Transkript
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Rosenbergstrasse 115
So wie Nessie aus den Tiefen des Loch Ness, erscheint in regelmässigen Abständen das Thema Impfen beziehungsweise Impfverweigerung in den Spalten der Presse und in den Talkshows des Fernsehens. Im «Zyschtigs-Club» prallten denn auch wieder einmal die Rationalisten auf die Irrationalisten. Eine Konstellation, die wie immer endet: in völliger Übereinstimmungslosigkeit. Ist ja auch schwierig, sich ernsthaft zu unterhalten mit Leuten, die wie folgt argumentieren: «Ich bin überzeugt, dass Kinderkrankheiten einen höheren Sinn haben», oder «Kinder haben das Recht, krank zu sein.» Wie immer gehts nur um die Masern; bei Diphtherie, Tetanus oder Röteln endet die Ideologie meistens, weil offenbar sogar den militantesten Impfmuffeln klar ist, was die irrwitzige Konsequenz wäre: «Kinder haben das Recht, an einer Infektion zu sterben.» Beziehungsweise: «Feten haben das Recht, missgebildet zur Welt zu kommen.» Beda Stadler, der unermüdliche Lästerer wider jegliche Form unlogischen Denkens, konnte nicht mehr an sich halten im «Zyschtigs Club»: «So en Chabis».
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Folter ist in den USA weiterhin erlaubt, dem amerikanischen Präsidenten sei Dank. Die Mitglieder des Repräsentantenhauses brachten dummerweise keine Zweidrittelmehrheit zustande, um das Veto von G.W. Bush gegen ein Folterverbot aufzuheben. Mit Gott im Rücken und gefalteten Händen ist frommen Herrschern eben alles erlaubt. Bush begründet sein Eintreten für Folter im Namen des Staates damit, dem Land drohe weiterhin Gefahr. In der Tat. Mindestens bis im Herbst dieses Jahres.
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Man sollte es nicht glauben, aber es ist so: Jemanden halbwegs anständig zu Tode zu bringen, ist gar nicht so einfach. Was ein Beitrag über die «Wissenschaft des Tötens»
bestätigt. Die Geschichte der Todesstrafe beziehungsweise der Technik ihres Vollzugs macht jedem Horrorfilm Ehre. Abgerissene Köpfe beim Hängen, weil die Fallhöhe um einen halben Meter zu lang war (jüngster bekannt gewordener Fall: Saddam Husseins Bruder). Verschmorte Gesichter, weil der Henker den Naturschwamm auf dem Kopf des elektrogestuhlten Opfers gegen einen billigeren, aber leider weniger gut leitenden Kunststoffschwamm aus dem Drugstore ausgetauscht hatte. Minutenlang schmerzstrotzende Augen, weil der Pflege-Henker sich die Mühe gespart hatte, einen Venenkatheter zu legen und stattdessen mit der Kanüle die Vene durchstochen und den Giftcocktail paravasal appliziert hatte. Leider verlaufen auch andere noch immer moderne Methoden wie Vergasen (dumm, wenn der Todeskandidat sich weigert, in kurzer Zeit ausreichende Mengen des (Reizgases einzuatmen), Erschiessen oder Köpfen nicht immer komplikationslos. Ganz zu schweigen von archaischen, nur noch heimlich angewandten Techniken wie Erwürgen, Ersticken, Erstechen, Ausbluten, Genickbrechen, Verbrennen, Ertränken, Erschlagen und so weiter.
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Mit dem Problem des Zutodebringens kämpft auch Dignitas, die Sterbehilfeorganisation. Erschwerend kommt bei ihren Kunden hinzu, dass das Töten lediglich aus einer Hilfe zum Selbsttöten bestehen darf. Zwar ist die Methode Natriumpentobarbital einigermassen ästhetisch, leider aber mit der Notwendigkeit eines ärztlichen Rezepts verbunden. Helium hingegen ist rezeptfrei erhältlich. Vor vielen Jahren gabs das lustige Gas für Kinder im Schuhladen oder an der Chilbi in Form von bunten Luftballons. Hätten wir damals geahnt, dass es auch dazu benutzt werden kann, Menschen vom Leben zum Tod zu befördern, hätten wir den fröhlich gen Himmel torkelnden Ballons vielleicht etwas nachdenklicher hinterhergeblickt.
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«Gefickt eingeschädelt», hätte man vor zehn Jahren vielleicht gesagt. Der Mafioso Salvatore hat sich bis auf ein Körpergewicht von 210 kg hochgefressen und hat nun in keinem Gefängnis mehr Platz. Was bleibt also weiter übrig, als ihn zu entlassen. Wenn auch mit Hausarrest. Immerhin besteht zurzeit kaum Gefahr, dass Salvatore auf der Vespa oder mit dem Ferrari demnächst auf Mordtour geht oder fährt.
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Und das meint der Preisüberwacher zur Kompensation der niedrigen Taxpunktwerte in der Ostschweiz und der Zentralschweiz durch das Recht auf Selbstdispensation: «Was das Einnahmepotenzial der Medikamentenabgabe betrifft, so stimmt es zwar, dass ein psychologischer Link zum Tarmed-Taxpunktwert besteht. Viel mehr als psychologisch scheint diese Beziehung aber kaum zu sein.» Aufgepasst, liebe Kollegen und Kolleginnen mit Selbstdispensation: Sie verdienen wegen der niedrigeren Taxpunktwerte für die gleichen Leistungen zwar 20 Prozent weniger als Ihre Kollegen beispielsweise in der Romandie – aber politisch gesehen ist das ein rein psychologischer Unterschied. Kapiert? Genau wie die Lohnunterschiede zwischen Männlein und Weiblein in der Wirtschaft. Kein Grund für Gleichstellungsmassnahmen. Alles nur psychologisch.
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Den Tarmed haben wir nicht verhindern können. Zu vertrauensselig waren die Kolleginnen und Kollegen. Nun denn. Kennen Sie DINAMO? Noch nicht? Sie werden davon hören. Garantiert.
Richard Altorfer
ARS MEDICI 7 ■ 2008 269