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TAGUNGSBERICHT q COMPTE-RENDU DE CONGRÈS
«Manche Patienten fühlen sich verunreinigt und schuldig»
Herpes genitalis – Auswirkungen für die Betroffenen und mögliche Therapie
PASCALE GMÜR
nicht diagnostiziert sind und keine Sym- standteile in einer Probe oder durch die Be-
ptome aufweisen.
stimmung spezifischer Antikörper im Blut.
Am Kongress der Internationa-
len Union gegen sexuell über-
tragbare Infektionen (IUSTI),
der vom 7. bis 9. Oktober in
Mykonos stattfand, war Her-
pes genitalis eines der Haupt-
themen. Welche Therapien
sind möglich, welchen Einfluss
haben die Herpes-simplex-
Viren auf HIV-Infektionen, und
weshalb fühlen sich manche
Patienten stigmatisiert?
Die Herpes-simplex-Infektion ist ausgesprochen häufig, bricht allerdings bei vielen Menschen nicht offen aus. Die Internationale Herpes-Vereinigung (International Herpes Alliance) schätzt, dass weltweit über die Hälfte der Menschen einen oder beide der Herpes-simplex-Viren trägt. Die Infektion mit HSV-2 ist der häufigere Grund für das Auftreten von Herpes im Genitalbereich, wobei in Europa immer öfter auch HSV-1 als Auslöser identifiziert wird. In der Schweiz liegt die Seroprävalenz von HSV-2 bei 15 bis 19 Prozent, wobei Frauen häufiger betroffen sind als Männer. Oft findet die Übertragung durch Partner statt, die zu diesem Zeitpunkt
Primärinfektion oft mit Allgemeinsymptomen
Falls sich die Symptome zeigen, erscheint ein primärer Herpes genitalis drei bis vierzehn Tage nach Kontakt mit einem infizierten Sexualpartner, und zwar mit gruppierten, schmerzhaften Bläschen, die später in Ulzerationen übergehen. Die Primärinfektion geht typischerweise einher mit ausgedehnten multiplen Ulzerationen und schmerzhaften Lymphknoten-Schwellungen. Mehr als die Hälfte der Patienten leidet zudem an Allgemeinsymptomen. Bis zu 20 Prozent weisen eine Dysurie auf, selten kann es zu akutem Harnverhalten kommen. Die Läsionen heilen nach drei Wochen vollständig ab. Die beiden HSV-Typen provozieren ein identisches klinisches Bild. Rezidivierende Infektionen oder initiale Infektionen bei bereits vorhandenen HSVAntikörpern zeigen sich in milderer Form mit geringeren Allgemeinsymptomen. In der Praxis ist eine klinische Unterscheidung zwischen Primär- und Initialinfektion aber kaum möglich. Die Rezidive des Herpes genitalis können sowohl symptomatisch als auch asymptomatisch verlaufen. Läsionen sind in der Regel seltener und kleiner als bei der Primärinfektion und können sich mit Brennen oder Jucken ankündigen. Bei vielen Patienten sind erste Anzeichen, Läsionen und Lokalisation jedoch kaum typisch und werden oft nicht als Herpes genitalis erkannt. Zu den häufigen atypischen Lokalisationen gehören der Gesäss-, der Anal- oder Oberschenkelbereich. HSV-Infektionen lassen sich auf zwei verschiedene Arten identifizieren: durch den Nachweis des Virus oder eines seiner Be-
Antivirale Therapie lindert Symptome
Wie Referenten der Tagung bekräftigten, können antivirale Medikamente die Symptome des Herpes genitalis lindern beziehungsweise die Erkrankungsphase etwas verkürzen. Das gilt für die Ersterkrankung und auch – zu einem geringeren Grad – für Rezidive. Die Substanzen müssen aber sehr frühzeitig, am besten innerhalb von 24 Stunden nach Auftreten der ersten Symptome, eingesetzt werden. Im Rahmen einer Suppressionstherapie senken die Medikamente die Rezidivhäufigkeit signifikant. Sie bringen allerdings die latente Infektion nicht zum Verschwinden. Je nach Ausprägung der Rezidive ist eine suppressive, episodische oder eine Lokaltherapie angezeigt (Tabelle) . Die episodische Therapie eignet sich für: q Selten auftretende Rezidive q Symptomatische Rezidive q Erkennbare Prodromi q Patienten, die nicht unter starker
Übertragungsangst leiden q Verläufe ohne psychosexuelle Folgen. Die suppressive Therapie eignet sich für: q Häufige, schwere Rezidive
(> 6 pro Jahr) q Erkrankung mit Komplikationen q Beeinträchtigende oder fehlende
Prodromi q Spezielle Lebenssituationen: Prüfungen,
Ferien usw. q Geschwächtes Immunsystem. Da die Rezidive in der Regel weniger beeinträchtigend und schmerzhaft sind als das erste Auftreten der Erkrankung, benötigen viele Patienten keine medikamentöse Therapie.
