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FORTBILDUNG
Neurologische Probleme in der Menopause
Östrogenwirkungen auf ZNS-Erkrankungen: Migräne, Schlaganfall und Demenz
Die vielfältigen Auswirkungen der Menopause, die Umstellung im Hormonhaushalt sowie eine Hormonersatztherapie betreffen auch neurologische Erkrankungen. Im Folgenden wird die Östrogenwirkung auf drei wichtige neurologische Erkrankungen erläutert.
hormonen, was konsekutiv zu ihrer eigenen Regulation führt. Studien zeigen, dass vor allem deutliche Schwankungen der Östrogenspiegel (Menstruation und Perimenopause) einen ausgeprägten Effekt auf das ZNS, die Neurotransmittersysteme und einzelne Neuropeptide haben (12, 13). Da die Veränderung der Östrogenspiegel nicht bei allen Frauen in gleichem Ausmass zu Veränderungen der einzelnen Neuronenaktivität oder Neurotransmitterkonzentrationen führt, ist die Annahme naheliegend, dass eine genetische Prädisposition dazu beiträgt, wie sensibel das komplexe System auf Veränderungen reagiert.
MIRA KATAN UND LUDWIG KAPPOS
Eine kurze Einführung darüber, wie gonadale Hormone auf das Zentralnervensystem (ZNS) wirken, hilft zu verstehen, wie diese Hormone neurologische Erkrankungen beeinflussen. Der Fokus dieses Artikels liegt auf der Östrogenwirkung, wobei in diesem Rahmen kein umfassender Überblick gegeben werden kann. Wenn in der Folge von Östrogenen gesprochen wird, sind damit alle Steroidhormone gemeint, die eine Östrogenwirkung haben. Östrogene sind wichtige neuronale Wachstumsfaktoren, sie haben Einfluss auf die Entwicklung, Plastizität, das Überleben und das Altern von Neuronen (1–3). Sie wirken als Radikalfänger (4) und beeinflussen den intrazerebralen Blutfluss über das Neuropeptid Y, über Stickoxid (NO) (5) und andere Peptide. Es sind auch Effekte auf das Immunsystem beschrieben (6). Östrogene scheinen ausserdem die neuronale Erregbarkeit zu beeinflussen (7, 8), wahrscheinlich primär über die Regulation von Ionenkanälen, insbesondere Kalziumkanälen. Sowohl Neurone als auch Gliazellen exprimieren Östrogenrezeptoren. Die Östrogenrezeptoren a und b finden sich besonders im Kortex, Hypothalamus und in der Hypophyse sowie im limbischen System. Östrogene wirken indirekt über den «klassischen Weg», indem sie innerhalb von Stunden im Zellkern die Transkription regulieren, und direkt innerhalb von Minuten (ohne genomische Aktion) über die Zellmembranrezeptoren (9, 10). Neben ihrer unmittelbaren Wirkung auf Nervenzellen haben Östrogene einen indirekten Einfluss auf das ZNS über verschiedene Neurotransmittersysteme (11) (Abbildung 1). Primär wirken Östrogene aber hypothalamisch über Feedbacksysteme auf die Ausschüttung von Releasing-
Menopause und Migräne Die Migräne ist eine benigne, episodisch auftretende Erkrankung. Der Kopfschmerz ist fast immer das Hauptsymptom: Er hält unbehandelt 4 bis 72 Stunden an, ist meist einseitig und von pulsierendem Charakter und wird oft von Nausea und/ oder Emesis, Phono- und/oder Fotophobie begleitet. Die Kopfschmerzen werden häufig durch Bewegung intensiviert. Zwischen den einzelnen Kopfschmerzattacken sind Migränepatientinnen vollkommen beschwerdefrei. Tägliche Kopfschmerzen sind also in der Regel keine Migräne, können aber durchaus zusammen mit einer Migräne auftreten. Die Diagnose der Migräne ist primär klinisch. Sie umfasst einen normalen neurologischen Status und eine Anamnese, welche die Kriterien der International Headache Society erfüllt (14).
Merksätze
■ Migräne: Eine hormonell getriggerte Migräne ist oft schwer zu behandeln. Die Therapie folgt den üblichen Empfehlungen. Kontinuierlich stabile Hormonspiegel sind bei Migräne prophylaktisch wirksam. Die transdermale Östrogenapplikation ist zu bevorzugen.
