Transkript
INTERVIEWq INTERVIEW
«Teurer heisst nicht unbedingt besser»
Evert Verhagen über Therapiekreisel
Die Auswahl an Therapiekreiseln ist gross. Die Preise bewegen sich meist zwischen 40 und 130 Franken, manchmal sogar darüber. Worauf beim Kauf und beim anschliessenden Training zu achten ist, erläutert Dr. Evert Verha-
Dr. Evert Verhagen
sächlich keinen Nutzen, oder der Nutzen ist in der Praxis so gering, dass sich die Effekte nur schwer mit einer Studie nachweisen lassen und selbst unsere grosse Untersuchung mit über 1000 Volleyballern noch zu klein war. Nicht vergessen sollte man, dass es in unserer Studie unter dem Propriozeptionstraining zu signifikant mehr Knieüberlastungen kam. Zwar gehen wir davon aus, dass die Häufung nur zufällig auftrat, aber solange das nicht geklärt ist, werden wir Sportlern ohne bisherige Sprunggelenksverletzung nicht zu einem prophylaktischen Balancetraining raten.
gen vom EMGO-Institut in
Amsterdam.
ARS MEDICI: Herr Verhagen, welches sind die häufigsten Fehler beim Training mit dem Therapiekreisel? Verhagen: Da in erster Linie die verlorenen propriozeptiven Fähigkeiten des verletzten Fussgelenks wiedererlangt werden müssen, sollte das Gleichgewicht möglichst nur mit dem Fussgelenk gehalten werden. Wichtig ist es daher, auf eine hohe Körperspannung zu achten und die Arme vor dem Brustkorb zu verschränken, damit sie nicht wie beim Seiltanzen für unerwünschte Ausgleichbewegungen zum Einsatz kommen.
ARS MEDICI: Bei den Therapiekreiseln gibt es grosse Preisunterschiede. Manche Modelle kosten weit über 80 Euro. Lohnen sich solche Luxusausführungen? Verhagen: Teurer heisst nicht unbedingt besser. Viele günstige Modelle sind völlig ausreichend. Entscheidend ist es, auf eine geeignete Gerätehöhe zu achten.
Insbesondere am Anfang kann man mit einem hohen Kreisel überfordert sein. Denn je höher das Gerät, desto grösser der mögliche Kippwinkel und desto schwieriger das Balancieren. Zwar sollte das Training im Lauf der Zeit gesteigert werden, aber dafür müssen keine teuren, höhenverstellbaren Therapiekreisel zum Einsatz kommen. Stattdessen können auch anspruchsvollere Übungen ausgewählt werden. Wir selbst verwenden zum Beispiel Kreisel mit einer festen Höhe von etwa sieben bis zehn Zentimetern.
ARS MEDICI: Sie empfehlen das Propriozeptionstraining ausschliesslich als rehabilitative Massnahme. Sollte das Balancetraining aber nicht zumindest in Hochrisiko-Sportarten wie Basketball, Tennis, Fussball oder Handball generell auch bislang Unverletzten als Schutz empfohlen werden? Verhagen: In unserer Studie erwies sich das Balancetraining nur nach Aussenbandverletzungen als nützlich. Folglich haben Balanceübungen bei einem unversehrten Sprunggelenk entweder tat-
ARS MEDICI: Ihre Studie erfolgte an Leistungssportlern. Lohnt sich das Balancetraining auch für Menschen, die weniger oder sogar überhaupt keinen Sport betreiben? Verhagen: Natürlich ist das Risiko für ein Umknicktrauma bei bestimmten Sportarten höher. Da es aber selbst im Alltag genügend Gelegenheiten gibt, erneut umzuknicken, und nach einem Aussenbandriss die propriozeptiven Fähigkeiten normalerweise stark verringert sind, sollte jeder Mensch nach einer solchen Verletzung ein Balancetraining absolvieren – unabhängig von den sportlichen Ambitionen oder der ausgeübten Sportart.
Die Fragen stellte Karl Eberius
A R S M E D I C I 2 4 q 2 0 0 4 1215