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Mammakarzinom-Screening
Sonografie — eine sinnvolle Ergänzung zur Mammografie?
Das Mammografie-Screening lässt sich optimieren, wenn zusätzlich eine Ultraschalluntersuchung der Brust vorgenommen wird. Das hat eine amerikanische Arbeitsgruppe unter der Leitung von Wendie A. Berg ermittelt. Die Radiologen hatten 2637 Frauen mit erhöhtem Brustkrebsrisiko untersucht, etwa die Hälfte von ihnen hatte bereits eine Bustkrebstherapie hinter sich. Bei 40 Frauen wurde ein Mammakarzinom entdeckt, 12 Tumore waren nur in der Mammografie zu erkennen, 12 nur im Ultraschall, 8 in beiden Verfahren und 8 wurden, wie Folgeuntersuchungen zeigten, nicht erkannt. Die Daten zeigen also, dass der Einsatz des Ultraschalls die Aufklärungsrate um gut 50 Prozent erhöht – oder in anderen Zahlen ausgedrückt: Mit der Mammografie allein wurde im Durchschnitt bei 7,6 von 1000 Frauen ein Brustkrebs entdeckt, mit zusätzlichem Ultraschall stieg die Zahl der positiven Befunde auf 11,8 bei 1000 Frauen. Die Ergebnisse, die vergangene Woche im «JAMA» (2008;
299 [18]: 2151–2163) publiziert wurden, kommen nicht ganz überraschend. Dass die beiden Diagnoseverfahren sich gut ergänzen würden, war zu erwarten. Gerade in den Brustarealen mit hoher Gewebsdichte, wo die Mammografie Schwächen aufweist, hat der Ultraschall seine Stärken. Dennoch wird das Sonografie-Screening der Brust nirgends routinemässig praktiziert. Die Gründe hierfür liegen offen zutage: hohe Kosten, häufige falschpositve Befunde und fehlende randomisierte Studien mit Mortalität als Endpunkt. Die aktuelle Studie bestätigt nun, dass der positive Vorhersagewert des Ultraschall-Screenings sehr gering ist: Unter den 233 Frauen, bei denen eine Biopsie wegen verdächtiger Befunde vorgenommen wurde, hatten gerade einmal 20, also weniger als 10 Prozent, tatsächlich ein Mammakarzinom. Bei der weit überwiegenden Mehrheit handelte es sich also um gutartige Befunde. Der positive Vorhersagewert für die Mammografie lag übrigens auch nur bei 14,7 Prozent.
Durch die Doppeluntersuchung erhöht sich
die Zahl falschpositiver Diagnosen um weit
mehr als das Doppelte. Diese erheblichen
Nachteile stehen der Anzahl Tumoren ge-
genüber, die nur anhand des Ultraschalls
zu erkennen sind. Dass diese Abwägung
auch unter Experten zu unterschiedlichen
Ergebnissen führen wird, ist absehbar. Die
Kritiker werden einwenden, dass man allzu
viele Frauen in unbegründete Angst ver-
setzen würde. Allerdings, so schreibt die
Bonner Radiologin Christiane Kuhl in
einem begleitenden Editorial (JAMA 2008;
299 [18]: 2203), leiden Frauen darunter
weniger als zu vermuten wäre. Diejenigen,
die an einem Screening teilnehmen, kalku-
lieren offenbar ein, dass sie womöglich zu
einer Nachuntersuchung kommen müss-
ten. Das Bewusstsein, dass nur die Hälfte
der Tumoren mit der Mammografie ent-
deckt würde, mache den Frauen viel mehr
zu schaffen, schreibt Kuhl.
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U.B.
Neue Medikamente gegen rheumatoide Arthritis
«The Lancet» versteht NICE nicht mehr
Die Fachzeitschrift «The Lancet» hat die Strategien und Empfehlungen des britischen National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE) immer unterstützt. Nun zeigt sich das führende Blatt von der Institution enttäuscht, da diese das neue Medikament Abatacept (Orencia®) gegen ansonst therapierefraktäre Formen von rheumatoider Arthritis nicht ins kostenerstattungsberechtigte Arsenal aufgenommen hat. Dies ganz im Gegensatz zu Rituximab (MabThera®), das letztes Jahr in dieser Indikation den NICE-Segen erhalten hat. Beide Medikamente wirken, wenn auch auf unterschiedlichen Wegen, gegen die zerstörerischen Entzündungsvorgänge, wobei Abatacept die T-Zellen, Rituximab das CD20-Antigen auf reifen B-Zellen und Prä-B-Zellen zum Ziel hat. Beide Medika-
mente sind in der Schweiz mit Limitatio bei rheumatoider Arthritis zugelassen. «The Lancet» vermutet hinter dem Entscheid reine Kostenüberlegungen, denn Rituximab ist billiger. Da für beide Präparate keine guten Langzeitdaten und schon gar keine Direktvergleiche vorlägen, habe NICE zur Guillotine der Kostenschwelle von 30 000 Pfund pro qualitäts-adjustiertes Lebensjahr (Qaly) gegriffen. Mit einem inkrementellen Kosteneffektivitätsverhältnis von 37 000 bis 43 000 Pfund lag Abatacept darüber, Rituximab (12 000 bis 30 000 Pfund) hingegen darunter. Nach den Erkenntnissen der letzten Dekaden und dem heutigen Behandlungsgrundsatz der möglichst frühen und aggressiven Therapie ist jede Erweiterung der Behandlungsmöglichkeiten gegen dieses schwer behindernde Lei-
den willkommen. Dies insbesondere, da
ein substanzieller Anteil der Patienten (bis
zu 30%) mit den heutigen nicht biolo-
gischen, krankheitsmodifizerenden Sub-
stanzen (DMARD) und Tumor-Nekrose-
Faktor-alpha-Hemmern nicht adäquat kon-
trolliert werden könne, wie das Editorial im
«The Lancet» mahnend festhält (Vol. 371,
May 3 2008, 1477). Zwar könne sich NICE
darauf berufen, seinen eigenen Kosten-
effektivitätsgesetzen gefolgt zu sein, müsse
sich aber daran erinnern lassen, den Geist
dieser Gesetze vergessen zu haben. Und
der bestehe darin, die Kosteneffektivitäts-
evidenz eben auch mit Mitgefühl und un-
parteiischer Wissenschaftlichkeit zu inter-
pretieren.
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H.B.
452 ARS MEDICI 11 ■ 2008