Transkript
STUDIE
Primärprävention koronarer Ereignisse mit Statinen
Langzeitergebnisse der West of Scotland Coronary Prevention Study
Eine Langzeituntersuchung im Anschluss an die West of Scotland Coronary Prevention Study ergab, dass eine fünfjährige Behandlung mit Pravastatin bei Männern mit Hypercholesterinämie ohne Herzinfarkt in der Anamnese mit einer signifikanten Reduzierung koronarer Ereignisse über einen Folgezeitraum von zehn Jahren verbunden war.
NEJM
In der West of Scotland Coronary Prevention Study wurden bei Männern mit Hypercholesterinämie ohne vorherigen Herzinfarkt die Auswirkungen einer Lipidsenkung mit Pravastatin (Selipran® und Generika) im Vergleich zu Plazebo über einen durchschnittlichen Zeitraum von fünf Jahren untersucht. Am Ende des fünfjährigen Untersuchungszeitraums hatte sich das kombinierte Outcome Tod durch koronare Herzerkrankung oder nicht tödlicher Myokardinfarkt von 7,9 Prozent unter Plazebo auf 5,5 Prozent in der Pravastatingruppe (p<0,001) reduziert. Nach Beendigung der Studie wurde eine Langzeitbeobachtung durchgeführt, um den Nutzen der cholesterinsenkenden Therapie über weitere fünf Jahre zu dokumentieren und die langfristige Wirksamkeit und Sicherheit zehn Jahre nach Studienende anhand der klinischen Ergebnisse zu untersuchen.
Das Studiendesign In der West of Scotland Coronary Prevention Study erhielten 6595 Männer ohne Herzinfarkt in der Anamnese randomisiert einmal täglich 40 mg Pravastatin oder Plazebo. Um den Einschlusskriterien der Studie zu entsprechen, mussten die Studienteilnehmer zwei LDL-Cholesterin-Messungen (LDL=low density lipoprotein) mit Werten von 155 mg/dl (4,0 mmol/l) oder höher, mit mindestens einem Wert von 174 mg/dl (4,5 mmol/l) oder höher und mindestens einem Wert von 232 mg/dl (6,0 mmol/l) oder niedriger aufweisen. Als primärer Endpunkt wurde das kombinierte Outcome von Tod durch koronare Herzerkrankung oder ein nicht tödlicher Myokardinfarkt definiert. Der durchschnittliche Untersuchungszeitraum betrug 4,9 (3,5 bis 6,1) Jahre. Nach Abschluss der Studie wurden Pravastatin und Plazebo abgesetzt und die Patienten wieder der Obhut ihres Hausarztes überstellt. Zu dieser Zeit wurden Statine in der allgemeinen Hausarztpraxis hauptsächlich zur Sekundärprävention angewendet, entsprechend den Ergebnissen der Scandinavian Simvastatin Survival Study und ähnlichen Untersuchungen. Grundsätze der Lipidsenkung zur Primärprävention existierten noch nicht. Entscheidungen des Hausarztes bezüglich einer Statintherapie basierten daher nicht auf speziellen Richtlinien oder einer etablierten Praxis. Im Folgezeitraum nach der Studie wurden die klinischen Ergebnisse der beiden ursprünglichen Studiengruppen ungeachtet der jeweils aktuellen lipidsenkenden Therapie untersucht. Todesfälle jeglicher Ursache, Krankenhauseinweisungen und Todesfälle aufgrund koronarer Ereignisse und infolge
Merksätze
■ Eine fünfjährige Primärprävention mit Pravastatin war bei Männern mit Hypercholesterinämie ohne vorherigen Herzinfarkt mit einer signifikanten Reduzierung koronarer Ereignisse über einen Folgezeitraum von zehn Jahren verbunden.
■ Pravastatin war im Langzeitverlauf nicht mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko für nicht kardiovaskuläre Ursachen verbunden.
■ Ein Zusammenhang zwischen Pravastatin und Krebsinzidenzen oder krebsbedingten Todesfällen wurde nicht festgestellt.
von Schlaganfällen sowie Krebsinzidenzen und krebsbedingte Todesfälle wurden unter Nutzung eines nationalen computergestützten Record-Linkage-Systems erfasst. Die Resultate wurden mit Zeit-Ereignis-Analysen und mithilfe von Cox-Proportional-Hazard-Modellen analysiert.
