Transkript
INTERVIEW
Eine kleine Oase der Gesundheitsförderung
Christian Larsen erklärt, wie eine «gesunde» Praxis mit motivierten Mitarbeitern entsteht
Der «Zürcher Preis für Gesundheitsförderung im Betrieb» ist eine Initiative des Instituts für Sozialund Präventivmedizin der Universität Zürich. In diesem Jahr ist in der Kategorie Kleinunternehmen mit dem Spiraldynamik® Med Center aus Zürich erstmals eine (erweiterte) Arztpraxis ausgezeichnet worden. Wir sprachen mit ihrem Leiter, Christian Larsen.
Larsen: Gern. Ein wichtiges Anliegen ist es, dass die Mitarbeiter in ihrer Arbeitszeit ein grosses Mass an Flexibilität haben. Deshalb arbeiten wir auf der Basis der Jahresarbeitszeit. Wir fördern zudem ganz bewusst Teilzeitarbeit und Mutterschaft. Im Moment sind drei Viertel der Mitarbeiter in Teilzeit beschäftigt. Grundsätzlich arbeiten wir nach dem European Foundation of Quality Management. Das erfordert ein sehr strukturiertes Vorgehen – Analyse, Strategie, Umsetzung und Evaluation. Wir überprüfen in wöchentlichen Teamsitzungen, was gut läuft und was verbesserungsbedürftig ist. Über die Ergebnisse und neue Projekte werden alle Mitarbeiter schriftlich informiert, sodass auch bei Ferienabwesenheit jeder über die relevanten Themen, Beschlüsse und Standards auf dem Laufenden bleiben kann. Einmal im Jahr veranstalten wir einen Teambuilding-Event.
ARS MEDICI: Herr Larsen, können Sie uns ganz kurz Ihr Zentrum vorstellen? Larsen: Das Spiraldynamik Med Center befindet sich an der Privatklinik Bethanien. Wir betreuen Patienten mit jeder Art von Problemen des Bewegungssystems. Das Besondere ist dabei, dass wir in Diagnostik und Therapie nach der so genannten Spiraldynamik arbeiten. Dabei handelt es sich um ein funktionell-anatomisches Konzept, das von mir mitbegründet wurde. In unserem Zentrum sind 26 Mitarbeiter beschäftigt, unter ihnen 5 Ärzte, ein Dutzend Physiotherapeuten, hinzu kommen Sportwissenschaftler, Bewegungspädagogen, Frontund Backoffice.
ARS MEDICI: Was hat Sie eigentlich motiviert, der Gesundheitsförderung einen so zentralen Stellenwert zu geben? Gab es einen Auslöser dafür? Larsen: Nein. Ich bin von Anfang an der Überzeugung gewesen, dass eine Praxis nur gut funktionieren kann, wenn alle Mitarbeiter zufrieden und hoch motiviert ihrer Arbeit nachgehen. Nur so lassen sich optimale Ergebnisse für unsere Patienten erzielen, nur so kann man ständige Fluktuationen im Team verhindern.
ARS MEDICI: Es ist eine enorme Zahl von sehr unterschiedlichen Aktivitäten, welche die Jury bewogen hat, Ihnen den Preis zuzusprechen. Nennen Sie uns ein paar Beispiele?
ARS MEDICI: Die Gesundheit und das Gesundheitsbewusstsein der Mitarbeiter spielen bei Ihnen eine grosse Rolle. Worin zeigt sich das? Larsen: Natürlich ist die eigene Gesundheitskompetenz wichtig, will man glaubwürdig mit seinen Patienten arbeiten. Wir bieten unseren Mitarbeitern Fortbildungen zu aktuellen Gesundheitsthemen an und machen ihnen Trainingsangebote wie Stretching, Walking und Entspannung. Jeder hat zudem direkten Zugang zum Arzt, kann sich beraten lassen, wenn es gewünscht wird. Diese Massnahmen fördern das Wohlbefinden und das Arbeitsklima. Wer möchte, kann bei uns spezielle Kompetenzen erwerben, zum Beispiel pädagogische Kompetenzen zur Durchführung von Tageskursen, publizistische Fähigkeiten zur Mitarbeit bei Publikationen oder Fach- und Methodenkompetenz in Sachen Ergodynamik – unserem beliebtesten Angebot für Firmen mit der Haltungs- und Bewegungsberatung am Arbeitsplatz.
