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«Abwesenheit von Voreingenommenheit, unterstützt durch Anwesenheit von Geld»
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In Zürich soll ein Institut für Stammzellenforschung als Gemeinschaftsprojekt von Industrie und Universitäten
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BERICHT
«Abwesenheit von Voreingenommenheit, unterstützt durch Anwesenheit von Geld»
In Zürich soll ein Institut für Stammzellenforschung als Gemeinschaftsprojekt von Industrie und Universitäten entstehen

Kürzlich sah Zürich die internationale Elite der Stammzellfor-

ration zurück die Physik und die Atombombe viele politische Diskussionen.

scher für ein zweitägiges Symposium versammelt. Anlass war

Heute hat die Stammzellforschung, insbesondere die Forschung mit embryo-

die geplante Gründung eines Forschungsinstituts, das sich der

nalen Stammzellen, diesen exponierten Platz eingenommen. Mit der Stammzel-

Basisforschung und Entwicklung marktfähiger Produkte im

lentherapie verbinden sich Hoffnungen auf Heilung für ein weites Spektrum von

Bereich der Stammzelltechnologie widmen will. Das Projekt

Krankheiten, auf die Stärkung regenerativer Prozesse und auf eine Verlang-

betrifft nicht nur einen besonders hoffnungsträchtigen Techno- samung der Alterungsprozesse einer-
seits, andererseits wurde die Stammzel-

logiezweig, sondern auch ein geplantes Zusammengehen von

lendiskussion vor allem in den USA im Rahmen regelrechter Überzeugungsfeld-

öffentlicher Hand und Privatwirtschaft als Zeichen eines ge-

züge in die hitzige Abtreibungsdebatte hineingezogen. «Demgegenüber hat die

wandelten gegenseitigen Verständnisses.

öffentliche Diskussion in Europa und besonders auch in der Schweiz deutlich

rationalere Züge», so Klietmann.

Dr. Wolfgang Klietmann, als Pathologe greift hinein in die Medizin, hat recht-

Dozent an der Harvard Medical School in liche, technische und ethische Aspekte. Alte ethische Verpflichtungen,

Boston, Vorsteher einer internationalen Um die Stammzellen werden sich auch neue Strukturen

medizinisch-technischen Beratungsfirma Gesundheitswesen und Politik kümmern Dass medizinische Anwendungen der

und designierter Verwaltungsratspräsi- müssen, und ihre Erforschung und Nutz- Stammzelltechnologie sich an der ethi-

dent des geplanten Institute for Stem Cell barmachung muss eine Brücke schaffen schen Messlatte des hippokratischen

Biology (ISCB), gab in seiner Begrüs- zwischen Universitäten und Industrie.

Eids messen lassen müssen, ist eigent-

sungsrede noch keine Details preis, fand

aber warme Worte für die vorgesehene Zusammenarbeit zwischen akademischen

«Früher beherrschte die Atombombe

Institutionen und einem kommerziellen Unternehmen, der VivoCell Biosolutions

viele politische Diskussionen.

AG, die sich zur Gründung des gemein-
samen Forschungsinstituts an die Uni- Heute hat die Forschung mit embryonalen Stammzellen

versität Zürich und die Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) Zürich

diesen exponierten Platz eingenommen.»

gewandt hat.

Für Klietmann stehen die Stammzellen

im Zentrum der Erforschung der Ge- Die Stammzelltechnologie entwickelt lich klar. Diese Verantwortlichkeit dürfte

heimnisse des Lebens. Allerdings steht sich im Streitfeld von Ethik, Religion und erleichtert und gestützt werden, wenn

die Stammzellforschung in einem äus- oftmals fehlgeleiteter Politik, wie Kliet- sich das ISCB in den Gefilden von Uni-

serst komplexen Netz von Einflüssen mann mit Blick auf die USA meinte. In versität und ETH bewegt.

und Wirkfeldern, sie verbindet biologi- Amerika – und man kann sagen auch Diese beabsichtigte interdisziplinäre Kol-

sche Wissenschaften mit der Technik, hierzulande – beherrschten eine Gene- laboration soll auch der Isolation der auf

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Foto: Mediapolis, St. Gallen

«ABWESENHEIT VON VOREINGENOMMENHEIT, UNTERSTÜTZT DURCH ANWESENHEIT VON GELD»

