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Kidcheck-Studie gibt Entwarnung
Schwere Schultheks
Regelmässig zum Schulbeginn wird in den Laienmedien, aber auch von Krankenkassen und Ärzteorganisationen vor zu schweren Schultaschen gewarnt. Der gepackte Schulthek dürfe nicht schwerer als 10 Prozent des Körpergewichts sein, heisst es, um irreparable Haltungsschäden bei den Schülern zu vermeiden. Erhebliche Zweifel an dieser Annahme hat jetzt eine Studie des Kidcheck-Teams der Universität des Saarlandes gebracht. Die Wissenschaftler untersuchten die Ein- und Auswirkungen schwerer Schultheks bei 60 Mädchen und Jungen der zweiten und dritten Klasse. «Im Durchschnitt hatte jeder Ranzen ein Gewicht, das bei 17,2 Prozent des Körpergewichts der Kinder lag», erklärt Dr. Oliver Ludwig, der wissenschaftliche Leiter des Kidcheck. Die Haltungsanalysen ergaben, dass Kinder ihren Körper mit voller Schultasche nach vorn verlagern. «Das ist die natürliche Reaktion darauf, dass sich durch den Ranzen der Körperschwerpunkt etwas nach hinten verschiebt», meint Ludwig. Die Verlagerung kostete die Kinder jedoch kaum Energie. Eine Messung der Muskelaktivität des Rumpfes ergab, dass nur eine geringfügige Muskelanspannung erfolgte. Anschliessend mussten die Kinder mit ihren Schultaschen auf dem Rücken einen anspruchsvollen Hindernisparcours bewältigen, bei dem sie 15 Minuten lang ununterbrochen in Bewegung waren. Trotz des simulierten anstrengenden Schulwegs war die Körperhaltung nicht schlechter als vorher. Eine nennenswerte Aktivität von Bauch- und unterer Rückenmuskulatur wurde überhaupt erst messbar, wenn das Ranzengewicht ein Drittel des Körpergewichts ausmachte. Erst bei dieser Last änderte die Wirbelsäule ihre Position und die Ruhehaltung wurde instabil. Allerdings spannten sich jetzt auch die Muskeln deutlich an, um den Körper zu stabilisieren. Dadurch wurde die Wirbelsäule entlastet. «Selbst ein schwererer Ranzen wird eine gesunde kindliche Wirbelsäule nicht schä-
digen. Dazu wirkt das Gewicht viel zu kurz auf den Rücken ein», erläutert Professor Dr. Eduard Schmitt, der ärztliche Leiter des Kidcheck in einer Pressemitteilung der Universität. Der Orthopäde betont, ein kurzfristig getragener schwererer Schulthek könne sogar die Rumpfmuskulatur bewegungsarmer Kinder trainieren. Da fast 50 Prozent aller Kinder so schwache Bauchund Rückenmuskeln haben, dass sie sich nicht dauerhaft gerade halten können – wie weitere Kidcheck-Studien gezeigt haben –, muss jedes Training zur Kräftigung willkommen sein. Schwache Rumpfmuskeln können die Wirbelsäule nicht im gewünschten Mass fixieren. Diese schwingt daher beim Gehen und Laufen stark hin und her und wird ungünstig belastet. Doch ein schwererer Ranzen führte selbst bei den muskelschwächeren und molligeren Kin-
der zu keinen signifikanten Ermüdungserscheinungen der Rumpfmuskulatur. «Selbst bei schlaffer Muskulatur wirkt ein Ranzen zu kurz auf den Rücken ein, um die passiven Strukturen wie Wirbelbogengelenke, Bänder und Bandscheiben schädigen zu können», meint Studienleiter Ludwig. ■
U.B.
JAMA-Studie: Schützt Sport vor Alzheimer?
Regelmässiger Sport ist nicht nur gut für Herz- und Kreislauf, er trägt auch dazu bei, den kogni-
tiven Abbau im Alter zu bremsen. Jedenfalls ein klein wenig. Das hat eine soeben im «JAMA»
erschienene Studie von Nicola Lautenschlager und Kollegen gezeigt (JAMA 2008; 300 [9]:
1027—1037).
An der Untersuchung hatten 138 Probanden mit einem erhöhten Alzheimer-Risiko teilgenom-
men. Sie litten unter Gedächtnisproblemen, wiesen aber noch keine (Alzheimer-)Demenz auf.
Eine Hälfte der Teilnehmer wurde aufgefordert, zunächst ein halbes Jahr lang dreimal
50 Minuten pro Woche leichten Sport zu treiben. Die meisten gingen spazieren — viele von ihnen
behielten diese Aktivität auch nach den vorgegebenen sechs Monaten bei. Ein positiver Effekt
auf die kognitiven Funktionen zeigte sich bereits nach einem halben Jahr, nach 18 Monaten
schnitten die Aktiven auf der ADAS–cog-Skala (Alzheimer Disease Assessment Scale cognitive
subscale) schliesslich um durchschnittlich 0,73 Punkte besser ab als die Vergleichsprobanden.
Der Alzheimer-Test umfasst 70 Punkte, weshalb die Ausbeute zwar statistisch signifikant, aber
klinisch nicht überwältigend sein dürfte. Die Autoren weisen jedoch darauf hin, dass der Nutzen
vermutlich nicht geringer ist als der von Acetylcholinesterasehemmern. Alzheimer-Medika-
mente, so die Autoren, wirkten bei Menschen mit nachlassenden kognitiven Leistungen und bei
solchen mit leichter Alzheimer-Krankheit auch kaum merkbar. Der amerikanische Kommentator
Eric B. Larsen stimmt dem zu: «Nebenwirkungen sind leichter festzustellen als die Wirksamkeit,
und Nebenwirkungen sind unter Acetylcholinesterasehemmern häufig, bei körperlichem Trai-
ning jedoch selten.» Allerdings gibt Larsen zu bedenken, dass viele Hochbetagte, die bekanntlich
das höchste Alzheimer-Risiko tragen, Schwierigkeiten haben dürften, sich körperlich zu trainie-
ren, vor allem aufgrund der oft bestehenden Arthrose. In der Studie waren Patienten über
50 Jahre untersucht worden, jedoch keine Hochbetagten.
U.B. ■
780 ARS MEDICI 18 ■ 2008