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FMP-Journal
FOEDERATIO MEDICORUM PRACTICORUM q FOEDERATIO MEDICARUM PRACTICARUM
Planwirtschaft im Gesundheitswesen: nein danke!
I. L. WYLER-BREM
Die aktuelle Vorlage zur Abschaffung des Kontrahierungszwanges ist keine Vorlage zur Steigerung des Wettbewerbs, sondern verstärkt zusätzlich zum Ärztestopp die Planwirtschaft in der ambulanten medizinischen Versorgung der Schweiz. Die Kantone sollen darüber bestimmen, wie viele Ärztinnen und Ärzte für die ambulante Versorgung der Bevölkerung nötig sind.
Die FMP fordert deshalb, dass die Kassen verpflichtet werden, ergänzend zum Standardprodukt ein nicht gewinnorientiertes Versicherungsprodukt anzubieten, das die freie Arztwahl garantiert. Wer grundversichert ist, soll dieses Produkt abschliessen können, ohne Vorbehalte fürchten zu müssen.
Einschränkung der Kassenwillkür
Neu sollen Kassen frei sein, mit einzelnen Ärztinnen und Ärzten Verträge abzuschliessen. Sie sind lediglich verpflichtet, mit einer bestimmten, kantonal vorgeschriebenen Anzahl von Ärztinnen und Ärzten einen Vertrag einzugehen. Das Gesetz sieht keinerlei Sanktionen vor, wenn die Kassen nicht genügend Verträge abschliessen. Die FMP fordert deshalb, dass Kassen, welche nicht mit einer genügenden Anzahl von Ärztinnen und Ärzten einen Vertrag abschliessen, im ersten Jahr verwarnt werden und im zweiten Jahr die Zulassung für diesen Kanton verlieren. Dadurch entsteht für die Verhandlungen ein Gleichgewicht im Verhältnis zwischen Ärzten und Ärztinnen zu den Kassen.
Wer nach freiem Wettbewerb schreit, soll ihn auch einführen und dann die Verantwortung dafür übernehmen: Die FMP verlangt deshalb, dass dieses Gesetz den freien Wettbewerb auch gegenüber den Kassen zulässt und nicht ein – angeblich – gescheitertes System durch ein – sicher – zum Scheitern verurteiltes System ersetzt. Die FMP hat deshalb einige dringende Vorschläge und Forderungen ausgearbeitet, um bei allfälliger Abschaffung des Vertragszwangs mit allen Leistungserbringern (auch Spitälern, Spitex, Apotheken usw.) echten Wettbewerb im schweizerischen Gesundheitswesen einzuführen.
Versicherung für freie Arztwahl
Die freie Arztwahl stärkt den Qualitätswettbewerb unter den Ärztinnen und Ärzten, denn wer mit der Qualität seines Arztes nicht zufrieden ist, der wechselt zum nächsten. Zum Schutz einer hoch stehenden medizinischen Qualität darf diese Wahlfreiheit nicht eliminiert werden. Wird für das Standardprodukt im KVG der Kontrahierungszwang abgeschafft, muss über ein neues, freiwilliges Versicherungsprodukt die freie Arztwahl sichergestellt werden.
Austauschbefugnis
Wird heute für eine Behandlung ein Arzt oder eine Ärztin im Ausstand beigezogen, so wird diese Behandlung von der Kasse nicht bezahlt. Wohl aber übernehmen die Kassen dieselbe Leistung, wenn sie durch einen Vertragsarzt durchgeführt wird. Die Berechtigung einer Person, eine gleiche Leistung woanders zu beziehen, nennt man Austauschbefugnis. Sie ist im Bereich der Sozialversicherung zwar bekannt, im KVG aber verpönt. Die FMP fordert, dass die Austauschbefugnis auch im KVG eingeführt wird. Die versicherte Person soll mündig entscheiden können, bei wem sie zu welchem Preis die Leistungen beziehen will. Die Kasse soll der versicherten Person denjenigen Anteil der Kosten vergüten, den die Kasse zahlen müsste, wenn die Leistung bei einem Vertragsarzt bezogen worden wäre.
Abschaffung des gesetzlichen Tarifschutzes
Es ist heute Ärztinnen und Ärzten verboten, mit ihren Patientinnen und Patienten im ambulanten Bereich Sondertarife neben den Sozialversicherungstarifen zu vereinbaren. Patientinnen und Patienten geniessen den so genannten Tarifschutz. Der mit der
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Planwirtschaft im Gesundheitswesen: nein danke!
Kasse vereinbarte Tarif darf nicht überschritten werden. Als Gegenstück sind Ärztinnen und Ärzte berechtigt, gegenüber den Kassen abzurechnen. Die FMP fordert deshalb: Fällt der Kontrahierungszwang, muss auch sein Gegenstück, der Tarifschutz, fallen. Ärztinnen und Ärzte sind so berechtigt, mit den Patientinnen und Patienten Sonderverträge zu vereinbaren.
Verbot von Verbandsverträgen
Heute werden praktisch alle Verträge im KVG durch die Santéesuisse (SAS) als kartellistisch auftretender Kassenverband ausgehandelt. Obwohl die Krankenversicherer frei wären, mit Ärztinnen und Ärzten Verträge abzuschliessen, bemühen sich diese kaum. Sie haben keine innovativen Ideen. Ihre grundsätzliche Haltung ist es nur immer wieder, die Entschädigung für Ärztinnen und Ärzte zu senken oder den versicherten Personen die ihnen rechtmässig zustehende Behandlung zu kürzen oder einzuschränken. Dies soll mit der Abschaffung des Kontrahierungszwanges nicht ändern, im Gegenteil, dies wird sich massiv verschärfen. Dieser Mangel muss beseitigt werden.
Die FMP fordert deshalb, dass Verbandsverträge grundsätzlich verboten werden. Nur im Rahmen des Kartellgesetzes sollen sich Ärzte oder Kassen zu Verhandlungsgemeinschaften zusammenschliessen können. Ohne das ausdrückliche Verbot von Verbandsverträgen wird jegliche wirtschaftliche Innovation unterdrückt. Dieses Verbot fördert den Wettbewerb. Kassen und Ärzteverbände, die sich diesem Wettbewerb nicht stellen, müssen die Konsequenzen daraus ziehen: Kassen werden untergehen, was zu einer Konzentration und daraus zu einer Effizienzsteigerung in der Verwaltung führt. Wir fordern hiermit, dass die SAS und Ärzteverbände unter das Kartellgesetz gestellt werden.
Wir sind überzeugt, dass wir mit diesen Vorschlägen die Basis für
ein wettbewerbsorientiertes Gesundheitswesen schaffen kön-
nen. Wir werden diese Vorschläge auch in den beiden Parlamen-
ten einbringen. Politiker, Politikerinnen und Kassen: stellt euch
dem Wettbewerb – bevor ihr Leistungen gegenüber Patientinnen
und Patienten abbaut.
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Für den Vorstand: Dr. med. I. L. Wyler-Brem, Präsidentin FMP
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