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BERICHT
Bisphosphonate können mehr als Knochen schützen
Studienergebnisse bei Frauen mit Brustkrebs zeigen antitumorale Wirkung
Die kürzlich am Jahrestreffen der American Society of Clinical Oncology (ASCO) öffentlich gemachten Resultate einer internationalen Studie bei prämenopausalen Frauen mit frühem Brustkrebs wurden in Zürich an einem Novartis-OncoTalk® vorgestellt.
HALID BAS
Bisphosphonate werden breit gegen osteoporotischen Knochenschwund eingesetzt, und einige Vertreter dieser Wirkstoffklasse haben auch in der Onkologie zur Behandlung von Knochenmetastasen Bedeutung erlangt. Knochenmetastasen können für die Betroffenen vier, eventuell sogar katastrophale Folgen haben, erläuterte PD Dr. Bernhard Pestalozzi, Klinik und Poliklinik für Onkologie, Universitätsspital Zürich: ■ Frakturen ■ therapierefraktäre
Knochenschmerzen ■ Rückenmarkskompression ■ Hyperkalzämie
Bisphosphonate können solchen skelettbedingten Ereignissen entgegenwirken, wobei man sich vereinfachend vorstellt, dass sie eine Art Überzug über den Knochenbälkchen bilden, der es den durch die Tumorzellen der Metastasen übermässig angeregten Osteoklasten erschwert, die Knochenmatrix abzubauen. Zur Behandlung tumorbedingter Hyperkalzämien und metastaseverursachter Knochenprobleme sind verschiedene Bisphosphonate im Einsatz, die sich durch Unterschiede in der antiresorptiven Potenz um den Faktor 10
unterscheiden. «Ob auch Unterschiede beim therapeutischen Fenster in ähnlicher Grössenordnung bestehen, ist aber offen», wie Bernhard Pestalozzi anmerkte. Bemerkenswert und am letzten ASCOKongress lebhaft diskutiert sind die Ergebnisse der ABCSG-12-Studie (ABCSG: Austrian Breast & Colorectal Cancer Study Group), die bei Patientinnen mit hormonrezeptorpositivem Mammakarzinom in frühen Stadien, die zunächst eine Lokaltherapie (Op., ggf. Radiotherapie) erhalten hatten, den weiteren Verlauf verfolgte. 1800 Patientinnen wurden prospektiv in einer offenen kontrollierten Phase-III-Studie mit einem 2 × 2-faktoriellen Design während 36 Monaten weiterbehandelt. Die vier Studienarme bestanden aus täglich 20 mg Tamoxifen (z.B. Nolvadex®) mit oder ohne 4 mg
PD Dr. med. Bernhard Pestalozzi, Zürich
liche Zoledronsäureinfusion. Alle Patientinnen erhielten zusätzlich monatliche Goserelin-(Zoladex®-)Gaben zur Unterdrückung der Ovarialfunktion. Inzwischen liegen erste Ergebnisse seit dem Rekrutierungsende 2004 mit einer medianen Beobachtungsdauer von zwei Jahren ab Therapieende vor. Zunächst ist festzuhalten, dass die Gesamtprognose der Brustkrebspatientinnen in der ABCSG-12-Studie ausgezeichnet war. «Über 98 Prozent dieser Frauen sind rund fünf Jahre nach der Diagnose ihres
«Über 98 Prozent der Frauen in dieser Brustkrebsstudie
sind rund 5 Jahre nach der Diagnose ihres Tumorleidens
noch am Leben, und dies ohne adjuvante Chemotherapie.»
Zoledronsäure (Zometa®) als 15-minütige Infusion alle sechs Monate beziehungsweise täglich 1 mg Anastrazol (Arimidex®) mit oder ohne die halbjähr-
Tumorleidens noch am Leben, und dies ohne adjuvante Chemotherapie», freute sich der Onkologe. Weiter belegen die Studienergebnisse, dass die Therapie mit
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BISPHOSPHONATE KÖNNEN MEHR ALS KNOCHEN SCHÜTZEN
Zoledronsäure zusätzlich zur hormonellen Behandlung das Risiko von Ereignissen bezüglich des krankheitsfreien Überlebens um signifikante 36 Prozent verringerte. Beim rezidivfreien Überleben beobachtete die österreichische Forschungsgruppe um Michael Gnant, Wien, ebenfalls eine Senkung des Risikos, hier um signifikante 35 Prozent.
Knochenmetastasen (16 vs. 23 Patientinnen). Hier sind längere Follow-upZeiten notwendig. Als Nebenwirkungen sind für intravenöse Bisphosphonate grippeähnliche Symptome bekannt, die sich aber gut behandeln lassen. Ferner kann es unter Bisphosphonaten zu einer Verschlechterung der Nierenfunktion kommen. Dies
«Während diese Resultate eine signifikante Senkung
des Rezidivrisikos zeigen, liess sich für Zoledronsäure jedoch bisher kein signifikanter Vorteil beim absoluten
Überleben nachweisen.»
«Während der bisherigen Beobachtungszeit liess sich für zusätzliche Zoledronsäure jedoch kein signifikanter Vorteil beim absoluten Überleben nachweisen», hielt Bernhard Pestalozzi fest. Dies erlaubt angesichts sehr kleiner Ereigniszahlen (16 Todesfälle in den Zoledrongruppen bzw. 26 Todesfälle ohne das Bisphosphonat) vorderhand keine weiteren Rückschlüsse. Ein ähnlicher zwar positiver, aber nicht signifikanter Trend ergab sich bei den Patientinnen mit
wurde aber bei diesen prämenopausalen Frauen mit erfolgreich behandeltem Brustkrebs nicht gesehen, ebenso wenig wie die seltene, aber gefürchtete Bisphosphonatnebenwirkung einer Kieferosteonekrose. Insgesamt war die Behandlung mit Zoledronsäure gut verträglich, resümierte Bernhard Pestalozzi. Ganz überraschend kommen die Ergebnisse der ABCSG-12-Studie nicht, denn Laboruntersuchungen hatten unter anderem auf eine Hemmung der für die
Tumorentwicklung wichtigen Angio-
genese, auf für die Tumorabwehr wich-
tige immunmodulierende Effekte, auf
eine Förderung der Apoptose von Tu-
morzellen und auf eine Verstärkung der
Zytostatikawirkung auf Metastasen hin-
gedeutet.
In seiner Bilanz der lebhaften Diskussio-
nen um die ABCSG-12-Studie am ASCO-
Kongress erwähnte Bernhard Pestalozzi
die Einschätzung, dass nach diesen Er-
gebnissen ein Therapiewandel noch
nicht zwingend ist, dass aber die vor-
läufigen Resultate durchaus für eine kli-
nisch wichtige Antitumorwirkung spre-
chen könnten. Die Beobachtung einer
antitumoralen Wirkung von Zoledron-
säure stützt sich auf eine geringere Zahl
sowohl von lokalen und kontralateralen
Rezidiven wie auch von selteneren
Fernmetastasen. Zusätzlichen Auf-
schluss erwartet man sich von den
Langzeitergebnissen weiterer grosser
Mammakarzinomstudien (z.B. GAIN,
AZURE, NaTan) auch mit anderen
Bisphosphonaten.
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Halid Bas
Interessenlage: Diese Berichterstattung erfolgt industrieunabhängig.
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