Hypertonie
gehören Adipositas und Dia-
betes mellitus. Antihyperten-
sive Therapien senken das
Risiko. Ein Beitrag über die
antihypertensive Therapie bei
Adipositas und Diabetes.
A. Adiposistas
Hypertoniker leiden zu über 44 Prozent auch an einer Adipositas und einer gesteigerten Insulinresistenz. In der Regel handelt es sich um ein metabolisches Syndrom, selten liegt der Hypertonie bei Adipösen eine primäre Grunderkrankung wie M. Cushing oder eine bilaterale Nebennierenrindenhyperplasie mit idiopathischem Hyperaldosteronismus zugrunde (Kasten). Die Gewichtsreduktion steht bei Adipositas deshalb ganz im Vordergrund der Bemühungen. Eine jährliche Gewichtsreduktion von 5 Prozent des Ausgangsgewichtes kann als Erfolg angesehen werden. Bei Patienten mit Gewicht über einem BMI (Body Mass Index) von 35 kg/m2 sollte der erste Gewichtsverlust über 10 Prozent liegen. Bei metabolischem Syndrom und Insulinresistenz kann dadurch nicht nur der Blutdruck gesenkt werden, sondern auch das frühzeitige Auftreten eines Diabetes mellitus verzögert Typ 2 werden (2). Begleitend zur Gewichtsreduktion ist die regelmässige Steigerung der körperlichen Aktivität im Sinne eines Ausdauertrainings unabdingbar.
Das bei Adipösen vermehrt auftretende
Schlaf-Apnoe-Syndrom kann ebenfalls für
Kasten: B l u t d r u c k u n d
die Hypertonie verantwortlich sein und
Manschettengrösse
sollte routinemässig ausgeschlossen werden.
Die Blutdruckmessung darf je nach
Oberarm- oder Handgelenksumfang
Medikamentöse Therapie
nicht mit der gewöhnlichen Blutdruckmessmanschette vorgenommen wer-
Bezüglich der Pharmakotherapie der Hyper- den, denn die Manschette muss dem
tonie gibt es bei Adipositas keine speziellen Studienergebnisse, die es erlauben, einzelne Pharmakagruppen zu favorisieren. Die therapeutische Strategie bei Hypertonie und Adipositas muss sich daher zurzeit noch auf rein pathophysiologische Grundlagen stützen. Dabei sind wesentliche
grösseren Umfang angepasst werden. Am Oberarm gilt in der Regel als Grenze für den Manschettenwechsel 33 cm, für das Handgelenk 19 bis 21 cm, wobei der Grenzwert je nach Gerätehersteller beziehungsweise -typ in dem angegebenen Bereich schwanken kann (1).
Gesichtspunkte die erhöhte sympathische
Aktivität und die adipozytäre Renin-Angio- 1,26; 95%-CI: 1,03–1,52) gegenüber den
tensin-Stimulation, die beide fast regelhaft Vergleichsgruppen signifikant (p < 0,05) mit einer Adipositas vergesellschaftet sind. gesteigert. Diese Ergebnisse stimmen gut mit anderen klinischen und pathophysio- Reduktion der sympathischen Aktivität logischen Untersuchungsergebnissen überein. In diesen war die Therapie mit konventionellen Betablockern in der Lage, eine Betablocker vorbestehende Insulinresistenz zu verstär- Betablocker sind die Medikamente der ken und fast regelhaft eine Zunahme des Wahl bei erhöhtem Sympathikotonus, da Körpergewichts zu induzieren (4). sie den Blutdruck und die Herzfrequenz Zudem kann nicht selten eine negative effektiv senken können. In grösseren The- Beeinflussung des Lipidstoffwechsels mit rapiestudien bei Hypertonie haben sie die Reduktion von HDL-Cholesterin unter Be- kardiovaskuläre Komplikationsrate der Pa- tablockern beobachtet werden. tienten signifikant senken können. Bei Pa- tienten mit metabolischem Syndrom ist Alpha-I-Blocker der Einsatz der Betablocker möglich und Eine gleichzeitige Blockade der Alpha-I- sinnvoll, aber auch in