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Hirn-MRI in der gesunden Allgemeinbevölkerung:
Zufallsbefunde sind erstaunlich häufig
Wer sucht, der findet – auch das was er nicht sucht. Mit der massiv gestiegenen Verbreitung der Magnetresonanztomografie (MRI) hat auch die Zahl der Zufallsbefunde zugenommen. Gewisse Anhaltspunkte hatten schon frühere Studien bei gesunden Freiwilligen gegeben. Eine retrospektive Untersuchung sah im Hirn-MRI beispielsweise bei 1,1 Prozent ernsthafte Befunde wie Hirntumoren. Forscher der Erasmus-Universität in Rotterdam konnten sich jetzt auf hochauflösende Hirnbilder von 2000 Personen zwischen 46 und 97 Jahren (Mittel 63,3 J.) stützen, die im Rahmen der bevölkerungsbasierten Rotterdam-Studie nach einem standardisierten Protokoll (ohne Kontrastverstärkung) bei einer grossen Stichprobe von Gesunden erstellt worden waren. Erfah-
rene Radiologen erfassten alle Hirnanomalien inklusive asymptomatische lakunäre und kortikale Hirninfarkte. Allein gestützt auf die Bildserien (histologische Bestätigungen erfolgten nicht) fanden Meike W. Vernooj und Mitautoren bei 145 Personen (7,2%) asymptomatische Hirninfarkte. Mit 1,6 Prozent waren ausserdem benigne Hirntumoren (Meningeome, Schwannome, Hypophysenadenome) nicht selten. Aneurysmen fanden die Radiologen in 1,8 Prozent, eine Kleinhirntonsillen-Ektopie (Chiari Typ I) in 0,9 Prozent. Nicht weiter erstaunlich nahm die Häufigkeit asymptomatischer Hirninfarkte (besonders ausgeprägt derjenigen im Marklager) und Meningeome mit dem Alter zu, die Inzidenz von Aneurysmen zeigte hingegen keine Altersabhängigkeit. Alle Träger
abweichender Hirn-MRI-Befunde hatten
keinerlei Symptome, mit Ausnahme von
zweien. Eine Person mit Vestibularis-
Schwannom war drei Jahre zuvor wegen
Hörverlusts mit einem Computertomo-
gramm ohne positiven Befund abgeklärt
worden und eine andere mit intravestibulä-
rem Lipom hatte auf derselben Seite seit
langem schlecht gehört ohne dies abklären
zu lassen. Interessant wären Studien, die
sich mit der klinischen Bedeutung solcher
Befunde longitudinal befassen.
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Meike W. Vernooj et al.: Incidental findings on brain MRI in the general population. NEJM 2007; 357: 1821–1828.
H.B.
JAMA-Studie zu falschpositiven Infarktdiagnosen:
Unnötiger Aufenthalt im Katheterlabor
Falschpositive Diagnosen sind beim Herzinfarkt offenbar gar nicht so selten wie bislang angenommen. Das liegt auch am Bestreben der Kardiologen, die Zeit bis zur Ballondilatation möglichst kurz zu halten. In einer kürzlich im «Journal of the American Medical Association» publizierten Studie (JAMA 2007; 298: 2754-2760) musste jede siebte bis elfte Herzkatheterbehandlung abgebrochen werden, weil der mutmassliche Infarktpatient keinen pathologischen Koronarbefund hatte. Die rasche Diagnose allein anhand einer EKG-Ableitung nach einer Herzattacke unter Verzicht auf eine EKG-
Verlaufsbeobachtung und auf biochemische Marker kann bedeuten, dass die interventionellen Kardiologen zuweilen gar keine stenosierte Koronararterie finden. In der JAMAStudie, die am Abbott Northwestern Hospital in Minneapolis durchgeführt wurde, war dies bei immerhin 187 von 1335 Patienten der Fall, die wegen Verdachts auf einen Infarkt mit ST-Streckenhebung (STEMI) herzkatheterisiert wurden. Bei 9,5 Prozent aller Patienten lag keine signifikante Koronarkrankheit vor, und 11,2 Prozent hatten negative Biomarker. Je nach zugrunde gelegtem Kriterium erwies sich letztlich jede siebte bis elfte Entschei-
dung zur Herzkatheterisierung als falsch.
Immerhin fast 5 Prozent der Patienten ohne
signifikante Koronarläsion wiesen positive
Biomarker auf. In diesen Fällen lagen dann
beispielsweise eine Myokarditis oder eine
Stresskardiomyopathie vor. Die Studien-
autoren halten die überflüssige Herz-
katheterisierung für ein ernst zu nehmendes
Problem, da «die Notfallkoronarangiografie»
nicht ohne Risiken ist. Der «kritische Ent-
scheidungsprozess» sei immer ein Balanceakt
zwischen falschem Alarm und vertaner kost-
barer Zeit bis zur Reperfusion. Frederick
Masoudi vom Denver Health Medical Center
in Colorado stimmt dem in einem begleiten-
den Editorial zu: Die Rate der unnötigen
Eingriffe könnte durch das Bemühen, die
«door-to-balloon»-Zeit zu verkürzen, schnell
steigen. Völlig ausschliessen liessen sich sol-
che «Fehldiagnosen» aber nicht.
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U.B.
4 ARS MEDICI 1 ■ 2008