ARS MEDICI: Wie finanzieren Sie Ihre Aktivitäten zur Gesundheitsförderung? Larsen: Natürlich ist Gesundheitsförderung im eigenen Betrieb nicht umsonst zu haben. Aber am Ende muss es sich rechnen. Und das tut es auch. Wenn wir beispielsweise einer Sekretärin vor Ort – an ihrem Arbeitsplatz – beibringen, was sie selbst tun kann, um ihre chronischen Nacken-SchulterVerspannungen zu lösen, dann verdienen wir bei diesem
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INTERVIEW
ARS MEDICI: Glauben Sie, dass bei den Kollegen dieses Bewusstsein schon weit verbreitet ist? Larsen: Mein Eindruck ist: ja, das Bewusstsein ist oft vorhanden. Aber wie weit sich dies dann konkret im Praxisalltag niederschlägt, kann ich nicht beurteilen. Ich denke jedenfalls, dass man es sich heute – speziell als Arzt – nicht mehr leisten kann, diesen Bereich auszuklammern. Für den wirtschaftlichen Erfolg sind die Motivation und die soziale Kompetenz der Mitarbeiter «an der Front» entscheidend. Und wenn Sie gute Mitarbeiter gewinnen und behalten wollen, müssen Sie etwas bieten. Wertschätzung und Arbeitsklima sind dabei ganz entscheidend. Wären alle Arztpraxen der Schweiz kleine Oasen gelebter Gesundheitsförderung, wäre es positiver um das Image der Ärzteschaft bestellt.
Zur Person Dr. med. Christian Larsen ist ärztlicher Leiter des Spiraldynamik Med Center in Zürich, Bestsellerautor und Mitbegründer der Spiraldynamik — eines anatomisch-
funktionellen Bewegungs- und Therapiekonzepts.
«Coaching on the job» auch angemessen. Auf solche Einkünfte sind wir angewiesen. Gesundheitsförderung ist für uns kein Hobby, sondern ein Engagement, das wir vorleben und das Teil unseres strategischen Kompetenzbereichs ist. Im klassischen Therapiebereich zahlt die Krankenkasse gemäss Schweizerischem Physiotherapie-Tarif nur 20 Minuten. Wir behandeln jedoch im Stundenrhythmus. Die Differenz müssen Patienten über Zusatzversicherung decken oder aus eigener Tasche berappen. Ungefähr 40 Prozent der Therapie-Einnahmen kommen so direkt von unseren Patienten. Da muss das Preis-Leistungs-Verhältnis natürlich stimmen, sonst bleiben die Patienten weg. Die Positionierung im SelbstzahlerSegment zwingt uns dazu, Schritte zu tun, die ihrer Zeit manchmal etwas voraus sein mögen.
ARS MEDICI: Nun ist Ihr Zentrum sicher nicht mit einer Einzelpraxis zu vergleichen, wo dem Arzt vielleicht nur eine oder zwei Praxisassistentinnen zur Seite stehen. Glauben Sie, dass auch eine kleine Praxis betriebliche Gesundheitsförderung mit Erfolg umsetzen kann? Larsen: Ganz sicher. Das beginnt damit, dass der Arzt bereit ist, mit gutem Beispiel voranzugehen, dass er etwas für seine eigene körperliche und seelische Gesundheit tut. Wenn er daran dann seine Mitarbeiter teilhaben lässt, schweisst das alle zusammen. Kohärenz heisst die magische Formel für gute Zusammenarbeit. Gesundheit und Teamgeist zu fördern ist immer sinnvoll, unabhängig von der Grösse der Praxis.
ARS MEDICI: Wo findet ein Arzt Informationen und Unterstützung, wenn er Ihrem Beispiel nacheifern möchte? Larsen: Es gibt unterschiedliche Institutionen, die professionelle Beratung anbieten, etwa die SUVA oder das Beratungszentrum für betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) in Zürich. Es gibt ausserdem den Schweizerischen Verband für betriebliche Gesundheitsförderung (www.svbgf). Professionelle Berater kosten allerdings eine Menge Geld. Eine alternative Möglichkeit besteht darin, das Heft selbst in die Hand zu nehmen. Es hilft bereits, wenn man sich zusammen mit seinen Mitarbeitern an einen Tisch setzt und sich Gedanken darüber macht, wo es in der Praxis klemmt, wo Probleme auftauchen und welche Lösungsansätze sich anbieten. Man kann auch erprobte Massnahmenkataloge zur Hand nehmen und sie auf die eigene Situation übertragen. Nach der Analyse des Ist-Zustandes braucht es eine Strategie, wie man vorgehen will. Wenn man das Ziel nicht kennt, ist kein Weg der Richtige – besagt das geflügelte Wort. Zum Beispiel: Wir wollen in 5 Jahren erreichen, dass wir gerne arbeiten, dass wir uns wohl und leistungsfähig fühlen, innovativ sind und sich all dies auf unsere Patienten überträgt. Nach der Strategie kommt die Umsetzung, die konkreten Einzelmassnahmen und deren kontinuierliche Kontrolle und Verbesserungen. So arbeitet man dann im Wochen-, Monats- oder Jahresrhythmus an den kleinen und grossen Aufgaben gelebter Gesundheitsförderung im ärztlichen Betrieb.
ARS MEDICI: Wo findet man denn einen guten Massnahmenkatalog? Larsen: Ich nenne beispielhaft die Stiftung EQUAM, die unabhängige Qualitätssicherung in der ambulanten ärztlichen Versorgung fördert. Auf der Website (www.equam.ch) findet man unter den EQUAM-Standards eine Art Checkliste, an der man sich gut orientieren kann.
ARS MEDICI: Herr Larsen, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Das Interview führte Uwe Beise
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