■ Schlaganfall: Die Hormonersatztherapie ist nicht zur Primär- oder Sekundärprävention von zerebrovaskulären Ereignissen indiziert. Das Schlaganfallrisiko ist unter HRT sogar leicht erhöht.
■ Demenz: Nach ersten vielversprechenden Resultaten hat sich inzwischen erwiesen, dass eine HRT insbesondere bei Frauen über 65 Jahre nicht zur Demenzprophylaxe geeignet ist.
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NEUROLOGISCHE PROBLEME IN DER MENOPAUSE
Acetylcholin (Aufmerksamkeit, Gedächtnis etc.)
Dopamin (Feinmototrik)
Serotonin (Stimmung)
Östrogen
Noradrenalin (Kognition)
selbst einen Einfluss auf den intrazerebralen Blutfluss hat. Im Weiteren scheinen die Östrogenspiegelveränderungen auch auf die Beta-Endorphine zu wirken und in diesem Kontext auf die Schmerzwahrnehmung. Nicht zuletzt provoziert der Östrogenabfall eine Prostaglandinausschüttung (Abbildung 2). Dass nicht alle Frauen gleich unter Migräne leiden, hat möglicherweise mit einer genetisch prädisponierenden Hyperreagibilität dieser Systeme zu tun. Frauen, die unter menstruationsassoziierter oder rein menstrueller Migräne litten, zeigen oftmals eine Exazerbation ihrer Migräne in der perimenopausalen Zeit. Die unregelmässige Menstruation wird zu einem noch stärkeren Trigger; je unregelmässiger die Blutungen kommen, umso schwerer wird es, eine Attacke vorauszusehen. Erschwerend kommen die weiteren menopausalen Symptome hinzu. Eine Erklärung der Exazerbationen liegt in der starken Fluktuation der Hormonspiegel in der perimenopausalen Zeit.
Allgemeine Therapie
Abbildung 1: Verschiedene Neurotransmittersysteme, die sich vor allem im Vorderhirn ausbreiten, werden durch zirkulierende Östrogene beeinflusst. Cholinerge Neuronen des basalen Vorderhirns regulieren die Aufmerksamkeit und andere Funktionen. Monoaminproduzierende Zellen des Mittelhirns und des Hirnstamms (Serotonin, Dopamin und Noradrenalin) regulieren Aufmerksamkeit, Stimmung, Gedächtnis, Grob- und Feinmotorik. (ONLINE by Bruce S. McEwen, Rockefeller University, New York)
Ziel des Kopfschmerzmanagements ist es, die Lebensqualität durch Verringerung der Frequenz und der Intensität/Dauer der Migräneattacken zu verbessern. Essenziell
ist das Führen eines Kopfschmerztagebuchs
Auftreten und Häufigkeit von Migräne
als Voraussetzung einer individuellen Therapie. Zur Behand-
Migräne ist als eine der primären Kopfschmerzformen und mit lung werden einerseits allgemeine Massnahmen wie Vermei-
einer Lebensprävalenz von zirka 15 Prozent sehr häufig. Dabei dung von Triggerfaktoren und ausreichende Flüssigkeitszufuhr,
betrifft sie beide Geschlechter, Frauen etwas häufiger (Verhält- andererseits Schmerzmittel, Antiemetika und spezifische Mi-
nis 3:2 bis 2:1). Epidemiologische Studien zeigen, dass vor der gränemittel verordnet. Bei schweren Attacken sind Triptane fast
Pubertät Jungen und Mädchen gleichermassen betroffen sind immer notwendig. Klare Kontraindikationen für Triptane sind:
(mit 6% in der Population der 7- bis 12-Jährigen) (12). Nach unzureichend/nicht behandelte Hypertonie, koronare, zere-
der Pubertät steigt die Prävalenz bei Frauen stärker an und er- brale und periphere Gefässerkrankung, schwere Leber- oder
reicht ihren Peak zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr. Bei Niereninsuffizenz. Eine prophylaktische Therapie ist erst bei
beiden Geschlechtern nimmt die Anzahl der Betroffenen nach mehr als drei Attacken monatlich indiziert, ferner bei seltene-
der fünften Lebensdekade wieder ab (12, 15).
ren, aber sehr schweren oder lang anhaltenden Attacken mit
Therapieresistenz, einer verlängerten Aura, bei gehäuften
Pathophysiologische Erklärungen
Auren und bei einem Status nach Migräneinfarkt.
