Transkript
FORTBILDUNG q FORMATION CONTINUE
Vulvovaginalkandidose
Wie man sie erkennt und behandelt
FRAUENARZT
Leitlinien der Deutschen
Gesellschaft für Gynäkologie
und Geburtshilfe, die kürzlich
auf den derzeitigen Stand ge-
bracht wurden, fassen das
Wesentliche zu dieser manch-
mal nur lästigen, oft aber
auch sehr belastenden
Pilzinfektion zusammen.
Zunächst empfiehlt die Guideline, für die durch Hefepilze der Gattung Candida verursachte Entzündung von Vulva und/oder Vagina den Begriff «Kandidose» gegenüber dem aus dem Englischen stammenden «Candidiasis» zu bevorzugen, da es sich ja nicht um eine parasitäre Erkrankung handle.
Häufigkeit Die Kolonisierung der Vagina durch Hefepilze ist vom lokalen Glukoseangebot abhängig, und dieses schwankt unter den wechselnden Sexualhormonspiegeln der fertilen Lebensphase zyklisch. Deshalb leiden Mädchen vor der Menarche und ältere postmenopausale Frauen nur selten an einer Vaginalkandidose. Gesunde prämenopausale Frauen zeigen in 10 bis 20 Prozent, unbehandelte Schwangere am Termin in bis zu 30 Prozent, gesunde post-
menopausale Frauen in 5 bis 10 Prozent eine vaginale Kolonisation. In der überwiegenden Mehrzahl (80%) handelt es sich um Candida albicans, bei 5 bis 10 Prozent um C. glabrata, der Rest entfällt auf weitere Candida-Spezies. Die symptomatische Candida-Erkrankung ist als opportunistische Infektion anzusehen, dies gilt auch für die vulvovaginale Kandidose.
Diagnose
Prämenopausale Frauen zeigen meistens eine Vaginalmykose mit Beteiligung des Introitus und der Vulva, postmenopausal ist primär eine Vulvakandidose anzutreffen, die vesikulös, pustulös, diffus-ekzematös oder follikulär sein kann. Leichte Formen der Vaginalkandidose verlaufen mit Juckreiz, Brennen und geringem Fluor, bei mittelschweren Formen treten noch die Entzündungszeichen einer Kolpitis hinzu. Bei der schweren Vaginalkandidose klagt die Patientin oft auch über brennende Schmerzen, und die Untersuchung zeigt eine schwere Kolpitis. Bei Vaginitis durch Candida glabrata erwähnen die Patientinnen nur ein gelegentliches Jucken prämenstruell oder postkoital. Die Vagina ist weniger stark gerötet, manchmal liegt eher cremiger Fluor ohne besonderen Geruch vor. Differenzialdiagnostisch sind immer andere gynäkologische Infektionen in Betracht zu ziehen, daneben auch «dermatologische» Vulvaerkrankungen (Lichen, Psoriasis, Ekzeme etc.). Die notwendige Diagnostik umfasst die klinische und kolposkopische Inspektion sowie ein Nativpräparat aus Scheidensekret, dessen Sensitivität bei blosser Hefepilzkolonisation bei 5 bis 40 Prozent, bei Vaginalmykose bei 40 bis 90 Prozent liegt. Die Zugabe von Kalilauge (KOH) erhöht
Merk-
sätze
q Prämenopausale Frauen zeigen meistens eine Vaginalmykose mit Beteiligung des Introitus und der Vulva, postmenopausal ist primär eine Vulvakandidose anzutreffen.
q Die akute Vaginalkandidose kann sowohl lokal als auch systemisch behandelt werden.
q Die chronisch-rezidivierende Candida-albicans-Vaginitis ist die Domäne der Triazole (Fluconazol oder Itraconazol) per os.
q Bei akuter Vaginalkandidose bringt die Partnertherapie keine signifikante Verbesserung.
die Sensitivität nicht. Pilzkulturen, die erst die Diagnose definitiv sichern können, sind nur im Zweifel oder bei Problemfällen nötig, halten die deutschen Leitlinien fest.
Therapie
Die blosse Kolonisation mit Hefepilzen benötigt normalerweise bei gynäkologischen Patientinnen keine Therapie, betonen die Leitlinien ausdrücklich. Die akute Vaginalkandidose kann sowohl lokal als auch systemisch behandelt werden. Für die topische Behandlung kommen Polyene, Imidazole und Ciclopirox in verschiedenen Darreichungsformen in Frage (Tabelle 1). Die Behandlungsergebnisse seien bei allen Präparaten «nahezu gleich». Bei akuter Kandidose können
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FORTBILDUNG q FORMATION CONTINUE
Vulvovaginalkandidose
Tabelle 1:
Therapie bei Vulvovaginalkandidose
akut lokale Therapie: Polyene, Imidazole, Ciclopirox; bei Ausdehnung auf den Inguinalbereich: Nystatin oder Azol als Paste besser verträglich als Salben; mykologische Heilungsraten: 75–80% orale Therapie: Triazole (u.U. bessere Compliance als bei Lokaltherapie)
chronisch/chronisch-rezidivierend orale Therapie: Triazole; Infektionen mit Candida glabrata: mind. 750 mg/Tag Fluconazol für mind. 2 Wochen; Infektion mit Candida krusei: übliche Lokaltherapie; chronisch-rezidivierende Vulvovaginalkandidose: intermittierende Erhaltungstherapie mit Fluconazol per os (z.B. 1–2x150 mg/Woche für 4–6 Wochen, anschliessend 1x150 mg alle 2 Wochen für 4–6 Wochen, danach 1x150 mg alle 4 Wochen für 4–6 Wochen)
Partnertherapie akute Vulvovaginalkandidose: keine signifikante Verbesserung der Heilungsrate chronische Rezidive: bei Nachweis der gleichen Hefeart an Penis oder im Sperma evtl. Lokalbehandlung und Fluconazol per os
Darmbehandlung Normalerweise nicht notwendig. Bei chronisch-rezidivierender Erkrankung und Nachweis identischer Hefepilze in Vagina und Mund bzw. Stuhl: Amphotericin-Lutschtabletten, evtl. kurzfristig Nystatin per os.