Details kritisch ab- Adrenozeptoren, wie sie für Carvedilol (5) zuwägen. In der ARIC-Studie (3) war pros- nachzuweisen ist, führt nach dem Insulin- pektiv über sechs Jahre zu beob- achten, dass bei den Patienten Tabelle 1: Unterschiedliche Risikoreduktion in mit arterieller Hypertonie die der SYST-EUR-Studie bei Hypertonikern und Therapie mit Betablockern mit Diabetikern mit Hypertonie (11) einer höheren Inzidenz von Diabetes mellitus verbunden war als eine Therapie mit den übrigen Substanzgruppen. Die Wahrscheinlichkeit, einen Diabetes mellitus in den nächsten sechs Jahren zu erleiden, war unter Betablockern um 26 Prozent (RR Diabetes Gesamtmortalität kardiovaskuläre Mortalität alle Schlaganfälle alle kardialen Ereignisse Reduktion der Endpunkte nein ja (n = 4203) (n = 492) 6% 55% 13% 76% 38% 73% 21% 63% A R S M E D I C I D O S S I E R I I I q 2 0 0 4 19 ÜBERSICHT q APERÇU Stand der Hypertonie-Therapie bei Adipositas und Diabetes Anteil von Patienten mit erstem Ereigniss (%) 10 Intention-to-treat-Analyse 9 Antenolol 8 7 6 5 Losartan 4 3 2 1 Adjustierte Risikoreduktion 25%, p = 0,001 Unadjustierte Risikoreduktion 25%, p = 0,001 0 0 6 12 18 24 30 36 42 48 54 60 66 Studienmonat Abbildung 1: Einfluss von Losartan (50–100 mg/ Tag) auf die Inzidenz von Diabetes mellitus bei über fünf Jahre behandelten Hypertonikern mit Linksherzhypertrophie sowie auf die Gesamtmortalität bei hypertensiven Diabetikern in der LIFE-Studie. Die Vergleichsgruppe wurde mit 50 bis 100 mg/ Tag Atenolol behandelt. Dargestellt sind die Ergebnisse der Intentionto-treat-Auswertung (8). Clamp-Test nicht zu einer Verschlechterung der Zuckerstoffwechsellage, sondern eher zu einer Verbesserung der gestörten Glukosetoleranz. Daten bezüglich der Diabetes-Inzidenz liegen zurzeit für Carvedilol aber noch nicht vor. Anders als Betablocker gelten Alpha-IBlocker als absolut stoffwechselneutral. Sie bedingen keinen Gewichtsanstieg und können auch die Insulinresistenz über einen längeren Zeitraum absenken. In den Leitlinien zur Hypertoniebehandlung werden sie bei adipösen Hypertonikern ohne Herzinsuffizienz wegen fehlender Endpunktstudien und einem erhöhten Risiko einer Herzinsuffizienz noch nicht für die Monotherapie empfohlen, sondern vielmehr als gute Therapiepartner – zum Beispiel in der Kombination mit ACE-Hemmern oder Kalziumantagonisten – eingestuft. Ähnliches gilt auch für zentral wirkende Sympatholytika wie Clonidin und Moxonidin. Clonidin sollte wegen seines Nebenwirkungsprofils aber erst in einer Mehrfachkombination bei schwer therapierbarer Hypertonie eingesetzt werden (1). ACE-Hemmer- und AT-I-Blocker-Einsatz ACE-Hemmer bessern die Glukoseutilisation durch die Skelettmuskulatur und schwächen hierüber die Insulinresistenz signifikant ab. In der Langzeittherapie senken sie die Diabetes-Inzidenz bei Hypertonikern. So konnte in der CAPPP-Studie (6) für Captopril gezeigt werden, dass die Inzidenz des Diabetes mellitus unter Captopril über fünf Jahre signifikant niedriger war als in der Vergleichsgruppe. Es waren nach fünf Jahren in der CaptoprilGruppe 337 Diabetes-Neu-Diagnosen gestellt worden, während es in der konventionellen Therapiegruppe 380 Fälle waren (RRR 14%; p < 0,039). Ähnlich günstig waren auch die Ergebnisse der HOPE-Studie (7). In dieser Studie an Hochrisikopatienten waren unter ACE-Hemmung nach vier Jahren ebenfalls deutlich weniger Diabetes-Neu-Diagnosen