Thomas Zeltner, Direktor BAG
diesem Gebiet Forschenden und der einem gedeihlichen Informationsfluss hinderlichen Subspezialisierung entgegenwirken. Dieser angestrebte Dialog wird aber die bisherige Landschaft verändern und neue Strukturen schaffen müssen, Wolfgang Klietmann erinnerte hier an den österreichischen Ökonomen Peter Schumpeter: «Keine Innovation ohne Destruktion». Auch ein weiteres der von Klietmann eingestreuten Zitate,
Was Forschende in Atem hält
Beispiele von Vortragsthemen am Symposium «Stem Cells: from Bench to Bedside»:
■ Verbesserungen bei der Nabelschnurblut-Transplantation
■ Hämatopoetische Stammzellen und ihre Nische
■ Thalassämie und andere Hämoglobinopathien als Behandlungsziel
■ Phase-I-Studie mit Mesangioblasten bei Duchenne-Muskeldystrophie
■ Multipotente Stammzellen aus erwachsener Haut
■ Fettgewebe-abgeleitete Stammzellen und ihre klinischen Ziele
■ Leukämische Stammzellen als Therapieangriffspunkt bei chronischer myeloischer Leukämie
■ Pluripotente humane embryonale Stammzellen: von der Kultur zur klinischen Anwendung

es stammt von Henry James, hat unverändert Aktualität: «… for what was science but the absence of prejudice backed by the presence of money?» (etwa: «Was ist Wissenschaft anderes als die Abwesenheit von Voreingenommenheit, gestützt durch die Anwesenheit von Geld?»).
Stammzelltechnologie soll allen nützen In seiner Grussadresse begrüsste Professor Thomas Zeltner, Direktor des Bundesamts für Gesundheit, das geplante Institut als Plattform für Entwicklungen, die diskutiert werden müssen. Aus Sicht der Gesundheitsversorgung sollte die Entwicklung von Stammzelltherapien ihren Fokus auf weitverbreitete Krankheiten (z.B. Diabetes, Krebs, Alzheimer, Parkinson) richten, für die es weder eine gute Therapie noch ausreichende Prävention gibt, und nicht auf «LifestyleErkrankungen». Zeltner nannte einige Bedingungen, die die Stammzelltechnologie aus Sicht der öffentlichen Gesundheit zu erfüllen hat. ■ So erinnerte er daran, dass auch für
neuartige Therapien der Grundsatz des primum nil nocere gilt, dass allfällige langfristige Risiken (z.B. Malignome, Teratome) sorgfältig erfasst werden müssen. ■ Das Potenzial der Stammzelltechnologie wird auch weiterhin im Spannungsfeld zwischen realen Risiken und Risikowahrnehmung stehen, wie wir es schon von Bereichen wie Gentechnologie, ionisierende Strahlen und Nanotechnologie her kennen. ■ Auch das Prinzip der gleichen Chancen sollte gewahrt bleiben, die Fortschritte sollten also auf nationaler Ebene eine Wirkung entfalten und für breite Bevölkerungsschichten relevant und allen Patienten zugänglich sein. ■ Zu den wichtigen Diskussionspunkten gehört auch die internationale Ebene, der Austausch mit Entwicklungs- und Schwellenländern, die Konzentration von Behandlungszentren auf die reichen Länder und der Behandlungstourismus bei den neuen, spezialisierten Therapien.

■ Ethische Überlegungen haben in der bisherigen Diskussion breiten Raum eingenommen, etwa die Instrumentalisierung von Embryonen oder die Gewinnung von Zellmaterial von Spendern, die nicht in der Lage sind, ihre Zustimmung auszudrücken. Wer darf eigentlich Profit schlagen aus «freiem» menschlichem Material?
Die Schweiz wird im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms Nr. 63 über fünf Jahre 10 Millionen Franken bereitstellen. Dessen Forschungsschwerpunkte umfassen: ■ Stammzellen und Organentwicklung ■ Definition des «Stammzell-Seins»
(Stemness), der Zellplastizität und von Stammzell-Nischen ■ Vergleich und funktionale Analyse normaler und abnormer Stammzellen ■ Rechtliche, ethische und soziale Forschung zu Stammzellen und regenerativer Medizin. Zurzeit ist dieses Programm noch im Aufbau, mit der öffentlichen Ausschreibung ist für diesen Herbst zu rechnen.
Stammzelllinien sind günstiger geworden Einen Einblick in die rechtlichen Grundlagen der Stammzellforschung in den Vereinigten Staaten gab der Biologe Christopher T. Scott vom Stanford Center for Biomedical Ethics in Kalifornien. Nach dem Eingreifen von Präsident George W. Bush im August 2001, der die Behinderung der Stammzellforschung zu seiner Herzensangelegenheit gemacht hatte, verlagerte sich die Finanzierung der Forschung weitgehend hin zur privaten Hand. Ausserdem haben die einzelnen Bundesstaaten ganz unterschiedliche Regelungen erlassen, am kuriosesten wohl diejenigen des Staates Michigan, der die Forschung an menschlichen Embryonen aus Michigan mit Gefängnis oder Busse bestraft, nach dem Wortlaut aber nicht diejenige an Embryonen anderer Herkunft. Ebenfalls als höchst kurios, aber durchaus real beschrieb Scott die Einhaltung von Forschungsrichtlinien im bekannten Wake Forest Institute of Regenerative Medicine in Winston-Salem, North Carolina: Dort sah er ein gestreiftes Plastikband quer durchs Stammzelllabor

