Transkript
STUDIE
Echinacea nützt
Der Sonnenhut erhält neue Evidenzwürden
Merksatz
■ In einer neuen Metaanalyse von 14 randomisierten Studien besitzt Echinacea einen Nutzen sowohl in der Verringerung der Häufigkeit als auch in der Verkürzung der Dauer von Erkältungskrankheiten.
Eine Metaanalyse hat erneut
den Wert von echinaceahalti-
gen Präparaten in Prävention
und Behandlung von Erkäl-
tungskrankheiten untersucht.
LANCET INFECTIOUS DISEASES
Echinacea (Sonnenhut) erfreut sich als Phytotherapeutikum grösster Beliebtheit und ist trotzdem immer wieder Gegenstand bitterer Kontroversen hinsichtlich des prophylaktischen und therapeutischen Nutzens gewesen. Streitigkeiten förderlich, aber für eine wissenschaftliche Diskussion ziemlich hinderlich ist die grosse Vielfalt an Zubereitungen aus unterschiedlichen Spezies und Pflanzenteilen (Blüte, Stängel, Wurzel) und der Umstand, dass echinaceahaltige Produkte in europäischen Ländern als Arzneimittel zugelassen sind, in den USA aber den zweifelhaften, unregulierten Status als «nutraceutical» (Nahrungsergänzung mit möglicher Heilwirkung) besitzen, der keine stringente Qualitätskontrolle kennt. Wegen ihres medizinischen Werts am häufigsten genannt werden Echinacea angustifolia, E. pallida und E. purpurea (z.B. Echinamed®, Echinaforce® Protect). Wie die postulierten immunstimulierenden Wirkungen zustande kommen, bleibt unklar. Einige Forschungsergebnisse deuten auf eine Aufwärtsregulation der Tumornekrosefaktor-alphamRNA, die durch agonistische Aktivität von in Echinacea vorkommenden Alkamiden am Cannabinoidrezeptor CB2 vermittelt wird.
Die deutsche Kommission E, die WHO und das kanadische Direktorat für Naturprodukte haben den Einsatz von Echinacea bei Erkältungskrankheiten («common cold») befürwortet. Bisherige Studien waren aber recht unterschiedlich verlaufen. Diese Metaanalyse wollte das Gewicht der publizierten Evidenz in dieser Frage erfassen.
Methodik Die Autoren suchten in den üblichen Datenbanken nach Literatur zum Stichwort Echinacea. Einschluss fanden randomisierte, plazebokontrollierte Studie mit ausreichender Dokumentation von Erkältungsinzidenz oder -dauer (primärer Endpunkt). Für die statistische Analyse behandelten die Autoren das Auftreten einer Erkältung als dichotome Variable und berechneten eine Odds Ratio, für die Erkrankungsdauer berechneten die Autoren die gewichtete mittlere Differenz (weighted mean difference, MWD). Besonderes Augenmerk richteten sie zudem auf begleitend eingenommene andere pflanzliche Produkte, die das Ergebnis verfälschen könnten.
Ergebnisse Von 73 zunächst einbezogenen Studien entfielen 50, da sie Echinacea nicht hinsichtlich Inzidenz und Dauer von Erkältungskrankheiten untersuchten. Weitere 8 Studien wurden eliminiert, da sie den primären Studienendpunkt nicht dokumentierten, 1 weitere wegen einer aktiven Kontrollgruppe. Somit blieben für die Metaanalyse 14 Studien mit insgesamt 1356 Teilnehmenden zur Inzidenz und 1630 Teilnehmenden zur Dauer der Erkältung.