gestellt worden als in der Plazebo-Kontrollgruppe. Der Unterschied war mit 183 gegen 225 Fälle signifikant (p < 0,05). Ähnlich positive Ergebnisse wurden in der Zwischenzeit auch für die AT-I-Blocker festgestellt. In der LIFE-Studie (8) kam es unter Losartan im Vergleich zu Atenolol über vier Jahre zu deutlich weniger Diabetes mellitus- Neudiagnosen (Abbildung 1). Waren es in der Atenolol-Vergleichsgruppe 319 Fälle, so waren es in der Losartan-Gruppe nur 241 Fälle (p < 0,01). Diese günstigen Ergebnisse wurden bei absolut identischer Blutdruckeinstellung in beiden Therapiegruppen erhoben. Somit kann die Blutdruckeinstellung alleine kein Grund für die günstige Stoffwechselwirkung von Losartan sein. Pathophysiologisch wird für die ACE-Hemmer und die AT-I-Blocker die Hemmung des Angiotensin II an den Adipozyten, den Hepatozyten und den peripheren Widerstandsgefässen in der Skelettmuskulatur diskutiert. Eine Hemmung des Angiotensin II bedeutet für den Stoffwechsel, dass weniger Glukose intrahepatisch freigesetzt wird, dass mehr Glukose durch die Vasodilatation in der Skelettmuskulatur aus dem Blut extrahiert und schliesslich, dass das Wachstum der Adipozyten verlangsamt wird, und somit weniger metabolische Störungen vom Fettgewebe ausgehen können (9). Zusammenfassung Zusammenfassend ergibt sich für die Behandlung der Hypertonie bei Adipositas, dass aus pathophysiologischen Überlegungen die ACE-Hemmer und AT-I-Blocker Mittel der ersten Wahl in der Monotherapie der Hypertonie bei Adipositas sind. Betablocker senken den erhöhten Sympathikotonus der adipösen Patienten und haben so ebenfalls einen günstigen Effekt auf das kardiovaskuläre Risiko. Nachteilig könnte sich für einzelne Patienten mit ausgeprägtem metabolischen Syndrom die erhöhte Diabetes-Inzidenz unter Betablocker auswirken. Ideale Mittel für die Kombinationstherapie stellen je nach Begleiterkrankung Diuretika oder Kalziumantagonisten dar. Alpha-I-Blocker sind ebenfalls günstig einzustufen, sollten aber nach den Empfehlungen der nationalen Fachgesellschaften erst in der Kombinationstherapie zum Einsatz kommen. B. Diabetes mellitus Wird die Diagnose eines Diabetes mellitus Typ 2 gestellt, haben bereits 80 Prozent der Patienten eine klinisch relevante Hypertonie. Hierbei findet sich die Form der isoliert systolischen Hypertonie ganz besonders häufig. Sie ist mit einem besonders hohen Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen verbunden. Entsprechend konnte in der SHEP- und SYST-EUR-Studie (10, 11) gezeigt werden, dass die Senkung erhöhter Blutdruckwerte beim Diabetiker auch mit einem besonderen Erfolg verbunden ist (Abbildung 2; Tabelle 1). 5-Jahresergebnisse der SHEP-Studie Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse pro 1000 Patienten -10 -30 -50 -70 -90 -110 ohne DM mit DM Abbildung 2: Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse bei Hypertonikern und hypertonen Diabetikern in der SHEP-Studie. Angegeben sind die Ergebnisse der 5-Jahres-Erhebung. Bei Diabetes mellitus erzielt die antihypertensive Behandlung mit Diuretika und Betablockern eine annähernd doppelt so grosse Ereignisprävention wie bei nichtdiabetischen Hypertonikern (10). 