Transkript
Medien q q q Moden q q q Medizin
Rosenbergstrasse 115
Tadel für den Herrn Regierungsrat in der «Arena», denn in der Sozialszene, zumal der institutionalisierten, ist «Behinderte» längst zu einem Unwort geworden. «Wir sprechen von behinderten Menschen», hört sich der RR gemassregelt. Dabei hätte er es wissen müssen: Wer es wagt, in sozialer Runde, einer jahrzehntealten Gewohnheit folgend, das Unwort auszusprechen, muss a) mit öffentlichem Tadel rechnen und wird b) sofort sozialpolitisch schubladisiert («vermutlich Sozialabbau treibender SVP-Wähler»). Früher gabs noch Neger. Heute werden die gleichen Menschen als Afroamerikaner diskriminiert. Und künftig? Alkies, Junkies oder Drögeler bleiben zwar auf der untersten sozialen Stufe sitzen, aber sie sitzen dort neu wenigstens als alkoholkranke und drogenabhängige «Menschen». Statt Häftlingen werden bald (oder heute schon?) inhaftierte «Menschen» ausbrechen, statt Beamte werden künftig «Staatsdienst leistende Menschen» für ihre Privilegien kämpfen, und der Herr Regierungsrat wird demnächst statt von Sozialarbeitern von «sozial arbeitenden Menschen» angeschnauzt. Asylanten, Arbeitslose, Alte, Arme, Schwule, Terroristen – warum nicht auch Banker, Manager, Politiker, Abzocker, Raser – das Potenzial für Ver«Menschlichungen» ist gross. Aber nicht in allen Fällen. Denn dann – Mensch Meier – würden aus «Rechten» ja auf einmal «rechte Menschen». Das ist es: Wer die Sprache diktiert, übt Macht aus. Darum geht es, wie immer. Nur: Für die Menschen, um die es hier angeblich geht, geht es um mehr.
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Übrigens: Wie ver-«menschlicht» man «Zürcher»?
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Autgebörnte deutsche Manager gehen canyoningen oder sackhüpfen. Beides soll die Seele wieder ins Gleichgewicht und die Antriebsaggregate wieder auf aggressive Touren bringen. Holländische Manager greifen auf ihre natürlichen Ressourcen zurück: Kühe. Es gibt, so die Kursleiterin (das Cowgirl?) nichts Entspannenderes, als sich –
nein, eben nicht zur Muse und nicht «zur Frau», sondern – zu einer Kuh zu legen. Und das tun die Ausgebrannten denn auch. Das schwarzweisse Fleckvieh liegt auf der Weide, und die Manager liegen bei ihnen, den grossen, warmen, weichen Mutterkühen mit Eutern wie Medizinbälle. Natürlich nicht in Anzug und Krawatte, sondern in speziellen Übergwändli. Das Kuhknuddeln hat aber noch weitere Effekte – vor allem für das Tier: Rindsbraten und Rumpsteak oder gar Filet vom herzigen, des toughen Managers kühle Hand besaugenden Kälbchen kommt manchem gestandenen Firmenleiter seit dem Tête-à-tête mit Hedwig, Lisa oder Maite nicht mehr auf den Tisch.
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Oops, das ging aber arg schief im «Zischtigsclub». Zumindest für Jürg Krummenacher, den Leiter der Caritas. Es ging um Arm und Reich (bzw. arm und reich), um Schulden und Sozialhilfe, um Neue Armut und Working Poor. Dumm nur, dass sich die beiden geladenen Armen (der hoch verschuldete Promi Stefan Angehrn und eine allein erziehende Mutter) partout nicht vom Hilfe-Profi helfen lassen wollten. Während Krummenacher noch und noch den Index zitierte, unterhalb dessen jemand unter der Armutsgrenze liege, fragte die allein erziehende Mutter, was denn «arm» heisse. Keine Markenkleider, kein Handy für die 12-Jährige, kein neuer Klingelton, keine Ferien im Hotel, kein Auto? Gab gar zum Besten, dass ihrer Kleinfamilie Fr. 2200.– (was deutlich weniger ist als die KOS-Armutsgrenze) – nebst bezahlter Miete, KK-Selbstbehalt, Zahnarztkosten und dergleichen mehr – längst zum Leben genügten. Als sich gar noch die Berner Fürsorgerin etwas irritiert zeigte über die Usanzen der Hilfsorganisationen und eine Anekdote aus ihrem Büro zum Besten gab – iranische Familie, sechs Kinder, beide Eltern vermutlich auf Dauer erwerbsunfähig, vor allem weil kein Deutsch sprechend: Anrecht auf Sozialhilfe: Fr. 6500.– monatlich, exklusive Mietzins (zwei Wohnungen wegen der sechs Kinder!), Arztkosten usw. usf. –, war die Sendung für Krummenacher nicht mehr zu retten.
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Strassen, Gassen, Quais, Brücken, Plätze und Haltestellen in Zürich werden seit dem Jahr 2000 nach den neuen Regeln geschrieben. Damit hatte sich gut leben lassen, bis der Stadtrat den Seebachern ihren Wunsch nach einem Seebacherplatz erfüllte – statt des korrekten «Seebacher Platzes». Mit diesem eigensinnigen Beschluss allerdings taten sich Strassenbenennungskommission (Mitgliederzahl und Sitzungsfrequenz unbekannt), kantonale Stellen und andere Städte im Land schwer: Die ohnehin uneinheitliche Strassenbeschilderung würde noch uneinheitlicher, so scholl die Klage. Doch die von der Stadt Zürich angegangene Duden-Redaktion zeigte Mitleid mit den leidenden Behörden. Bei einer Neuauflage des «Dudens» werde es für den Sonderfall Schweiz eine «schweizerische Lösung» geben, versprach sie. Und siehe da: Unter der Regel K162 der Augustausgabe 2004 heisst es: «In der Schweiz werden Strassennamen, die die Ableitung eines geografischen Namens auf ‹-er› enthalten, gewöhnlich zusammengeschrieben.» Und deshalb wird die Zürcher Badenerstrasse nicht in Badener Strasse umgetauft werden müssen. Und so wird Seebach seinen Seebacherplatz er- und so mancher Beamte seinen Seelenfrieden behalten.
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Zu GWB ist alles gesagt (und in «Fahrenheit 9/11» gezeigt) worden. Positive Über raschungen wird es in den nächsten vier Jahren keine geben. Sowas nennt der positiv denkende Zeitgenosse Stabilität.
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Lohnt sich für 80 Prozent der Schweizer (die übrigen 20 Prozent werden sich – geschieht ihnen recht – ärgern): www.michaelmoore.com
Richard Altorfer
A R S M E D I C I 2 2 q 2 0 0 4 1085