Die in den berücksichtigten Studien eingesetzten Präparate waren durchaus unterschiedlich (7 mit E. purpurea, je 1 mit E. angustifolia und E. pallida, 4 mit Kombinationen verschiedener Echinaceaspezies, 1 ohne genaue Angabe). Fünf Studien betrafen Tropfen aus frischem Echinaceapresssaft und Alkohol 22% (z.B. Echinacin®). In 3 Studien war eine Rhinovirusinokulation durchgeführt worden, in 4 Studien nahmen die Teilnehmenden zusätzliche Supplemente wie Vitamin C, Propolis, Thymian, Pfefferminz, Zitronengras und Ähnliches ein. Die Metaanalyse ergab, dass Echinacea das Risiko, eine Erkältung zu bekommen, um 58 Prozent senkte (Odds Ratio [OR] 0,42, 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,25–0,71; p < 0,001). Die Number Needed to Treat (NNT) berechnet sich hierfür mit 6. Echinacea verkürzte auch die Dauer der Erkältung um 1,4 Tage (MWD -1,44, 95%-KI -0,25 bis -0,08; p=0,01). 66 ARS MEDICI 2 ■ 2008 ECHINACEA NÜTZT Sowohl für Inzidenz wie Dauer ergab sich eine signifikante Heterogenität, die berücksichtigten Studien stimmten jedoch allgemein im positiven Echinaceaeffekt überein, divergierten aber im Ausmass. Die substanziellen Reduktionen bei der Inzidenz von Erkältungskrankheiten hatten unabhängig von ergänzenden Supplementen Bestand. Bei der Erkrankungsdauer zeigte nur die Gruppe mit Echinacea plus Supplement einen signifikanten Effekt (p < 0,0001), bei alleiniger Echinaceaeinnahme bestand ein Trend (p=0,27). Die separate Analyse der fünf Studien mit Echinaceatropfen ergab eine vergleichbare Reduktion der Odds Ratio (p=0,0009). Diskussion Obwohl Konzentrationsabweichungen vorkommen, enthalten alle drei Echinaceaarten wasserlösliche Polysaccharide, eine lipophile Fraktion (Alkamide, Poly- acetylene), Caffeoylkonjugate (Echinacosid, Cichoriensäure, Kaffeesäure) und Flavonoide. Nach Ansicht der Autoren ist noch zu bestimmen, ob einer oder mehrere Wirkstoffe oder die Kombination verschiedener Wirkstoffe für die Immunstimulation verantwortlich sind, wobei man vor allem an die Alkamide, Cichoriensäure und Polysaccharide denkt. «Trotz all dieser Faktoren, die die Wirksamkeit von Echinacea beeinflussen und trotz der unterschiedlichen Dosierungen, die eingesetzt werden können, zeigen die Resultate unserer Metaanalyse, dass Echinacea die Inzidenz wie auch die Dauer von Erkältungen reduzieren kann.» Auch eine separate Auswertung von 5 Studien mit Echinacea-presssaft in Alkohol dokumentiert eine Verringerung der Erkältungshäufigkeit um 56 Prozent, wobei hier von einer geringen Variabilität des eingesetzten Produkts ausgegangen werden kann, wie die Autoren anmerken. 1 einzelne Erkältungsinzidenzstudie untersuchte Echinacea zusammen mit Vitamin C und Propolis, für die ebenfalls günstige Effekte auf das Immunsystem postuliert werden. Hier lag die Häufigkeitsreduktion bei 86 Prozent. Diese Analyse kann aber keine Aussage treffen, ob eine Kombination von Echinacea mit weiteren Prophylaktika bessere Ergebnisse bringt als Echinacea allein. 4 Studien zur Beeinflussung der Erkältungsdauer kombinierten Echinacea mit Supplementen (Vitamin C, Propolis, Zitronengrass, Minze, Pefferminze, Thymian, Zitronensäure, Rosmarin, Eukalyptus, Fenchelsamen) und ergab gegenüber Plazebo eine Verkürzung um 1,3 Tage. Echinacea allein hatte einen ähnlichen Nutzen, zeigte aber gegenüber Plazebo keine signifikante Verkürzung der Erkältungsdauer (p=0,27), diese Subgruppenanalyse war aber statistisch underpowered. In der Prophylaxe natürlicher Erkältungen reduzierte Echinacea die Inzidenz STUDIE um 65 Prozent, in den Studien mit künstlicher Infektion (Rhinovirusinokulation) lag sie jedoch bei nur 35 Prozent. Eine Erklärung für die Diskrepanz ist, dass die alltäglichen Erkältungen eben noch durch viele andere (über 200!) Viren verursacht