20 A R S M E D I C I D O S S I E R I I I q 2 0 0 4 ÜBERSICHT q APERÇU Stand der Hypertonie-Therapie bei Adipositas und Diabetes Der Erfolg der antihypertensiven Therapie war nach den Ergebnissen der UKPDSund HOT-Studie besonders ausgeprägt, wenn der Blutdruck normnah abgesenkt wurde (12, 13). Nachteile durch die strengere Blutdruckeinstellung konnten nicht beobachtet werden. Aufgrund dieser Studienlage (Tabelle 2) wird heute eine konsequente Blutdruckeinstellung bei Diabetikern verlangt. Die WHO (World Health Organisation) hat das Ziel aus den Ergebnissen der HOT-Studie abgeleitet und mit < 130/85 mmHg definiert. Die nephrologischen Fachgesellschaften fordern bei diabetischer Nephropathie eine weitere Blutdrucksenkung diastolisch auf Werte unter 80, und bei einer grossen Proteinurie ist die Expertenmeinung zurzeit derart, dass eine noch strengere Blutdruckeinstellung mindestens unter 125/75 mmHg die beste Nephroprotektion bedeutet (1). Abbildung 2: Einfluss von Losartan (50–100 mg/ Tag) auf die Gesamtmortalität von hypertensiven Diabetikern mit Linksherzhypertrophie über fünf Jahre in der LIFE-Studie. Die Vergleichsgruppe wurde mit 50–100 mg/Tag Atenolol behandelt. Dargestellt sind die Ergebnisse der Intention-to-treat-Auswertung15. Nichtmedikamentöse Therapieansätze Als Grundlage für eine jede Blutdrucksenkung gelten auch beim Diabetiker mit Hypertonie die nichtmedikamentösen Massnahmen im Sinne von Lebensstiländerungen. Zu empfehlen ist wie bei der Adipositas primär die Gewichtsnormalisierung. In zweiter Linie folgen die Kochsalzrestriktion und die Alkoholkonsumbegrenzung. Die Steigerung der körperlichen Aktivität ist zu allen anderen Massnah- Tabelle 2: Vergleich der Zahl der zu behandelnden Hypertoniker, um ein kardiovaskuläres Ereignis pro Jahr zu verhindern (NNT) MRC-Trial SHEP SYST-EUR SHEP + DM SYST-EUR + DM NNT Zielblutdruck 91 < 90 mmHg 83 < 140–160 mmHg 115 < 150 mmHg 48 28 Der Nutzen der Hypertoniebehandlung beim Diabetiker stellt sich in diesem Vergleich als besonders günstig dar. Im Mittel müssen zirka 38 hypertensive Diabetiker über ein Jahr behandelt werden, um ein kardiovaskuläres Ereignis wie Herzinfarkt, Apoplex oder Herzinsuffizienz zu verhindern. men zusätzlich zu propagieren. Durch regelmässig erhöhte körperliche Aktivität konnte nämlich in allen grossen Interventionsstudien die Häufigkeit kardiovaskulärer Komplikationen bei Diabetes mellitus signifikant gesenkt werden (14). Pharmakotherapie Zur medikamentösen Behandlung der arteriellen Hypertonie stehen auch dem Diabetiker die fünf Substanzgruppen der Monotherapie zur Verfügung, die durch die Fachgesellschaften empfohlen werden. Es handelt sich um Betablocker, Diuretika, Kalziumantagonisten, ACE-Hemmer und Angiotensin-I-Rezeptorantagonisten. Bei Diabetikern sind aber einige Besonderheiten zu beachten. Betablocker Unter Betablockern kommt es in der Regel zu einer Gewichtszunahme um 2 bis 3 kg, was eine intensivere Einstellung des Blutzuckers verlangt. Unter der Betablockertherapie mit Atenolol mussten in der UKPD-Studie (12) signifikant mehr Antidiabetika eingesetzt werden als unter dem ACE-Hemmer Captopril (81% der Patienten gegenüber 71%; p < 0,029). Betablocker sind bevorzugt bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit einzusetzen und gelten als unverzichtbar bei Zustand nach Herzinfarkt sowie bei Herzinsuffizienz. AT-I-Blocker In der LIFE-Studie (15) hatte der AT-1Blocker Losartan in der antihypertensiven Therapie bei Patienten mit manifestem Diabetes mellitus gegenüber der konventionellen Therapie mit Atenolol deutliche Vorteile. Denn es war nach 60 Monaten trotz