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Prospektive Langzeitstudie über 26 Jahre:
Nichtraucher leben länger und ihre Extrajahre sind von besserer Qualität
Vom Rauchen ist bekannt, dass es die Lebenserwartung um 7 bis 10 Jahre verkürzt. Nicht bekannt ist jedoch, ob die grössere Langlebigkeit der Nichtraucher nicht durch vermehrte Behinderungen und verminderte Lebensqualität während der Extrajahre getrübt wird. Dieser Frage ging eine bemerkenswerte Langzeitstudie aus Finnland nach, die kürzlich in den «Archives of Internal Medicine» erschienen ist. Die prospektive Kohortenstudie hatte ein Followup von 26 Jahren und umfasste 1658 zwischen 1919 und 1934 geborene Männer, die an der Helsinki Businessmen Study teilnahmen. Alle waren zu Beginn im Jahr
1974 gesund gewesen. Eine Reevaluation geschah mittels per Post versandter Fragebögen. Teilnehmer die nie geraucht hatten, lebten 10 Jahre länger als schwere Raucher (> 20 Zigaretten pro Tag). Unter den im Jahr 2000 Überlebenden hatten die Niemalsraucher die besten Scores in einer Befragungsskala, welche die gesundheitsbezogene Lebensqualität quantifiziert. Somatische Komponenten der Lebensqualität zeigten eine graduelle Verschlechterung der Lebensqualität parallel zur Anzahl täglich gerauchter Zigaretten (p = 0,01). Die Autoren räumen einige methodische Schwächen ein, so eine hohe Rate von Teil-
nehmern, die das Rauchen zwischenzeit-
lich aufgegeben hatten, fehlende Angaben
über die genauen Rauchgewohnheiten wäh-
rend des Follow-ups sowie die fehlende
Vergleichsmöglichkeit bei der Lebensqua-
litätsskala, die 1974 noch gar nicht in Ge-
brauch war. Sie kommen dennoch zum
Schluss, dass Männer, die nie geraucht
haben, nicht nur zehn Jahre länger leben,
sondern dass ihre zusätzlichen Lebens-
jahre auch von einer besseren Qualität
sind.
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H.B.
Arch Intern Med 2008; 168 (No. 18): 1968—1974.
Ergebnisse der EPIC-Studie bestätigen:
Das Bauchfett ist wichtiger als das Körpergewicht
Auch Normalgewichtige haben ein erhöhtes Sterberisiko, wenn sie reichlich abdominelle Fettpolster mit sich tragen. Das bedeutet: Nicht nur das Körpergewicht, sondern mehr noch der Taillenumfang und vor allem das Verhältnis von Taille zur Hüfte sind die massgeblichen Risikofaktoren. Diese Einsicht ist in den letzten Jahren gewachsen, jetzt wird sie in der EuropeanProspective-Investigation-into-Cancer-andNutrition-(EPIC-)Studie bestätigt. Die Ergebnisse wurden kürzlich im «New England Journal of Medicine» (2008; 359: 2105–2120) publiziert und sind unter www.content. nejm.org frei zugänglich. EPIC ist die weltweit grösste prospektive Kohortenstudie, an der 23 Zentren in zehn europäischen Ländern teilnehmen. Zwischen 1992 und 2000 sind mehr als eine halbe Million Menschen aufgenommen worden, deren gesundheitlicher Werdegang unter anderem durch Analyse der Krebsregister und mithilfe von regelmäs-
sigen Befragungen verfolgt wird. Von den 35- bis 70-jährigen Teilnehmern sind in den ersten 9,7 Jahren 14 723 verstorben. Die jetzt publizierte Analyse ihrer Daten bestätigt im Prinzip die Assoziation zwischen Body-Mass-Index (BMI) und Sterblichkeit. Allerdings ist die Beziehung nicht linear: Untergewichtige (BMI < 18,5) hatten ein ebenso stark erhöhtes Risiko wie Adipöse mit einem BMI über 30. Der optimale BMI beträgt 25,3 bei Männern und 24,3 bei Frauen. Während das Sterberisiko der Schwergewichte vor allem durch kardiovaskuläre Erkrankungen und bestimmte Tumoren erhöht ist, sind Untergewichtige unter anderem durch respiratorische Erkrankungen und andere Ursachen gefährdet. Der Grund hierfür ist letztlich unbekannt. Möglicherweise spielen Entzündungsfaktoren eine Rolle, die von abdominellen Fettzellen freigesetzt werden. Bestätigt wurde in der Untersuchung, dass auch der Taillenumfang ein vom Körper- gewicht unabhängiger Risikofaktor ist. Demnach haben auch Normalgewichtige ein erhöhtes Sterberisiko, wenn bei ihnen die abdominale Adipositas stark ausge- prägt ist. Optimal ist der Studie zufolge ein Taillenumfang zwischen 75 und 80 cm bei Frauen und 90 bis 95 cm bei Männern. Jeder Anstieg um 5 cm darüber erhöhte das Sterberisiko bei Männern um 17 Prozent und bei Frauen um 13 Prozent. Besonders wichtig aber erscheint das Ver- hältnis aus Taillen- zu Hüftumfang. Jede Zunahme um 0,1 Punkte erhöhte das Ster- berisiko bei Männern um 34 Prozent und bei Frauen um 24 Prozent. Ein Bauch- umfang von mehr als 120 cm bei Männern und 100 cm bei Frauen verdoppelte das Sterberisiko. Das Fazit der Autoren lautet: Ärzte sollten insbesondere bei untergewichtigen Men- schen immer auch das Taille-Hüfte-Verhält- nis messen. ■ U.B. 1020 ARS MEDICI 23 ■ 2008