Transkript
INTERVIEW
Interview mit Prof. Dr. Veronika Butterweck
Frau Prof. Butterweck, welche Aufgaben haben Sie am Institut für Pharma Technology an der Hochschule für Life Sciences in Muttenz? Veronika Butterweck: Die Hochschule für Life Sciences (HLS) an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) ist in vier Institute gegliedert. Eines davon ist das Institut für Pharma Technology. Unsere Aktivitäten sind auf die pharmazeutische Arzneimittelforschung ausgerichtet. Dabei bieten wir unseren Partnern unter an-
derem Kompetenzen in der Entwicklung von Formulierungen und in der Qualitätsevaluation von Arzneiformen, in der Optimierung und Steuerung von Herstellprozessen sowie im Qualitätsmanagement. Meine Hauptaufgabe ist die experimentelle pharmakologische Forschung, das heisst, ich bin für den Aufbau und die Etablierung von pharmakologischen Testmodellen verantwortlich. Mein Forschungsschwerpunkt, die pharmakologische Testung von Phytopharmaka oder isolierten Einzelstoffen, ist ein The-
Prof. Dr. Veronika Butterweck
2012 –
Professorin für Pharmakologie und Pharmakokinetik, Fachhochschule Nordwestschweiz, Hochschule für Life Sciences, Institut für Pharma Technology, Muttenz/ Basel, Schweiz
2009–2011
Associate Professor of Pharmaceutics College of Pharmacy, Department of Pharmaceutics University of Florida, Gainesville, USA
2003–2009 Assistant Professor of Pharmaceutics College of Pharmacy, Department of Pharmaceutics University of Florida, Gainesville, USA
1997–2003
Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Pharmakologie und Toxikologie, Universitätsklinikum Westfälische Wilhelms-Universität Münster
2003
Erhalt der Venia Legendi für das Fach «Pharmakologie» Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät Westfälische Wilhelms-Universität Münster
1997 Promotion zum Doktor der Naturwissenschaften Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät Westfälische Wilhelms-Universität Münster
1994
Approbation zur Apothekerin
menbereich, der neu am Institut für Pharma Technology ist. Das heisst aber nicht, dass dieses Gebiet nun völlig exotisch an der HLS ist, im Gegenteil, einige Kollegen aus der Analytik oder Verfahrenstechnik beschäftigen sich ebenfalls sehr intensiv mit Phytopharmaka, indem zum Beispiel Analysensysteme für qualitative und quantitative Bestimmungen von Einzelsubstanzen aus Extraktgemischen etabliert oder neue Extraktionstechniken entwickelt werden. Von daher ergeben sich exzellente Synergien mit anderen Kompetenzteams an der HLS; meine pharmakologisch ausgerichtete Forschung rundet daher unser gesamtes Profil ergänzend ab.
Kann das Institut für Pharma Technology den grossen Basler Pharmafirmen allenfalls Impulse geben, damit sich diese vermehrt mit Phytotherapie beschäftigen? Butterweck: Wir an der HLS arbeiten sehr praxisorientiert und wollen so vor allem Qualitäts-, Zeit- und Kostenziele für unsere Partner aus der Pharmaindustrie erreichen, dazu gehören natürlich auch «die grossen» Basler Firmen. Da wir sehr breit aufgestellt sind – Verfahrenstechnik, Analytik, Pharmakologie –, sind wir durchaus in der Lage, neue Impulse für Pharmafirmen zu geben, da wir sozusagen von der Pflanze bis zum fertigen Endprodukt auf allen Ebenen praxisrelevante Forschung anbieten können.
