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Xundheit in Bärn
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Rubriken — Politforum
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13471
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POLIT-FORUM

Krebs durch Atomkraftwerke?

Das Thema wurde gleich von vier Parlamentariern aufgegriffen. Zum einen von Rudolf Rechsteiner, Nationalrat SP, BS. Er reichte am 20.12.2007 eine Motion ein:
Das Risiko für Kinder an Leukämie zu erkranken ist im Umkreis von fünf Kilometern eines Atomkraftwerks erhöht. Das ist das Ergebnis einer Fallkontrollstudie des Deutschen Kinderkrebsregisters in Mainz, die im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) durchgeführt wurde. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam bereits Peter J. Baker (Meta-analysis of standardized incidence and mortality rates of childhood leukaemia in proximity to nuclear facilities, in: European Journal of Cancer Care, 2007, 16, 355–363). Bei ihm heisst es:

«The meta-analysis was able to show an increase in childhood leukaemia near nuclear facilities.» Der Bundesrat wird beauftragt:
1. Eine Fallkontrollstudie betreffend Leukämie bei Kindern im Umfeld von Atomkraftwerken von unabhängigen Experten durchführen zu lassen. Die Einzugsgebiete sind so festzulegen, dass statistisch aussagekräftige Analysen möglich sind.
2. Auch die Krebsrate von Erwachsenen im Umfeld von Atomkraftwerken ist mit Fallkontrollstudien und auf Basis von kantonalen Krebsregistern oder Befragungen von Ärzten zu analysieren.
3. Ein weiteres Studienprogramm soll der Fragestellung nachgehen, inwiefern sich die radiologische Wirkung von Atomanlagen von der natürlichen Strahlung unterscheidet, welche die erhöhte Häufigkeit von Krebs in der Umgebung von Atomkraftwerken erklären könnte.

Bastien Girod, Nationalrat Grüne, ZH, begnügte sich mit einem Postulat, das er am 19.12.2007 unter dem Titel «Studie zu Kinderkrebs und AKW für die Schweiz» einreichte:
Der Bundesrat wird beauftragt eine Studie durchzuführen, die das Vorkommen von Kinderkrebsfällen in der Nähe von AKW untersucht.
Begründung:
Während die gesundheitlichen Schäden für Menschen bei einem AKW-Unfall und bei Austritt von grösseren Mengen radioaktiver Strahlung unbestritten sind, wird der normale Betrieb eines AKW als ungefährlich für die Gesundheit erachtet. Dementsprechend wohnen auch Familien mit Kindern in der Nähe von AKW. Eine im «European Journal of Cancer» erschienene Studie (Fussnote 1) zeigt, dass ein erhöhtes Risiko für Krebs bei Kindern unter fünf Jahren besteht, wenn diese innerhalb eines Umkreises von fünf Kilometer um ein AKW wohnen. Dieses Ergebnis nährt die Befürchtung, dass der stetige Austritt von kleinsten Mengen an Radioaktivität bei AKW im Normalbetrieb ein Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung darstellt. In der Schweiz werden die Krebsfälle nur in einzelnen Kantonen systematisch erhoben (kantonale Krebsregister). Die Kinderkrebsfälle

werden hingegen flächendeckend erhoben. Diese Daten sind jedoch noch nicht ausgewertet. Nachdem in Deutschland ein statistischer Zusammenhang zwischen Kinderkrebs und AKW im Normalbetrieb festgestellt wurde, ist auch in der Schweiz eine Studie dringend notwendig, welche diese Daten genauer analysiert und so das Risiko für die Schweizer Bevölkerung untersucht. Die Kosten für eine solche Studie belaufen sich gemäss Dr. Claudia Kühni des Berner Universitätsinstituts für Sozial- und Präventivmedizin auf 0,3 bis 1 Million Franken (Fussnote 2). In Anbetracht der aktuellen Debatte über die Schweizer Stromversorgung ist eine Studie über diese nicht erforschten Risiken von AKW im Normalbetrieb unumgänglich. Die Resultate einer solchen Studie würden wichtige zusätzliche Informationen zur Beurteilung des weiteren Betriebs bisheriger AKW sowie des möglichen Baus neuer AKW liefern. Die Axpo hat sich gemäss Sprecher Rainer Meier bereit erklärt, sich an den Kosten einer solchen Studie finanziell zu beteiligen (Fussnote 2). Um die Objektivität der Studie zu garantieren, ist die Studie jedoch unter Leitung des BAG durchzuführen.
1. Umweltforschungsplan des Bundesumweltministeriums (2007), Vorhaben StSch 4334: Epidemiologische Studie zu Kinderkrebs in der Umgebung von Kernkraftwerken (KiKK-Studie), P. Kaatsch, C. Spix, S. SchmiedeI, R. Schulze-Rath, A. Mergenthaler und M. Blettner, im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und des Bundesamtes für Strahlenschutz.
2. Sonntagsblick 16. Dezember 2007.