Wie lässt sich erklären, dass Frauen häufiger unter Migräne lei- Die hormonell getriggerte Migräne ist aufgrund ihrer Dauer und
den und dass viele Frauen berichten, ihre Migräne sei oftmals Intensität besonders schwer zu therapieren. Die Behandlung
menstruationsassoziiert? Observationsstudien zeigten, dass das unterscheidet sich jedoch nicht grundsätzlich von einer ge-
Auftreten von Attacken zum Zeitpunkt des Östrogenabfalls im wöhnlichen Migräneattacke und erfolgt nach denselben Thera-
Zyklus am häufigsten ist. Die abrupte Veränderung des Östro- piegrundsätzen. Bei regelmässig wiederkehrender hormonell
genspiegels (Östrogen-Withdrawal-Hypothese) beeinflusst das getriggerter Migräne kann die prophylaktische Einnahme von
Neuropeptid Y, die atrialen Peptide und andere Hormone, wel- Antiemetika, Triptanen oder die Applikation eines transderma-
che an den Blutgefässen ihre Wirkung entfalten. Dies führt zur len Östradiolpräparats (16) versucht werden. Bei Patientinnen
Aktivierung des sogenannten trigeminovaskulären Systems, in der Perimenopause sollte (anders als bei den meisten jungen
welches in der Entstehung der Migräneattacke essenziell ist. Frauen) die Medikation den Komorbiditäten angepasst werden,
Parallel wirkt die abrupte Veränderung des Östrogenspiegels Vorsicht ist geboten bei langjährigem Analgetikaabusus, wel-
auch auf das serotonerge Neurotransmittersystem, welches cher selbst zu chronischen Kopfschmerzen führen kann.
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FORTBILDUNG
HRT zur primären und sekundären 1400 70 Prävention
1200
Östrogenabfall (= Trigger)
60
Die Hormonersatztherapie zur HirnschlagPrimärprävention wurde in verschiedenen
1000
ProstaglandinRelease
50
Studien untersucht, die wichtigsten sind die Women’s Health Initiative Study (WHI)
800 40 sowie die Nurses Health Study. Mehrere
E2 (pmol/l)
kleine Studien mit selektiven Östrogen-
600
30 Prog (nmol/l)
rezeptormodulatoren (SERM) kommen hin-
LH (ml U/ml)
zu, zudem wurden kürzlich die Daten der
400 20 Long-Term Intervention on Fractures with
200 10 Tibolone Study (LIFT) publiziert. Die WHI untersuchte 16 608 Frauen, die entweder
0
follikuläre Phase
luteale Phase
0
Modifiziert mit Erlaubnis von J. Puder 2008 Department of Endocrinology; CHUV
eine Kombinationstherapie aus CEE plus MPA oder eine Östrogentherapie allein erhalten hatten: Das Schlaganfallrisiko war
Abbildung 2: Migräneattacken treten meist zum Zeitpunkt des Östrogenabfalls im Zyklus auf.
um 40 Prozent erhöht (RR 1,41; 95%-KI 1,07–1,85). Die Auswertung der Daten der
Nurses Health Study mit über 120 000
Hormonersatztherapie (HRT)
Frauen kommt zum Ergebnis, dass Frauen mit reiner Östro-
Studien haben gezeigt, dass kontinuierlich stabile Hormon- gentherapie eine 1,4-fach erhöhte Schlaganfallrate haben. Bei
spiegel als prophylaktische Therapie der Migräne in der Peri- den Frauen mit der Kombinationstherapie ist die Rate um das
menopause gewertet werden können. Bei einer HRT ist des- 1,3-Fache erhöht, verglichen mit Frauen ohne HRT. Die Studien
halb die transdermale Östrogenverabreichung zu bevorzugen. mit SERM (MORE-Trial, STAR-Study, RUTH-Trial) zeigten un-
Zu hohe Östrogendosen (insbesondere bei noch relativ hoher terschiedliche Resultate (keine bis leichte Risikoerhöhung). In
Eigenproduktion) können aber ebenfalls Attacken provozie- der LIFT-Studie wurden 4538 Frauen untersucht, die Daten
ren, weshalb eine individuelle Dosis gefunden werden muss. zeigten erneut ein eindeutiges, aber gering erhöhtes Schlag-
Eine zusätzliche Progesterongabe ist zur Prävention von Endo- anfallrisiko.