Welches sind Ihre persönlichen Schwerpunkte in der Phytotherapie? Butterweck: Mein Forschungsschwerpunkt liegt in der Konzeption und Entwicklung neuer Medikamente auf Naturstoffbasis. Wesentliches Ziel meiner Untersuchungen ist es, durch eine Kombination von pharmakologischen, biochemischen, molekularbiologischen sowie in-vivo-verhaltensbiologischen Methoden einen möglichst umfassenden Einblick in die Wirkungsme-
thema534
PHYTOTHERAPIE
3/2012
chanismen verschiedener Phytopharmaka zu erlangen. Der primäre Fokus liegt auf der Pharmakokinetik von Naturstoffen, auf deren Bioverfügbarkeit, der Identifizierung von aktiven Metaboliten sowie deren pharmakodynamischen Aktivitäten. Das Ziel der Forschung ist es, Wirkungs- und Wirkstoffprofile von Naturstoffen als Grundlage zur Identifizierung neuer Wirkstofftargets zu erstellen. Pharmakokinetische Fragestellungen spielen hier eine ausserordentlich wichtige Rolle, da nur durch die Berücksichtigung der Pharmakokinetik eine Korrelation zwischen in vitro/in vivo pharmakodynamischer Aktivitäten erstellt werden kann. Diese Korrelation ist für die Arzneimittelentwicklung von entscheidender Bedeutung.
Sie weilten vorher einige Jahre an der University of Florida in Gainesville. Im angelsächsischen Raum nehmen pflanzliche Arzneimittel die Stellung von Dietary Supplements ein. Konnten Sie in Gainesville Ihre Sicht der Phytotherapie einbringen? Butterweck: In den USA sind die sogenannten Dietary Supplements oder Botanicals sehr beliebt. Man kann sie überall käuflich erwerben, in Supermärkten, an Tankstellen
oder ganz einfach im Internet bestellen – es gibt sie reichlich, nur sind nicht alle uneingeschränkt zu empfehlen. Durch meine Lehrtätigkeit in Gainesville habe ich versucht, den angehenden Pharmazeuten beizubringen, wie die schwarzen Schafe unter den Phytopharmaka zu identifizieren sind. Meine Vorlesung «Herbal Medicines» in Gainesville war ein Pflichtkurs im pharmazeutischen Curriculum, die ich genutzt habe, um den Studenten Aspekte wie Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit von pflanzlichen Arzneimitteln zu vermitteln. Das ist nicht nur bei den jungen Kollegen sehr gut angekommen, sondern ich war auch im Bereich Fort- und Weiterbildung zu Phytopharmaka für Apotheker in Florida engagiert. In den USA gibt es aber auf dem Gebiet «rationale Phytopharmaka» noch sehr viel Nachholbedarf, insbesondere wenn es um den Begriff der «Rationalität» geht.
Frau Professor Butterweck, wir wünschen Ihnen für Ihre Tätigkeit an der Fachhochschule Nordwestschweiz und für Ihr Engagement in der Schweizer Phytotherapie viel Erfolg!
Interviewfragen: Dr. C. Bachmann
Die Redaktion ARS MEDICI thema Phytotherapie begrüsst Prof. Dr. Veronika Butterweck ganz herzlich in der Schweiz und wünscht ihr für ihre Tätigkeit im Institut für Pharma Technology an der Hochschule für Life Sciences alles Gute!
Mit ihrer hohen Kompetenz in Phytotherapie, erworben durch jahrelange Tätigkeiten an Universitäten in Deutschland und den USA, bedeutet Frau Prof. Butterweck für die Schweizer Phytotherapie eine grosse Bereicherung. Neben dem Institut für Pharmazeutische Biologie der Universität Basel, dem Institut für Naturheilkunde am Universitätsspital Zürich, der Fachstelle Phytopharmazie der ZHAW in Wädenswil und den Vorlesungen in Phytotherapie für Studierende der Pharmazie an der ETH ist nun
auch das Hochschulinstitut für Pharma Technology in Muttenz ein Schwerpunkt in der Deutschschweiz für die Forschung und Lehre in Phytotherapie, wo kompetente Fachleute sich für die Phytotherapie engagieren. Das bringt der Schweizer Phytotherapie Impulse aus einem neuen Bereich, die auch darauf abzielen, evidenzbasierten pflanzlichen Arzneimitteln den ihnen gebührenden Platz in der bestehenden Medizin zu gewähren.