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PHARMA FORUM
Topische Arzneiform bewährt sich bei Kniegelenksarthrose
CLAUDIA REINKE
Die Kniegelenksarthrose gehört zu den häufigsten Erkrankungen bei älteren Menschen und ist mit teils erheblichen Schmerzen, Funktionsverlust und Bewegungseinschränkungen verbunden. Die wichtigste therapeutische Massnahme ist eine effiziente, entzündungshemmende Schmerzbehandlung. Je nach Schweregrad des Krankheitsbilds lassen sich die Arthroseschmerzen nicht nur systemisch, sondern auch mit topisch anwendbaren Antiphlogistika, wie nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR), erfolgreich und nebenwirkungsarm behandeln. Aufgrund ihrer guten Evidenz wird die Anwendung topischer NSAR bei dieser Indikation auch in den aktuellen EULAR-Guidelines empfohlen. Neuere Untersuchungen mit dem topischen Diclofenac-Epolamin-Tissugel (Flector EP Tissugel®), vorgestellt im Rahmen eines Satellitensymposiums am EULAR, Juni 2004 in Berlin, bestätigten erneut die gute Wirksamkeit dieser Formulierung.
Gemäss den aktuellen EULAR-Empfehlungen (2003) sind Erkrankungen wie Arthrose, die mit Beeinträchtigungen der körperlichen Funktionsfähigkeit sowie mit Schmerzen und Entzündungen einhergehen, möglichst massgeschneidert und individuell zu therapieren. Je nach Schwere-
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grad der Beeinträchtigung sind die stets erforderlichen nichtpharmakologischen Massnahmen, wie Gewichtsreduktion und körperliche Aktivitäten, mit pharmakologischen Massnahmen zu kombinieren, wobei, so die Richtlinien, zunächst mit der Gabe von Paracetamol begonnen werden sollte, wie Professor Gerold Stucki, München, in seinen Ausführungen berichtete. Ist damit keine ausreichende Schmerzlinderung zu erzielen, wird als nächster Schritt die topische Anwendung von NSAR empfohlen. Diese ist wirksam, sicher und besser verträglich als die systemische Gabe, die erst in schwereren Fällen indiziert ist, aber bei häufiger und chronischer Anwendung zu den bekannten gastrointestinalen Nebenwirkungen führen kann.
Grenzen und Möglichkeiten der konventionellen topischen ArthroseBehandlung Obwohl topische Formulierungen von NSAR als Bestandteil der EULAR-Empfehlungen zur Therapie von Schmerzen und Entzündungen bei rheumatischen Beschwerden offiziell anerkannt sind und sich bei den Patienten seit jeher grosser Beliebtheit erfreuen, wird die Effizienz der konventionellen äusserlich anwendbaren Arzneiformen, wie Salben, Cremes und/ oder Gele, in Zeiten evidenzbasierter Medizin kritisch hinterfragt. In seinem Statement wies Dr. med. Pius Brühlmann, Zürich, darauf hin, dass sich zwar relativ hohe Arzneimittelkonzentrationen nach topischer Applikation NSAR-haltiger Arzneiformen in Dermis, Subkutis sowie Muskulatur und Synovialgewebe nachweisen lassen. Allerdings treten grosse interindividuelle Schwankungen auf, die sich nur schon durch die individuelle Hautbeschaffenheit und/oder die unterschiedliche Haut-
dicke erklären. Probleme stellen sich darüber hinaus durch unkontrollierbare Parameter, wie die Art der Arzneiform (Salbe, Creme, Gel), die Menge der aufgetragenen Substanz sowie Dauer und Intensität des Einreibens, die sich kaum standardisieren lassen. In einigen klinischen Studien sei zwar über die Wirksamkeit topischer NSAR-Formulierungen positiv berichtet worden, so Brühlmann, allerdings sei bei diesen Arzneiformen von einem relativ hohen Plazeboeffekt auszugehen, der allein schon durch die Einreibezeremonie per se begünstigt würde. Die bei schwereren Arthrosen notwendigen hohen Wirkstoffkonzentrationen sowie der periphere und zentrale schmerzlindernde Effekt systemischer NSAR könne mit diesen topischen Arzneiformen nicht im selben Ausmass erreicht werden. Eine Kombinationstherapie mit systemischen und topischen NSAR könnte sich jedoch in schwereren Fällen als sinnvoll erweisen, wenn so die erforderliche orale Dosis reduziert und die Nebenwirkungsrate gesenkt werden könnte, meint Brühlmann. Allerdings fehlen dazu die entsprechenden Studien. Bei neueren Topika, wie den perkutanen Freisetzungssystemen, zu denen auch das DHEP-Pflaster gehört, diffundiert der Wirkstoff dagegen ohne Zutun des Patienten in konstanter Menge aus der Pflastermatrix in das Gewebe. Unkontrollierbare Parameter, wie die Menge des aufgetragenen Wirkstoffs oder die Einreibedauer und -intensität, fallen deshalb weg.