metriumkarzinomen empfohlen (16). Falls die Hormonsub- Hinsichtlich einer Sekundärprävention gibt es Daten aus der
stitution nicht genügend wirksam ist, kann eine Standard- Heart and Estrogen/Progestin Replacement Study (HERS)
prophylaxe eingesetzt werden.
sowie vom Women’s Estrogen Stroke Trial (WEST). In der
HERS, welche 2763 Patientinnen einschloss (medianes Alter:
Menopause und Schlaganfall
67 Jahre), zeigte sich, dass die Kombinationstherapie CEE plus
Der Schlaganfall ist die dritthäufigste Todesursache und die MPA verglichen mit Plazebo zwar einen positiven Effekt auf
häufigste Ursache einer schweren Behinderung. Das mediane die Lipidkonstellation hatte, aber keinen protektiven Effekt
Alter des Erstereignisses liegt bei Männern bei 70, bei Frauen bezüglich Schlaganfall. Die WEST-Studie untersuchte Östra-
bei 75 Jahren. Das Verhältnis Männer zu Frauen im Alter von diol allein versus Plazebo bei 664 Frauen (medianes Alter:
55 bis 64 Jahren liegt bei 1,25, bei den 65- bis 74-Jährigen 71 Jahre), dabei zeigte sich, dass das Schlaganfallrisiko nach
bei 1,50 und bei den 75- bis 84-Jährigen bei 1,07. Ab dem sechs Monaten erhöht war (RR 2,3; 95%-KI 1,1–5,0).
85. Lebensjahr besteht ein Verhältnis von 0,76 (17).
Empfehlungen aus neurologischer Sicht
Pathophysiologische Erklärungen
Zusammengefasst ist die HRT nicht zur Primär- oder Sekun-
Epidemiologische Studien legen nahe, dass Frauen von einem därprävention bei zerebrovaskulären Ereignissen indiziert.
möglicherweise protektiven Effekt der Östrogene profitieren. Östro- Das Schlaganfallrisiko unter HRT ist leicht erhöht.
gene könnten theoretisch durch Schutzwirkungen am Endothel Insbesondere für Patientinnen mit einem vorherigen zerebro-
(Vasodilatation, Remodeling, Angiogenese, Reduktion der Inti- vaskulären Ereignis ist eine HRT nicht zu empfehlen. Die Pri-
maproliferation) (17–19) oder über die Lipidkonstellation (20) auf märindikation für die HRT ist das klimakterische Syndrom: In
das Schlaganfallrisiko wirken. Am Tiermodell konnte gezeigt mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass Patientinnen mit
werden, dass die Gabe von Östrogenen nach einer Ischämie neu- klimakterischem Syndrom einen eindeutigen Benefit durch die
roprotektiv ist (21, 22). Östrogene beeinflussen aber auch die HRT haben. Subgruppenanalysen der WHI und der Nurses
Fibrinolyse sowie die Thrombolyse und wirken vor allem pro- Health Study weisen darauf hin, dass im frühen Stadium der
thrombotisch (23, 24). Aus der Vielzahl von epidemiologischen Menopause (50 bis 59 Jahre) das Risiko für ein zerebrovaskulä-
und physiologischen Fakten ist ein Nutzen der Östrogene zur res Ereignis kaum erhöht ist (25). Die Nurses Health Study zeigte
Primär- oder Sekundärprävention bei Schlaganfallpatientinnen weiter, dass die Therapiedauer und die Dosis von konjugierten
denkbar. Einige Studien wurden dazu bereits durchgeführt.
Östrogenen in Zusammenhang mit dem Schlaganfallrisiko
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NEUROLOGISCHE PROBLEME IN DER MENOPAUSE
Tabelle 1: Demenz: randomisierte, doppelblinde, kontrollierte Tabelle 1: Studien
Demenzkranken stets zahlenmässig überproportional vertreten. Unabhängig vom Alter ist noch nicht ganz klar, ob Frauen
Alle Patientinnen erhielten ebenfalls ACE-Hemmer plus orales Progesteron (bzw. Plazebo-
per se ein erhöhtes Risiko haben.