werden können. Eine – vor allem, weil sie negativ verlief – viel zitierte Inokulationsstudie verglich E. angustifolia (900 mg/Tag) mit Plazebo und kam zum Schluss, dass Echinacea «keine klinisch signifikante Wirkung auf die Rhinovirusinfektion oder die daraus resultierende Krankheit hat». Die deutsche Kommission E hat E. purpurea (900 mg/Tag) zugelassen, nicht jedoch E. angustifolia, und die WHO hatte E. angustifolia in einer viel höheren Dosis (3 g/Tag) empfohlen. Eine frühere Metaanalyse anderer Autoren umfasste 16 Studien und ergab einen Nutzen für Echinacea hinsichtlich der Therapie, nicht aber der Vorbeugung von Erkältungen. Die Autoren der neuen Metaanalyse heben hervor, dass sie mit der älteren in Übereinstimmung sei, aber jetzt zusätzlich auch ein Nutzen in der Prävention herauszulesen sei. Im Gegensatz zu einer älteren (zur Therapie mit oberirdischen Echinaceapflanzenteilen vorsichtig optimistischen) CochraneMetaanalyse verzichteten sie auf eine Abklärung der Echinaceawirkung auf den Schweregrad der Erkältung, da sie hinsichtlich der heterogenen Methoden, die in derartigen Studien zur Anwendung kamen, Bedenken hegen. Die Autoren diskutieren auch Einschränkungen ihrer Metaanalyse. So benutzten 2 Studien Alfalfa und alkoholische Trinkpräparate als «Plazebo»-Arm, die ihrerseits immunstimulierende Eigenschaften besitzen könnten. Dies hätte aber zu einer Unterschätzung des Echinaceanutzens führen müssen. Obwohl die EggerStatistik (gewichtete Regression) keinen Publikationsbias ergibt, zeigt der Funnel-Plot eine Asymmetrie, die andeutet, dass die Möglichkeit eines solchen nicht auszuschliessen ist. Weiter konnten die Autoren eine Heterogenität in ihrer Metaanalyse nachweisen. Diese entstand aber durch unterschiedliche Studienergebnisse hinsichtlich des Ausmasses, nicht des Vorhandenseins eines Echinaceanutzens, was auch durch verschiedene Subgruppenanalysen gestützt wird. Die Autoren erwähnen abschliessend auch, dass die (bekannten, aber seltenen) Nebenwirkungen nicht Gegenstand der Analyse waren und weisen darauf hin, dass Echinacea ein Cytochrom-P-4503A4-Hemmer ist, womit auch Medikamenteninteraktionen möglich sind und besser erforscht werden müssten. ■ Sachin A. Shah et al.: Evaluation of echinacea for the prevention and treatment of common cold: meta-analysis. Lancet Infect Dis 2007; 7: 473–480. Interessenlage: Die Autoren deklarieren keine Interessenkonflikte zu haben. Halid Bas ECHO «VÖLLIG DANEBEN» Leserzuschrift zu «Kein Blocher mehr» in AM 25+26/07, S. 1222 Ihre Zeitschrift ARS MEDICI ist wirklich gut, man lernt sehr praxisorientiert. Hierzu sei Ihnen herzlich gratuliert. Sie dürfen ruhig auch Gesundheitspolitik betreiben. Dies gehört auch dazu. Was mich gestört hat, war der Artikel über alt Bundesrat Christoph Blocher, denn der Schreibende hat sich nicht identifiziert. Ein solcher Artikel steht dann einfach so da, ohne beantwortet zu werden. Dass man BR Blocher als quasi recht fürs 19. Jahrhundert charakterisiert hat, fand ich völlig daneben. Er setzt sich jedenfalls für die Schweiz ein – aber solche Bundesräte will man ja nicht, da sie «nicht kompatibel» sind. Ein hämischer Freudeschrei ging durch den Saal et cetera – ein regelrechter Kindergarten unserer hohen Magistraten! Ich finde, dass wir Ärzte uns aus derartigem Geplänkel raushalten und uns lieber auf die missachtete Hausarztmedizin und solche Themen kon- zentrieren sollten. ■ Dr. med. Roland Baumann SRO Spital Huttwil Unsere Rubrik «Arsenicum» – nomen est omen! – bringt satirische Beiträge, die – in vielen Medien durchaus üblich – in der Regel anonymisiert erscheinen. Ärger, Schmunzeln oder Aha-Erlebnisse sollen ja dem Inhalt gelten und nicht der Autorschaft. Wir zählen auf Ihr Verständnis. Redaktion ARS MEDICI 68 ARS MEDICI 2 ■ 2008