Weniger Koronarereignisse, kein Anstieg der Tumorrate Zu Beginn der Studie waren die Teilnehmer durchschnittlich 55 Jahre alt. Der Blutdruck lag median bei 135/85 mmHG, und der mittlere LDL-Cholesterin-Wert betrug 192 mg/dl (5 mmol/l). 44 Prozent der Teilnehmer waren zu diesem Zeitpunkt Raucher. Fünf Jahre nach Studienende wurden 38,7 Prozent der ursprünglichen Statingruppe und 35,2 Prozent der ursprünglichen Plazebogruppe mit Statinen behandelt. Zehn Jahre nach Beendigung der Studie betrug das Risiko für Tod durch koronare Herzerkrankung oder für einen Myokardinfarkt 10,3 Prozent in der Plazebogruppe und 8,6 Prozent in der Pravastatingruppe (p=0,02). Über den gesamten Follow-up-Zeitraum von etwa 15 Jahren betrug dieses Risiko 15,5 Prozent für die
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PRIMÄRPRÄVENTION KORONARER EREIGNISSE MIT STATINEN
Plazebogruppe und 11,8 Prozent für die Pravastatingruppe (p<0,001). Ähnliche prozentuale Reduzierungen wurden hinsichtlich der kombinierten Mortalitätsrate für koronare Herzerkrankungen und Krankenhauseinweisungen aufgrund koronarer Ereignisse für beide Zeiträume beobachtet. Über den gesamten Follow-up-Zeitraum sank sowohl die Mortalitätsrate aufgrund kardiovaskulärer Ursachen (p=0,01) als auch die Sterblichkeitsrate jeglicher Ursache (p=0,03). Die Gesamtsterblichkeit betrug 18,7 Prozent in der ursprünglichen Pravastatingruppe im Vergleich zu 20,5 Prozent in der Plazebogruppe. Die Risikoverminderung in der Pravastatingruppe belief sich auf 24 Prozent während der Studie (p = 0,04), auf 9 Prozent in der Zeit danach (p = 0,15) und auf 12 Prozent für den gesamten Zeitraum (p = 0,03). Die Anzahl der Todesfälle aufgrund nicht kardiovaskulärer Ursachen oder Krebserkrankungen war im gesamten Studienund Folgezeitraum in beiden Gruppen vergleichbar. Im Zusammenhang mit Pravastatin wurde über den gesamten Untersuchungszeitraum kein erhöhtes Krebsrisiko beobachtet. Auch im Hinblick der
Lokalisierungen von Krebserkrankungen konnten zu keinem Zeitpunkt Assoziationen mit Pravastatin festgestellt werden. Lediglich für Prostatakrebs wurde in der Pravastatingruppe ein Trend zu einer Risikoerhöhung sowohl während der Studie als auch im Zeitraum danach festgestellt, wobei ein absoluter Anstieg von 1,8 Prozent auf 2,7 Prozent (p = 0,03) beobachtet wurde. Dieses Ergebnis war jedoch nach Adjustierung für multiples Testen (BonferroniKorrektur) nicht mehr signifikant. Die Autoren kamen zu dem Ergebnis, dass sich die Verringerung des Risikos für grosse koronare Ereignisse auch etwa zehn Jahre nach Beendigung der Studie noch fortsetzte, was vermutlich auf die Stabilisierung der Plaque und eine Verlangsamung der koronaren Herzerkrankung zurückzuführen ist. Die Ergebnisse bezüglich der Mortalität aus nicht kardiovaskulären Gründen, der Krebsinzidenzen und der Krebssterblichkeit legen nahe, dass von Pravastatin keine Langzeitgefährdungen ausgehen. Prostatakrebs trat in der Pravastatingruppe zwar signifikant häufiger auf als unter Plazebo, die Autoren sind jedoch
der Meinung, dass dies eher auf Zufall als auf einen kausalen Zusammenhang zurückzuführen ist, da in grossen Metaanalysen mit 20 063 Patienten und anderen Untersuchungen zu Statinen keine erhöhte Inzidenz an Prostatakrebs beobachtet wurde. Diese Studien umfassen jedoch keine Langzeitdaten, sodass möglicherweise lange Latenzzeiten bei manchen Krebsarten nicht berücksichtigt werden.
Ford Ian, Murray Heather et al.: Long-Term Follow-up of the West of Scotland Coronary Prevention Study, NEJM, 2007, 357, 1477–1486.
Interessenkonflikte: Die ursprüngliche West of Scotland Coronary Prevention Study wurde von Bristol-Myers Squibb gesponsert. Die ersten fünf Jahre des Zeitraums nach der Studie wurden von Bristol-Myers Squibb und Sankyo finanziert. Dr. Ford erhält Forschungsgelder von AstraZeneca. Weitere Autoren erhalten Honorare von AstraZeneca, GlaxoSmithKline, Merck, Schering-Plough und Pfizer.
Petra Stölting
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