Progesteron) CEE = oral conjugated equine estrogens; TDE = transdermal estradiol
Pathophysiologische Erklärungen Östrogene haben einen Einfluss auf das
Studie Honojo et al. 1993 Asthana et al. 1999
Anzahl Frauen 14 12
Studiendauer 3 Wochen 8 Wochen
Östrogen CEE 1,25 mg/Tag TDE 0,05 mg/Tag
Resultat Benefit Benefit
cholinerge System: Im Tiermodell konnte man nachweisen, dass Östrogene die cholinerge Funktion unterstützen (28). Insbesondere bei der AD ist genau dieses Neuro-
Asthana et al. 2001
20
8 Wochen
TDE 0,10 mg/Tag
Benefit
transmittersystem beeinträchtigt. Östrogene
Henderson et al. 2000 Mulnard et al. 2000
42 120
Wang et al. 2000
50
16 Wochen 12 Monate
12 Wochen
CEE 1,25 mg/Tag CEE 0,625 mg/Tag oder 1,25 mg/Tag CEE 1,25 mg/Tag
kein Effekt kein Effekt
kein Effekt
haben auch einen positiven Effekt auf die zerebrale Plastizität, sie verbessern die Langzeitpotenzierung, welche eine wichtige Rolle beim Speichern von Erinnerungen spielt (27). Östrogene vermindern die
Rigaud et al. 2003
117
28 Wochen TDE 0,05 mg/Tag kein Effekt
Neurotoxizität und reduzieren die Bildung
von Amyloid-Beta 42, welches eines der
pathologischen Hauptmerkmale bei der
AD ist (28). Aufgrund dieser Fakten müsste
standen. Somit gibt es möglicherweise ein günstiges Zeitfens- die Gabe von Östrogenen einen Schutzeffekt bezüglich De-
ter für die HRT.
menzen haben.
Östrogene und Demenz Die Demenz ist definiert als ein Verlust der kognitiven Fähigkeiten in einem Ausmass, das mit sozialen, beruflichen und alltäglichen Aktivitäten interferiert.
Auftreten und Häufigkeit von Demenzen Von den Demenzerkrankungen ist die Alzheimer-Demenz (AD) mit etwa 70 Prozent die häufigste Form, vor der vaskulären Demenz (VD) (10% aller Demenzen). In der Schweiz sind zirka 100 000 Personen von einer Demenz betroffen, diese Zahl wird sich in den nächsten 50 Jahren verdreifachen. Die Prävalenz von Demenzerkrankungen nimmt jenseits des 65. Lebensjahrs von etwa 5 Prozent auf über 30 Prozent in der neunten Dekade zu. Das höhere Lebensalter ist somit der Hauptrisikofaktor für Demenzen. Frauen haben eine höhere Lebenserwartung als Männer und sind in der Gruppe der
HRT und Demenz Epidemiologische Daten weisen darauf hin, dass Frauen unter einer HRT ein bis zu 50 Prozent reduziertes Demenzrisiko haben (29, 30). Eine Metaanalyse älterer Studien zeigte, dass das Risiko von hormonsubstituierten Frauen für diese Erkrankung um etwa 29 Prozent geringer war als das der Frauen ohne HRT (31). Obgleich diese Daten ermutigend waren, ist zu beachten, dass die Studien eine methodische Heterogenität aufweisen (32). So wurden zum Beispiel die Östrogenapplikation und mögliche weitere Hormongaben nicht mit einbezogen. Damit konnten potenziell relevante Faktoren, wie Gesamtdosis und Behandlungsdauer, oft nur ungenau erhoben werden. Trotz dieser Problematik wurde untersucht, ob Östrogene als Therapie der AD wirksam sind. Hierzu gibt es einige Studien (Tabelle 1), von denen die kleineren und kürzer dauernden einen Benefit zeigten, die etwas grösseren und länger
Tabelle 2: Risiko einer Demenz/MCI: Women’s Health Initiative Memory Study
Östrogen (E) plus Progesteron (P) vs. Östrogen allein MCI = mild cognitive impairment
HRT E plus P E allein
Zahl der
Verum
Plazebo
Hazard Ratio
Verum
Plazebo
Hazard Ratio
Patientinnen (Frauen mit Demenz) (Frauen mit Demenz) (95%-KI) (Frauen mit MCI) (Frauen mit MCI) (95%-KI)
4532 mit Uterus
40
21
2,1 (1,2–3,5)
56
55 1,1 (0,7–1,6)
2942 ohne Uterus
28
19
1,5 (0,8–2,7)
76
58 1,5 (0,8–2,7)
