Transkript
MEDIEN ■ MODEN ■ MEDIZIN
Rosenbergstrasse 115
Aufregung wegen einer Werbekampagne für Desinfektionstüchlein der Firma B. Braun Medical AG. Die Anzeige zeigt eine blonde Touristin aus dem Westen, die in einem vollbesetzten Bus in der Dritten Welt steht. Text: «Hände waschen, wo immer Sie möchten.» (www.persoenlich. com/news/show_news.cfm?newsid=78886). Werbebotschaft: Wenn die Rucksackreisende die Hände waschen möchte und kein Wasser zur Verfügung ist, so kann sie ihre Hände mit dem angepriesenen Tüchlein säubern. Diese manchem Backpacker nicht unbekannte Situation, ist politisch offensichtlich nicht korrekt. «Das Sujet bedient rassistische Stereotypen», stellt die «SonntagsZeitung» fest, und Frank Bodin, Präsident des Werbeagenturenverbands BSW, pflichtet bei: «Die Anzeige ist eine Katastrophe und nicht tolerierbar.» Angesichts solcher Kritik bekamen Agentur und Auftraggeber ein mulmiges Gefühl und stoppten die Kampagne – nicht ohne Selbstverständliches zu beteuern, nämlich, dass sie sich «von jeglichen Verbindungen zu rassistischen und religiösen Hintergründen oder sonstiger Diskriminierung von Menschen» distanzieren. Als ehemaliger Rucksackreisender ist man etwas verwirrt: Für genau diese Situationen, die man zigmal erlebt hat (z.B. 27 Stunden im Zug durch die nubische Wüste, ohne Zugang zu sauberem Wasser, ausser demjenigen in den mitgeführten Flaschen), sind die harmlosen Tüchlein gedacht – nur sagen darf man das nicht?
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Dass Bundesrat Samuel «Sämi» Schmid zurücktritt, hilft den Ärzten gar nichts. Der für die Revision der Analysenliste zuständige und diesbezüglich den Argumenten der Hausärzte wenig zugängliche Bundesrat heisst Pascal Couchepin und wirkt weiter. So stellt er etwa fest: «Comme cela
a été expliqué, il est possible, avec la révision, de pratiquer une activité de laboratoire couvrant les coûts et qualitativement irréprochable.» Und er antwortet den Interpellanten aus dem Nationalrat, die sich um die Hausarztmedizin Sorgen machen, sec: «Je vous rappelle que le revenu moyen d'un médecin de famille, c'est 190 000 francs. C'est normal. Je trouve que ce n'est pas exagéré par rapport aux responsabilités et au travail, mais ce n'est pas encore un salaire de misère. A côté de cela, les médecins de famille touchent environ 21 000 francs provenant des activités de laboratoire.» P.C. findet, Hausärzte ohne Praxislabor könnten schliesslich auch ohne diesen (von seinen Experten berechneten) Zusatzverdienst auskommen. Also sollens jene mit Praxislabor ebenfalls. Alles klar.
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Soll er einem nun leidtun, der Samuel Schmid, der unter Tränen seinen vortags noch weit von sich gewiesenen Rücktritt ankündigt? Gute Frage, vielfach in den Medien diskutiert? Als Mensch sehr wohl. Als Politiker? Keineswegs. Nur, lässt sich beides so leicht voneinander trennen? Andere Frage: Wie geht es wohl den Mitarbeitern von Betrieben, die angesichts der offensichtlich unvermeidbaren Wirtschaftskrise demnächst Leute entlassen müssen oder bereits mussten? Den Entlassenen, die nicht mit einer lebenslangen Jahresrente in der Höhe eines gemäss Couchepin durchschnittlichen Ärzteeinkommens rechnen dürfen? Denen keine öffentliche Anteilnahme zuteil wird, wenn ein paar Tränen fliessen? Die ihren Job verlieren, ohne in ihren Abteilungen ein Chaos hinterlassen zu haben? Die nicht, sobald sie nur möchten, eine andere gut bezahlte Tätigkeit aufnehmen können? Unfaire Vergleiche und Fragen, zugegeben.
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Goldene Fallschirme in der Industrie sind zu Recht verpönt. Wer, wie einige Chefs von Banken und Industriebetrieben, Fehlentscheide getroffen haben und Risiken eingegangen sind, die ihre Firmen fast ruiniert haben, sollten bei ihrer Freistellung nicht nur keine Boni erhalten, sondern auch keine Abfindungen. Darüber besteht weitgehend Konsens. Wie steht es mit Bundesräten? Offenbar besteht hier ebenfalls Konsens: Egal, ob sie gute oder miserable Arbeit geleistet haben, ihr Ruhegehalt von rund 220 000 Franken jährlich soll ihnen auf Lebenszeit sicher sein. Die Millionen, die da über die Jahre gerechnet zusammenkommen, bilden am Ende – eigentlich – auch einen ganz schön goldenen Fallschirm. Nur nennt den niemand so. Schon wieder ein unfairer Vergleich? Aber sicher.
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Dringender Aufruf! Noch ist nichts verloren im Kanton Zürich (auch wenn – leider – einige Kollegen auf Pessimismus machen). Noch ist es Zeit, seine Patientinnen und Patienten davon zu überzeugen, dass der Erhalt der Selbstdispensation im Interesse aller liegt. Aller – und an erster Stelle im Interesse der Patientinnen und Patienten. «JA» am 30. November! Bitte werben Sie auch in Ihrer Praxis dafür!
Richard Altorfer
ARS MEDICI 23 ■ 2008 1021