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Auch Eric Nussbaumer, Nationalrat SP, BL, möchte mit einer Motion, eingereicht am 19.12.2007, den Bundesrat zum Handeln aufrufen. Titel: Krebs durch Atomkraftwerke. Überprüfung der Methodik und der Grenzwerte.
Der Bundesrat wird beauftragt, die Strahlenschutzvorschriften für Atomanlagen so zu verschärfen, dass zusätzliche Krebserkrankungen von Kindern und Erwachsenen in der Umgebung von Atomkraftwerken ausgeschlossen werden können.

Aus der Begründung:
Die Wissenschaft hat für das signifikant gehäufte Auftreten von Kinderkrebs in der Umgebung von Atomkraftwerken bis heute keine Erklärungen. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass der herkömmliche Strahlenschutz von falschen Hypothesen betreffend die Wirkung künstlicher Radioaktivität ausgeht. Gemäss dem Vorsorgeprinzip im Umweltschutz sind schädliche Auswirkungen von Anlagen auch dann zu bekämpfen, wenn man den Ursache-Wirkungs-Zusammenhang noch nicht in allen Details kennt. Im Unterschied zu den Auswirkungen im Mobilfunk sind die Schäden von Atomkraftwerken signifikant nachgewiesen.

Und schliesslich nimmt auch Roger Nordmann, Nationalrat SP, VD, das Thema auf, diesmal unter dem Aspekt der Haftung: Krebs durch Atomkraftwerke. Haftung. Die am 19.12.2007 eingereichte Motion verlangt:
Das Risiko an Krebs zu erkranken nimmt zu, je näher der Wohnort bei einem Atomkraftwerk liegt. Das ist das Ergebnis einer deutschen Untersuchung des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS). Der Bundesrat wird beauftragt: 1. Die haftungsrechtlichen Grundlagen zu schaffen, damit die Verursacher von signifikant auftretenden Krankheiten den Betroffenen und ihren Angehörigen sowie den Krankenversicherungen finanziell Entschädigung und Genugtuung für das erlittene Leid und die entstandenen Kosten leisten. Solche Haftungspflichten bei signifikanten Krankheitsbildern sind im Ausland (z.B. Japan) bereits gesetzlich eingeführt. 2. Das Instrument der Sammelklage in der Schweiz einzuführen, damit bei statistisch signifikanten Schädigungen der Gesund-

heit ein rationelles und gerechtes Verfahren für die Betroffenen gewährleistet werden kann.
Begründung:
Das gehäufte Auftreten von Krebs in der Umgebung von Atomkraftwerken ruft nach einer Anpassung der Haftungsbestimmungen, denn die fehlende Haftung der Atomindustrie kommt einer Subvention gleich und benachteiligt die ungefährlichen erneuerbaren Energien. ln Japan wurde die Beweislastumkehr schon vor vielen Jahren eingeführt. Ein Betroffener muss dort nicht mehr im Einzelfall beweisen, dass sein Schaden, etwa eine Krankheit, von einem bestimmten Umweltverschmutzer verursacht worden ist, sondern es genügt ein statistischer Nachweis eines Zusammenhangs zwischen Emission und Schaden. Kann ein Verursacher den statistischen Nachweis experimentell nicht widerlegen, ist er für den Schaden haftbar. Bezahlen muss er selbst dann, wenn ein Zusammenhang nicht mit 100 Prozent, sondern nur mit 95 Prozent Sicherheit schlüssig feststeht.

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