gleicher Blutdrucksenkung durch beide Substanzen eine hochsignifikante Reduktion der kombinierten Endpunkte, der kardiovaskulären Todesrate sowie der Gesamtmortalität unter Losartan zu beobachten (Abbildung 3). Auch bezüglich der Regression der Linksherzhypertrophie war bei den Patienten unter Losartan eine bessere Wirksamkeit festzustellen als unter Atenolol (Rückgang unter Losartan 13% nach dem Sokolow-Lyon-Index und unter Atenolol 5%, p < 0,001). Im Verlaufe der Behandlung nahm zusätzlich die Frequenz einer Makroalbuminurie in der Gruppe der mit AT-I-Blocker behandelten Patientengruppe ab, während sie in der Betablocker-Gruppe konstant blieb (p < 0,002). Kalziumantagonisten In den Therapiestudien mit primärem Einsatz von Dihydropyridin-Kalziumantagonisten wie der SYST-EUR- und HOT-Studie profitierten die Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 besonders ausgeprägt von der Blutdrucksenkung (11, 13). Bei gleichzeitig bestehender diabetischer Nephropathie wurde in der Vergangenheit jedoch immer vor dem initialen Einsatz der Dihydropyridin-Kalziumantagonisten gewarnt, da die Mortalität gegenüber ACE-Hemmern erhöht gefunden wurde (FACETund ABCD-Studie). Diesbezüglich hat nun die IDNT-Studie an Typ-2-Diabetikern mit Nephropathie (16) durch ihr spezifisches 22 A R S M E D I C I D O S S I E R I I I q 2 0 0 4 ÜBERSICHT q APERÇU Stand der Hypertonie-Therapie bei Adipositas und Diabetes tensiver Nephrosklerose demon- strieren anschaulich, dass auch die AT-I-Blocker das gleiche nephropro- tektive Potenzial aufweisen wie die ACE-Hemmer. Ist diese Potenz für die ACE-Hemmer im Wesentlichen bei Typ-1-Diabetikern gezeigt, so wurden die Studien für die AT-I- Blocker im Wesentlichen an Typ-2- Diabetikern durchgeführt. Die Anti- hypertensiva mit Hemmwirkung auf das Renin-Angiotensin-System wie ACE-Hemmer oder AT-I-Blocker zäh- Abbildung 3: Ergebnisse der IDNT-Studie bei Typ-2-Diabetikern mit Nephropathie. Die Behandlung der Hypertonie erfolgte in drei Gruppen über vier Jahre. Verglichen wurde eine konventionelle Therapie mit Betablockern und Diuretika (Plazebo; n = 569) mit Amlodipin (5–10 mg/ Tag; n = 567) beziehungsweise Irbesartan (150–300 mg/ Tag; n = 579). Dargestellt ist der Verlauf des Anteils der Patienten mit Verdopplung des Serum-Kreatinins im Beobachtungszeitraum. Der Unterschied zwischen Irbesartan und den anderen Therapiearmen ist mit p < 0,008 vs. Plazebo und p < 0,02 vs. Amlodipin signifikant16. len somit zu den Antihypertensiva der ersten Wahl für Diabetiker und insbesondere Diabetiker mit Nephropathie. Alle anderen Substanzen können für die Kombinationstherapie ohne Unterschied eingesetzt werden. Dies gilt auch für die Kalziumantagonisten vom Dihydropyridin-Typ, wie die IDNT- und AASK- Studien gezeigt haben (16, 19). Design ein hoch interessantes Ergebnis er- bracht. Die Studie erlaubt nämlich erstmals den direkten Vergleich von Amlodi- Zusammenfassung pin mit einer konventionellen Therapie, Zusammenfassend ergibt sich aus dem bei der die arterielle Hypertonie im We- Literatur-Überblick, dass der hypertensive sentlichen mit Betablockern und Diuretika Diabetiker ein erhöhtes kardiovaskuläres behandelt wurde. Die Ergebnisse (Abbil- Risiko hat und deshalb einer besonders dung 4) zeigen, dass Amlodipin sich in konsequenten therapeutischen Betreu- keinem der untersuchten Punkte in seiner ung bedarf. Das Therapieziel muss