Diclofenac-Epolamin-Tissugel – signifikante Schmerzlinderung bei Kniearthrose Wie Professor Maria Adele Giamberardino von der Universität Chieti, Italien, berich-
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Topische Arzneiform bewährt sich bei Kniegelenksarthrose
tete, liess sich bereits in früheren Studien zeigen, dass bei bestehender Kniearthrose nicht nur das Gelenk, sondern das gesamte periartikuläre Gewebe bis in tiefere Regionen spürbar sensibel und schmerzempfindlich ist. Durch die topische Applikation eines Pflasters mit 1,3 Prozent Diclofenac-Hydroxyethylpyrrolidin (DHEP) über 24 Stunden liess sich diese Überempfindlichkeit im Vergleich zu Plazebo deutlich bessern, wobei der Effekt bei persistierenden Schmerzen noch ausgeprägter war. Um den Stellenwert der perkutanen antiphlogistischen Behandlung erneut zu testen, wurde in einer weiteren plazebokontrollierten Studie die Wirksamkeit des DHEP-Pflasters bei bilateraler Kniearthrose nach 24- beziehungsweise 72-stündiger Behandlung untersucht (Pflasterwechsel nach jeweils 12 Stunden), wie Giamberardino berichtete. Dazu wurde bei den in die Studie eingeschlossenen 46 Patientinnen (51–76 Jahre) vor und nach der Behandlung mit DHEP-Pflaster (rechtes Knie) beziehungsweise Plazebo (linkes Knie) der Ruhe- und Bewegungsschmerz in beiden Knien mit Hilfe der Visuellen Analogskala (VAS) bestimmt sowie die Schmerzschwelle nach Druckstimulation der periartikulären Muskulatur sowie nach elektrischer Stimulation der Haut, Subkutis und Muskulatur gemessen. Eine signifikante Schmerzminderung bei gleichzeitig erhöhter Schmerzschwelle nach Druckbelastung und elektrischer Stimulation (p < 0,01) zeigte sich bei den mit Verum behandelten Knien bereits nach nur 24stündiger Behandlung, so Giamberardino. Patientinnen, die über 72 Stunden mit DHEP behandelt worden waren, zeigten selbst 96 Stunden nach Entfernung des Pflasters noch eine so signifikante Besserung der Schmerzsymptome, dass keine weitere schmerzlindernde Medikation notwendig wurde. Nebenwirkungen wurden in keinem Fall beobachtet. Der Einsatz des DHEP-Pflasters stelle damit eine ausgesprochen wirksame Behandlung dar, um den Gelenkschmerz sowie die Hypersensibilität des periartikulären Gewebes bis in tiefere Schichten effizient zu lindern, meinte Giamberardino in ihrer abschliessenden Beurteilung. Wirkstoff-Eigenschaften und Arzneiformulierung bestimmen die Wirksamkeit des DHEP-Pflasters NSAR gehören aufgrund ihrer effizienten schmerzlindernden und entzündungshemmenden Wirkungen zu den am häufigsten verwendeten Arzneistoffen in der Behandlung verletzungs- oder rheumatisch bedingter Muskel- oder Skeletterkrankungen. Ihre teils erheblichen gastrointestinalen Nebenwirkungen limitieren allerdings den allzu häufigen Einsatz dieser Medikamente. Durch topische Applikation der NSAR lassen sich diese unerwünschten Effekte – bei erhaltener Wirksamkeit – weitgehend minimieren. Besonders bewährt habe sich hier die perkutane Darreichungsform auf Pflasterbasis, erklärte der Sportarzt Dr. med. P. J. Jenoure, Muttenz, am Beispiel des DHEP-Pflasters (Flector EP Tissugel®). Damit der Wirkstoff Diclofenac über längere Zeit kontinuierlich in das Gewebe diffundieren und dort seine Wirkungen entfalten könne, seien allerdings gewisse Voraussetzungen notwendig gewesen, so Jenoure. So mussten zunächst die physikalisch-chemischen Eigenschaften des Wirkstoffs Diclofenac an die Besonderheiten des perkutanen Systems angepasst werden. Dazu wurde mit DiclofenacHydroxyethylpyrrolidin (DHEP) ein neues chemisches Salz entwickelt, das nicht nur lipophile, sondern auch sehr gute hydrophile Eigenschaften aufweist. Aufgrund dieser Amphiphilie ist die Substanz in der Lage, sowohl mit den lipophilen Zellmembranen als auch mit dem wässrigen Milieu der Zellzwischenräume zu interagieren. Sie kann deshalb rasch bis in tiefere Ge- webeschichten penetrieren, auch ohne einmassiert zu werden. Nach Applikation des Pflasters wird der Wirkstoff (1,3% Epolamin-Salz) aus der semiokklusiven Pflastermatrix über min- destens zwölf Stunden kontinuierlich frei- gesetzt. Damit bietet diese galenische For- mulierung wertvolle Vorteile gegenüber den konventionellen topischen Darrei- chungsformen, wie Gelen oder Salben, da auch bei bloss einmaliger täglicher An- wendung garantiert werden kann, dass der applizierte Arzneistoff stets gleich- mässig und in ausreichender Menge in das Gewebe gelangt. In zahlreichen randomisierten und kon- trollierten klinischen Doppelblindstudien wurden inzwischen die schmerzlindern- den und entzündungshemmenden Eigen- schaften der Pflasterformulierung sowohl bei lokalen rheumatischen Erkrankungen als auch in der Sporttraumatologie bereits mehrfach nachgewiesen, betonte Je- noure. In Übereinstimmung damit stehen auch die Ergebnisse einer Metaanalyse mit zwei plazebokontrollierten Doppel- blindstudien (n=258), die eindeutig be- legt, dass eine zweiwöchige perkutane Behandlung mit dem DHEP-Pflaster bei Gonarthrose zu einer signifikanten Besse- rung der Beschwerden führt. q Quelle: «Management of knee OA: the role of topical treatments»; Satellitensymposium der Firma IBSA, abgehalten anlässlich des Annual European Congress of Rheumatology (EULAR), Berlin, Juni 2004. MedSciences Dr. Claudia Reinke 4051 Basel A R S M E D I C I 2 0 q 2 0 0 4 1029