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TAGUNGSBERICHT q COMPTE-RENDU DE CONGRÈS
«Manche Patienten fühlen sich verunreinigt und schuldig»
Tabelle: Antivirale Medikamente zur Behandlung einer Herpes-genitalis-Infektion
Episodische Therapie
Suppressive Therapie (Empfohlen bei > 6 Rezidiven/Jahr oder starker Auswirkung auf die Lebensqualität)
Schwangerschaft Episodische Therapie Suppressive Therapie (ab Woche 36 bis zur Entbindung)
Erstepisode
Aciclovir oral 5 x 200 mg/Tag, 5–10 Tage Valaciclovir 2 x 500 mg/Tag, 5–10 Tage Famciclovir 3 x 250 mg/Tag, 5–10 Tage Aciclovir i.v. 3 x 5 mg/kg/Tag, 5 Tage Andere Möglichkeiten: Aciclovir oral 3 x 400 mg/Tag, 7–10 Tage Valaciclovir 2 x 1000 mg/Tag, 7–10 Tage
Rezidive
Aciclovir oral 5 x 200 mg/Tag, 5 Tage Valaciclovir 2 x 500 mg/Tag, 3–5 Tage Famciclovir 2 x 125 mg/Tag, 5 Tage
Andere Möglichkeiten: Aciclovir oral 3 x 400 mg/Tag, 5 Tage Aciclovir oral 3 x 800 mg/Tag, 2 Tage
Aciclovir oral 2 x 400 mg/Tag Valaciclovir 2 x 250 mg/Tag
(> 10 Rezidive/Jahr) oder 1 x 500 mg/Tag (< 10 Rezidive/Jahr) Famciclovir 2 x 250 mg/Tag
Aciclovir oral 5 x 200 mg/Tag, 10 Tage Valaciclovir 2 x 500 mg/Tag, 10 Tage Aciclovir oral 3 x 400 mg/Tag Valaciclovir 2 x 250 mg/Tag
Aciclovir oral 5 x 200 mg/Tag, 5 Tage Valaciclovir 2 x 500 mg/Tag, 5 Tage Aciclovir oral 3 x 400 mg/Tag Valaciclovir 2 x 250 mg/Tag
HSV und HIV – eine häufige Kombination
Simon Barton vom Chelsea and Westminster Hospital in London hob hervor, dass die Seroprävalenz von HSV-1 und HSV-2 signifikant höher ist bei Patienten, die mit dem HIV infiziert sind. Eine Untersuchung bei homosexuellen Männern zeigt zum Beispiel: Bei HIV-positiven homosexuellen Männern liegt die Seroprävalenz von HSV-2 bei über 80 Prozent. Bei jenen, die HIVnegativ sind, ist die Seroprävalenz tiefer als 50 Prozent. Daraus ergibt sich für Barton die Frage: «Wenn Herpes simplex die HIVInfektion erleichtert, kann demzufolge die Prävention der Herpes-Infektion oder die Suppression von Herpes-Reaktivierungen das Übertragungsrisiko von HIV senken?» Studien, die eine Antwort versprechen, sind derzeit noch nicht abgeschlossen.
Stigmatisierung durch Herpes genitalis
Obwohl Herpes genitalis stark verbreitet ist und häufig mild verläuft, getrauen sich viele Patienten nicht, über ihre Erkrankung zu sprechen – weder beim Arztbe-
such noch im privaten Umfeld. Laut Charles Ebel von der Internationalen HerpesVereinigung, die sich vorwiegend an Patienten richtet, kann Herpes genitalis die Selbstwertgefühle und die Sexualität stark beeinträchtigen. Da die Wahrscheinlichkeit einer Infektion mit der Anzahl Sexualkontakte zunimmt, besteht die Gefahr, dass die Betroffenen abschätzig als promiskuitiv bezeichnet werden und sie sich selber schuldig fühlen. «Nicht selten haben die Patienten die Vorstellung», so Ebel, «durch die Krankheit verunreinigt worden zu sein. Und da sie eine grosse Angst davor haben, nicht mehr attraktiv zu sein oder jemanden anzustecken, ziehen sie sich zurück.» Die Stigmatisierung ist auch ein Hindernis, sich beraten und behandeln zu lassen. Erst wenn die Patienten erfahren, dass ihnen der Hausarzt ohne Vorurteile begegnet, können die Patienten die Informationen in Ruhe entgegennehmen und zusammen mit dem Arzt entscheiden, wie die Symptome, die psychische Beeinträchtigung und das Übertragungsrisiko reduziert werden können. Dabei geht es im Einzelfall sicher auch um die Bearbeitung eines Problems, auf das Raj Patel, der Ge-
Weiterführende Informationen: www.herpes-help.ch
www.herpesalliance.org
neralsekretär der Internationalen Union
gegen sexuell übertragbare Infektionen,
hinwies: «Weil der Patient bei episodi-
schen Therapien die ersten Anzeichen ei-
nes Rezidivs bemerken und sofort mit der
Medikamenteneinnahme reagieren muss,
besteht die Gefahr, dass er ununterbro-
chen an die Infektion denkt. Damit ver-
knüpft ist auch die ständige Angst vor
dem Übertragungsrisiko.»
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Interessenlage: Die Berichterstattung wurde von GlaxoSmithKline unterstützt. Auf den Bericht hat die Firma keinen Einfluss genommen.
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