Transkript
MEDIEN ■ MODEN ■ MEDIZIN
Rosenbergstrasse 115
«Wir wollen hiermit den Geist der Notwendigkeit einer Einigung unterstreichen.» Die solch Satzähnliches absondert, ist Frau Merkel, Angela. Was will sie uns damit sagen? Unterstrichen also wird der Geist. Hm, na ja, den Versuch, einen Geist zu unterstreichen soll man niemandem verwehren. Welcher Geist? Der Geist der Notwendigkeit. Muss ein neuer Geist sein. Vielleicht gar eine Geisteshaltung. Was immer nun das auch wieder sein mag. Nun denn, auch wenn Frau Merkel nicht wirklich weiss, was sie sagt, es ist zu vermuten, dass sie zumindest davon ausgeht, dass wir ahnen, was sie meinen könnte oder noch besser: zu wissen meinen, was sie gesagt hat. Das wäre dann der optimale Effekt eines Satzes wie – und er sei hiermit der Verdeutlichung halber nochmals wiederholt – «Wir wollen hiermit den Geist der Notwendigkeit einer Einigung unterstreichen». Und damit willkommen im neuen Jahr, in dem sich vermutlich gar nichts ändert, sicher nichts am Blabla der PolitikerInnen.
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Es soll Japaner geben, die dermassen gestresst sind, dass sie zu Hause keinen Schlaf mehr finden. Für sie gibt es jetzt Hilfe. Die Schlaflosen bezahlen bis zu 40 US-Dollar für Konzertbesuche, deren Zweck in nichts anderem besteht, als die Konzertbesucher zum Schlafen zu bringen. Und so sieht man denn in diesen Konzertsälen Hunderte meist gut gekleidete Japanerinnen und Japaner selig und ohne schlechtes Gewissen (und teilweise wohl auch schnarchend) im Konzertstuhl schlafen.
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Sie kennen «second life»? Es ist die virtuelle Welt, in der alles abläuft wie in der realen Welt – manchmal auch derber –, mit dem Unterschied, dass Sie sich selber neu erfinden können. Wenn Sie beziehungsweise Ihr
Avatar (gemäss Wikipedia der grafische Stellvertreter einer Person im Internet) ein Latin Lover sein möchten, aber realiter nur 1,60 gross sind und eine Glatze haben – kein Problem: In Second Life sind Sie, was Sie schon immer (oder auch nie) sein wollten. Natürlich sind Sie in Second Life nicht der einzige mit diesem Anliegen, vielmehr wimmelt es darin von virtuellen Menschen, die realiter mit ihren Avataren genauso wenig zu tun haben wie Sie. Da sich inzwischen Zehntausende von Avataren in Second Life tummeln, finden Sie denn in dieser virtuellen Realität auch fast alles (und noch einiges mehr), was Sie auch aus der realen Welt kennen. Selbstverständlich kommunizieren und interagieren Sie beziehungsweise Ihr Avatar mit den übrigen Bewohnern von Second Life genau so (oder eben etwas anders) wie in der Realität. Neuerdings machen sich Universitäten Second Life zunutze. Sie generieren virtuelle Psychologen, die Avatare in Second Life interviewen und die Ergebnisse dann auswerten. Realiter. Die Cornell University beispielsweise befragt virtuelle Teilnehmer an virtuellen Kämpfen (ja, auch das gibt’s) in Second Life über ihre Gefühle und Erfahrungen im virtuellen Krieg. Die Medizin hat sich Second Life ebenfalls angenommen. Neuerdings lernen Medizinstudenten in virtuellen Städten mit virtuellen medizinischen Dienstleistungsunternehmen (Kliniken, die man zuerst erbauen und organisieren muss, die aber bald von kranken Avataren auf-
gesucht werden) das Handwerk des Klinikmanagements ebenso wie das der medizinischen Betreuung. Gut möglich also, dass neben der Praxisassistenz demnächst auch ein Lehrjahr in einem virtuellen Ambulatorium von Second Life zum obligatorischen Curriculum des Mediziners gehört.
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Weiteres Anwendungsbeispiel von Second Life: Reale Patienten mit Flugangst erleben in Second Life als Avatare alle Stufen eines Flugs, vom Besteigen des Flugzeugs über den Start bis zur Landung, betreut von virtuellen Flugbegleitern. Es soll nun untersucht werden, ob die Behandlung der Flugangst eines Avatars auch die Flugangst des hinter dem Avatar stehenden realen Menschen beheben kann.
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Es gibt übrigens bereits Teilnehmer in Second Life, die von den virtuellen Geschäften und Dienstleistungen, die sie in Second Life machen beziehungsweise anbieten, leben können. Und zwar in der realen Welt, weil Avatare durchaus bereit sind, für gewisse Dienstleistungen reales Geld zu bezahlen.
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Schokolade enthält Antioxidanzien und verringert dadurch das Herzinfarktrisiko, genauso wie Rotwein. Welch ein Glück! Wie gesund haben wir doch alle gelebt zwischen Weihnachten und Neujahr!
Richard Altorfer
ARS MEDICI 1 ■ 2008 5