beson- Wirksamkeit von der konventionellen ders streng definiert werden, wodurch bei Therapie unterscheidet. Besonders wich- den hypertensiven Diabetikern mit grosser tig ist der Befund, dass bei Typ-2-Diabeti- Wahrscheinlichkeit eine Mehrfachkombi- kern mit Nephropathie unter Amlodipin nation unvermeidbar wird. Hierbei ist als keine überhöhte Mortalität zu beobach- Mittel der ersten Wahl eine Substanz aus ten war. Die IDNT-Studie bestätigt somit, der Klasse der Renin-Angiotensin-System- dass bei Typ-2-Diabetikern mit Nephropa- hemmenden Substanzen wie ACE-Hem- thie der Kalziumantagonist Amlodipin mer oder AT-I-Blocker zu wählen. Als Mit- den Betablockern und Diuretika gleich- tel der zweiten Wahl in der Kombination wertig in Hinblick auf Wirkung und Si- können je nach Begleiterkrankung Beta- cherheit eingesetzt werden kann. blocker, Diuretika oder Kalziumantagoni- Verapamil und Diltiazem können alterna- sten gelten. Die nephroprotektive Wir- tiv bei Patienten mit hoher Herzfrequenz kung der AT-I-Blocker ist durch mehrere verordnet werden. Aus der APSIS-Studie prospektive Therapiestudien inzwischen ergeben sich Hinweise, dass Verapamil für Typ-2-Diabetiker so gut belegt wie bei das gleiche kardioprotektive Potenzial bei den ACE-Hemmern für die Typ-1-Diabeti- koronarer Herzkrankheit besitzt wie Beta- ker. Das Erreichen des Zielblutdruckes in blocker. Ruhe ist jedoch nicht das einzige Thera- Die Studien zur Nephroprotektion (IRMA- pieziel bei hypertensiven Diabetikern. Studie, RENAAL-Studie, IDNT-Studie, AASK- Vielmehr sollte auch darauf geachtet wer- Studie) bei Diabetes mellitus und hyper- den, dass der Belastungsblutdruck bei 100 Watt sicher unter 200/100 mmHg liegt. Bei älteren Patienten kann pro Le- bensdekade ab 50 Jahren ein zusätzlicher Blutdruckanstieg um systolisch 10 und diastolisch 5 mmHg unter Belastung ak- zeptiert werden. Als optimal wird die Blut- druckeinstellung dann betrachtet, wenn gleichzeitig der Pulsdruck (Differenz zwi- schen systolischem und diastolischem Blutdruck) unter 60 mmHg abgesenkt wird. Eine eventuelle Orthostasereaktion ist durch Messungen des Blutdrucks im Stehen zu erfassen. q Korrespondenzadresse: Univ.-Prof. Dr. med. Gerd Bönner Ärztlicher Direktor der Privatklinik Baden für Innere Medizin MEDIAN Klinikum für Akut- und Rehabilitationsmedizin Herbert-Hellmann-Allee 38 D-79189 Bad Krozingen E-Mail: gerd.boenner@t-online.de Literaturangabe auf Anfrage beim Autor. Abkürzungen: AASK: African American Study of Kidney Disease and Hypertension ABCD: Appropriate Blood Pressure Control in Diabetes Trial APSIS: Angina Prognosis Study in Stockholm ARIC: The Atherosclerosis Risk in Communities Study CAPPP: Captopril Prevention Project CI: Konfidenzintervall FACET: Fosinopril versus Amlodipin Cardiovascular Events Randomized Trial HOPE: Heart Outcome Prevention Evaluation HOT: Hypertension Optimal Treatment IDNT: Irbesartan Diabetic Nephropathy Study IRMA: Irbesartan in Patients with Typ 2-Diabetes and Microalbuminuria Study LIFE: Losartan Intervention for Endpoint Reduction in Hypertension MRC: Medical Research Council RENAAL: Reduction in Endpoints in NIDDM with the Angiotensin-II-Antagonist Losartan RRR: Relative Risikoreduktion SHEP: Systolic Hypertension in the Elderly Program SYST-EUR: Systolic Hypertension Europe UKPDS: United Kingdom Prospective Diabetes Study A R S M E D I C I D O S S I E R I I I q 2 0 0 4 23