Transkript
Medien q q q Moden q q q Medizin
Rosenbergstrasse 115
Die NZZ widmet unserem neuen Präsidenten Jacques de Haller ein Porträt. Erstaunlich gut gelungen, muss man zugestehen. Genau so wie der Einstieg des Romands in seine neue Aufgabe. Die NZZ attestiert ihm wenig ausgeprägtes Standesbewusstsein, unprätentiöse Autorität, Fähigkeit zum Zuhören und moderaten Reformwillen. Das ist eine so schlechte Mischung nicht.
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«Eewigi Liäbi» singt eine Schweizer Gruppe (Züri West? wohl kaum) leicht schnulzig. «Gnadenlose Liebe», so charakterisiert der neue CIA-Chef seinen Führungsstil, der zu Kündigungen am laufenden Band geführt hat und noch führt. Porter Goss dürfte seinem Meister damit aus dem liebenden Herzen sprechen. Wie anders und treffender lässt sich die unselige Verbindungen von bedingungsloser göttlicher Mission und unbarmherziger Kriegsversessenheit umschreiben? Allenfalls noch mit Blasphemie.
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Die Behauptung von Präsidenten Putin, Russlands neue Atomwaffen (auf die alle so gespannt sind, am meisten vermutlich die CIA) seien eine notwendige Antwort auf den internationalen Terrorismus, ist etwa so einleuchtend wie die altbekannte Behauptung, am Lädelisterben sei das Ozonloch über der Antarktis schuld.
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Kollege Gassner-Bachmann enerviert sich in der SAeZ über die formalistische und kostentreibende Kontrollomanie in Sachen Strahlenschutz. Recht hat er und findet die richtigen Worte. Es war schon immer unsere Forderung, auch Politiker und Beamte sollten ihr
Tun (das Generieren von Gesetzen und Vorschriften beziehungsweise die Kontrolle von deren Einhaltung) an evidenzbasierten Kriterien messen. Hat jemand mal die Kosten für ein gewonnenes Lebensjahr durch Strahlenschutzmassnahmen errechnet? Oder die NNS – analog zur Number Needed to Treat die Number Needed to Schikanieren (die derbere Variante: NNF) –, die Auskunft darüber gibt, wie viele Praktiker das BAG wie oft und wie lange zu Strahlenschutzfortbildungskursen schicken muss, um einen Strahlenunfall zu vermeiden? Aber eben, die Fachleute in Bern sind Juristen, sie kennen auf gesund menschenverständliche Fragen nur juristische Antworten. Wären sie Wissenschaftler, dann würde die Politik vielleicht rationaler und rationeller (Was zum Aufruf herausfordert: Wissenschaftler in die Politik!)
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Vor Weihnachten haben die professionellen Vergäller ihre Hoch-Zeit. Nicht genug, dass der Nebel beziehungsweise vor allem das Wissen darum, dass 1000 Meter höher die Sonne scheint, aufs Gemüt drückt, nein, es vermiesen einem die hämisch mit Morbus und Exitus winkenden Lebensmittelchemiker die Feiertage auch noch mit Berichten über Antibiotika im Zucht- oder Quecksilber im Wildlachs, über Dioxin in Christstollen und Brunsli sowie schaurigen Bildern von in Käfigen gehaltenen Weihnachtsgänsen, über Intoxikationen durch übermässigen Mailänderliverzehr und allergische Reaktionen auf Mandarinli aus Afrika. Aber: als ob das nicht schon übel genug wäre, doppeln jetzt ein paar Mediziner aus den Niederlanden nach. Abgesehen haben sies nicht auf die oralen Genüsse, sondern auf die optischen, die olfaktorischen und die transzendentalen. Wer meint, eine Weihnachtskerze sei ein die Seele erwärmendes
Idyll, die verzückt schnuppernde Nase beim Betreten des Wohnzimmers mit den brennenden Kerzen Ausdruck weihnächtlicher Stimmung und die Andacht in der heimelig erleuchteten Kirche ein heilbringender Glücksmoment, der mag als dummer Tor zwar ins Himmelreich finden, liegt aber wissenschaftlich voll daneben. Kirchen sind vielmehr Horte der Indoor Pollution, vor allem wenn ihre Luft vom Rauch geweihter Kerzen geschwängert ist. Polyzyklische aromatische Hydrokarbone, karzinogen wie der Teufel, schwirren in der geweihten Luft, und freie Radikale, einige von ihnen noch nicht mal kategorisiert, suchen sich ihre Opfer in den Lungen und lösen bei Gläubigen und aus andern Gründen Betenden Asthma und Bronchitis aus. Pfarrer sollen zwar weniger Stress haben, aber so sie sich zu lange in Kirchen aufhalten, sind sie gefährdet. Nicht an ihrer Seele, aber an ihrer Lunge. Nicht durch den Bösen, aber durch die Freien (Radikale). Wer nur soll und wie kann man sie erlösen von den PM10 genannten, weniger als 10 Mikron im Durchmesser grossen soliden Partikeln, von denen 600 bis 1000 Mikrogramm pro Kubikmeter das Gotteshaus bewölken, mithin 10- bis 20-mal so viel, wie die EU erlaubt? Da hilft wohl nur die Hoffnung – dass am Ende selbst der Teufel an einer COPD eingeht. (Der vermutlich auch keine Ahnung hat, was PM10 eigentlich ist.)
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Jetzt wissen wir wenigstens, dass die Koinzidenz von stetig ansteigender Lebenserwartung und anhaltender Abkehr der Menschen von den Kirchen keine zufällige ist. Schöne Weihnachten und überleben Sie sie gut!
Richard Altorfer
A R S M E D I C I 2 3 q 2 0 0 4 1141