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BERICHT

Fotos: Mediapolis, St. Gallen

Das Panel – David T. Scadden (Harvard, Boston), Francis A. Waldvogel (em. Präsident ETH-Rat), Sven Bradke (Mediapolis, St. Gallen, Moderator), Wolfgang Klietmann (Harvard, Boston), Herbert Zech (Institut für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie, Bregenz)

verlaufen, wie es die Polizei zur Abschrankung von Unfalls- oder Verbrechensorten benutzt – es trennte öffentlich und privat finanzierte Forschung, die unterschiedlichen Einschränkungen unterliegen ... Breiten Raum nahmen in den vergangenen Jahren auch die Patentstreitigkeiten ein. Dessen ungeachtet ist die Zahl der Stammzellenlinien und der Forschungszentren weltweit gestiegen (und die Gebühr für eine in den USA patentierte Zelllinie für Forschungszwecke von 5000 auf 500 Dollar gefallen). Als «Probleme von gestern» bezeichnete Scott die Diskussionen um den moralischen Status des Embryos (die «Mord»Debatte), die Patentstreite und präsidizalen Einschränkungen in den USA und die Aufregung um menschlich-tierische Chimären. Für die Zukunft sah er hingegen als Problempunkte Störungen der Beziehungen zwischen den USA und dem Rest der Welt, internationale Patentklagen bei embryonalen und adulten Stammzellen, die Unterschiede der Forschungsentwicklung auf diesem Gebiet zwischen den Ländern, den medizinischen Tourismus sowie die Pros und Kontras von Stammzellbanken und die Bewilligung und Durchführung von Phase-I-Studien.
Warum gerade ein Institut für Stammzellbiologie in Zürich? In der Paneldiskussion gaben die Teilnehmer auf diese Frage des Moderators Dr. Sven Bradke (Mediapolis AG, St. Gal-

len) unterschiedliche Antworten. Für den Promotor Professor Klietmann war es ausschlaggebend, dass das bestehende Unternehmen VivoCell, das auch eine Nabelschnurblutbank betreibt, in der Schweiz eine geeignete Basis für die Forscher und für die Umsetzung von Forschungsergebnissen in die medizinische Anwendung sieht. Insbesondere verspricht man sich von der deutschsprachi-

lung zu privat finanzierter Forschung habe sich gründlich geändert. Dies sei auch nötig, denn staatliches Forschungsgeld kann heute höchstens die «Glasur auf der Torte» sein, die Hauptlast tragen private Initiativen. Eine eingehende Planung werde es allerdings brauchen, denn für die Forschung und für die angestrebten therapeutischen Anwendungen sind sehr grosse Zellbanken notwendig,

«Wir werden biologisches Gold fördern.»

gen Schweiz aus auch eine Ausstrahlung nach Österreich und der Bundesrepublik, zudem verfügt Zürich schon über viele Biotechnologiefirmen. Universitätsprofessor Herbert Zech vom Institut für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie, Bregenz, nannte als Motivation, dass er sich von dem geplanten Stammzell-Institut «Zellen der besten Qualität» für die Therapie verspreche. Von den beiden anvisierten und angekündigten akademischen Partnern, der Universität Zürich und der ETH, hatten sich beim Panel keine Vertreter eingefunden. Professor Francis Waldvogel, emeritierter Präsident des ETH-Rats, erinnerte daran, dass die Schweiz den Einstieg in die Biotechnologie zunächst verschlafen hatte, meinte aber, dass die ETH sowohl in Zürich als auch in Lausanne inzwischen mächtig aufgeholt habe. Inzwischen herrsche auch an den Universitäten von Basel, Genf und Zürich ein gutes Forschungsklima, und die Einstel-

von denen in der kleinen Schweiz nur

eine Platz haben werde.

Professor David T. Scadden vom Harvard

Stem Cell Institute bei Boston hielt eine

Vielzahl von Stammzellforschungsein-

richtungen grundsätzlich für wün-

schenswert: «Die Interaktion mit dem

kommerziellen Sektor ist sehr positiv,

und wir stehen da erst am Anfang.»

Diese Entwicklung ist zwar gut und rich-

tig, aber nicht einfach, da die Differen-

zen zwischen akademischer und Unter-

nehmenskultur erst einmal überbrückt

werden müssen. Allerdings winken dann

Synergien. Diese möchte das geplante

Institut nutzen. Seine zurzeit noch vir-

tuelle Existenz soll laut Professor Zech an

einem weiteren Symposium im Novem-

ber in eine tatsächliche übergeführt wer-

den. «Denn wir werden biologisches Gold

fördern», wie es Professor Klietmann

ausdrückte.

Halid Bas

Interessenkonflikte: keine

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