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dauernden Studien diese Resultate jedoch nicht reproduzieren konnten. Ferner gibt es zur Demenz-Primärprävention Daten, beispielhaft soll hier die Women’s Health Initiative Memory Study (WHIMS) erläutert werden. Gegenstand der Studie war, ob die Kombinationstherapie bei Patientinnen mit noch erhaltenem Uterus sowie die Östrogenmonotherapie bei Patientinnen nach Hysterektomie einen Effekt auf die Entwicklung einer Demenz oder eines «mild cognitve impairment» haben könnten (Tabelle 2). Für beide Endpunkte zeigte sich in beiden Therapiegruppen kein Benefit gegenüber Plazebo. Das absolute Risiko hinsichtlich der Entwicklung einer Demenz war um 18 neue Fälle pro 10 000 Personenjahre erhöht. Diese Daten sind konträr zu Daten aus einigen Observationsstudien, bei denen Patientinnen unter einer HRT ein signifikant reduziertes Risiko hinsichtlich der Entwicklung einer Demenz hatten. Die Unterschiede zwischen den Observationsstudien und der WHIMS könnte man unter anderem mit den etwas älteren Patientinnen in der WHIMS erklären, diese haben per se ein erhöhtes Risiko. Zum Zeitpunkt der Diagnose (bzw. des Endpunkts) waren die Patientinnen in der WHIMS immer noch unter einer Östrogentherapie, die Patientinnen in den Observationsstudien nicht. Es ist möglich, dass Risiko und Benefit von der Dauer und dem Startzeitpunkt der Therapie abhängen. Zudem finden sich verschiedene Hinweise, dass die Patientinnen, die an einer Hormonbehandlungsstudie teilnehmen, sich von den anderen in verschiedenen Variablen unterscheiden: Frauen beispielsweise, die eine HRT von sich aus durchführen, sind in der Regel gesünder (da sie keine Kontraindikation für eine HRT haben!). Meist befinden sie sich in engmaschiger ärztlicher Kontrolle und gehören zur sozial bessergestellten Bevölkerungsschicht, was wiederum unabhängigen protektiven Faktoren hinsichtlich der Demenzentwicklung entspricht. Diese Erklärungsansätze konnten auch durch weitere Studien untermauert werden. Die MIRAGE-Studie zeigte, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen dem Alter, in dem Patientinnen eine HRT erhielten, und der Demenzentwicklung. Es könnten wiederum das Timing und die Dauer der HRT eine wichtige Rolle spielen.
Empfehlungen aus neurologischer Sicht Patientinnen ohne Demenz, die älter als 65 sind, sollte man wenn möglich keine HRT mehr empfehlen, vor allem wenn weitere Risikofaktoren für eine Demenz bestehen. Bei jüngeren Frauen könnte das Risiko unter HRT theoretisch auch erhöht sein, aber hierzu gibt es keine gute Evidenz. Zur Prävention einer Demenz ist die HRT nicht zu empfehlen.
Konklusion Eine gewisse Aufmerksamkeit hinsichtlich neurologischer Erkrankungen in der Menopause ist sinnvoll. Zur Migräneprophylaxe ist eine HRT in ausgewählten Fällen in der Perimenopause sinnvoll. Die HRT erhöht jedoch das Schlaganfallrisiko, und bei Patientinnen mit einem zerebrovaskulären Risiko ist die HRT nicht zu empfehlen. Nicht demente Patientinnen über 65 haben unter einer HRT ein erhöhtes Risiko, eine Demenz
zu entwickeln. In der frühen Menopause besteht bei Patientin-
nen ohne entsprechende Risikofaktoren, bei denen aufgrund
eines klimakterischen Syndroms eine HRT indiziert ist, keine
relevante Gefahr, einen Schlaganfall zu erleiden oder eine
Demenz zu entwickeln.
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Korrespondenzadresse: Dr. med. Mira Katan
Neurologische Klinik, Universitätsspital Basel Petersgraben 4, 4031 Basel, E-Mail: katanm@uhbs.ch
Prof. Dr. med. Ludwig Kappos
Chefarzt Neurologische Klinik, Universitätsspital Basel
Petersgraben 4, 4031 Basel
Interessenkonflikte: keine deklariert
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