auch Triazole per os verschrieben werden, was die Compliance verbessern kann. Beherrscht eine Entzündung der Vulva das Bild, sollte eine gegen Hefepilze wirksame Salbe oder Creme täglich ein- bis zweimal aufgetragen werden. Bei Ausbreitung auf den Inguinalbereich sind Pasten mit Nystatin oder einem Azol besser verträglich als Salben. Führt die Lokaltherapie
nicht zum Erfolg oder lassen sich wiederholt Candida im Scheidensekret nachweisen, wird eine systemische Therapie mit Triazolen empfohlen. Ketoconazol ist heute weit gehend durch Fluconazol und Itraconazol verdrängt worden. Die beiden neueren Triazole sind aber bei Infektionen mit C. glabrata oder C. krusei in der üblichen Dosierung nicht ausreichend wirksam. Die Leitlinien empfehlen daher, bei chronischen Vaginalbeschwerden durch C. glabrata mindestens 750 mg/Tag Fluconazol für mindestens zwei Wochen zu verschreiben. Bei Candida-krusei-Vaginitis soll eine übliche Lokaltherapie versucht werden, positive Daten liegen dazu auch für Ciclopirox vor. Die chronisch-rezidivierende Candidaalbicans-Vaginitis ist die Domäne der Triazole (Fluconazol oder Itraconazol) per os. Nach einer Initialtherapie wird die intermittierende Erhaltungstherapie empfohlen. Hierfür gibt es verschiedene Schemata, wie in Tabelle 1 angeführte. (Aber auch die kontinuierliche Einnahme von 150 mg Fluconazol während 6 Monaten, die in einer randomisierten Studie Plazebo signifikant überlegen war, worüber wir in AM 20/2004, S. 1025f. berichtet haben.) Auch diese systemische Therapie hat aber nach Absetzen eine hohe Rückfallquote von etwa 50 Prozent. Dies kann an der Infektion mit einem gegenüber Triazolen weniger empfindlichen C.-albicansStamm liegen, was durch Resistenzbestimmung in einem qualifizierten Labor erfasst werden kann. Für immunologische Therapieansätze bei chronisch-rezidivierender Vulvovaginalkandidose liegen keine gesicherten Daten vor. Bei akuter Vaginalkandidose bringt die Partnertherapie keine signifikante Verbesserung, bei chronischem Wiederaufflammen ist die Untersuchung von Penis und Sperma des Partners aber indiziert. Auch eine «Darmbehandlung» ist normalerweise nicht erforderlich. Eine solche «Sanierung» ist laut Leitlinien weder möglich noch notwendig, da die Besiedlung der Fäzes beim immunkompetenten Menschen normal ist. Ein entsprechender Behandlungsversuch kann bei identischen Hefepilzen in Mund beziehungsweise Stuhl
Tabelle 2:
Antimykotika bei Vulvovaginalkandidose
Imidazole (topisch):
Clotrimazol
Corisol®
Fungotox®
Gyno-Canesten®
Econazol
Gyno-Pevaryl®
Isoconazol
Gyno-Travogen®
Miconazol
Monistat®
Oxiconazol
Oceral®
Terconazol
Gyno-Terazol®
Tioconazol
Gyno-Trosyd®
Triazole (oral): Fluconazol
Itraconazol
Diflucan® Flucazol® Sporanox®
Polyene: Nystatin Amphotericin B
Mycostatin® Ampho-Moronal®
andere: Ciclopirox
Batrafen® Dafnegil Neo®
und Vagina erwogen werden. Für die Mundhöhle kommen dann AmphotericinLutschtabletten in Frage. Bei in der Stuhluntersuchung nachgewiesener übermässiger C.-albicans-Besiedlung des Darms kann Nystatin, kurzzeitig per os, sinnvoll sein. Die Wirksamkeit einer so genannten «Antipilzdiät» ist laut den deutschen Leitlinien wissenschaftlich nicht belegt, von einer zuckerfreien Diät sei eine Wirkung auf Candida im Darm nicht wahrscheinlich.
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Frauenarzt 2003; 44: 781ff. Auch im Internet abrufbar unter: www.dggg.de/leitlinien/pdf/2-4-1.pdf (Zugriff am 17.11.2004)
Halid Bas
Interessenlage: Die Autoren deklarieren keine Interessenkonflikte.
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