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STANDESPOLITIK q POLITIQUE DE LA SANTÉ
FORUM
Berufsverbände zwischen gestern und heute
Worin besteht aus politologischer Sicht eine professionelle, effiziente und sachpolitisch vernünftige Verbandspolitik?
REGULA STÄMPFLI
Die Berufsverbände in der Schweiz sind durch die wirtschaftliche Globalisierung und die postnationale Politik mehr und mehr gefordert. Die verbandsinternen Strukturen reichen meistens nicht aus, um effizient, sachbezogen und mit demokratischer Legitimation gute politische Lösungen für den eigenen Verband zu finden und durchzusetzen. Oft begnügen sich die grossen Berufsverbände in der Schweiz damit, den Besitzstand so lange als möglich zu bewahren und das Schlimmste zu verhindern. Diese Politik entspricht aber nur einer kurzfristigen Linderung struktureller Probleme, und sie birgt im Kern die mögliche Destruktion und Auflösung in sich.
Hohe Kommunikationsfähigkeit gegen aussen und hohe Kommunikationsbereitschaft gegen innen
Der moderne politische Entscheidungsprozess basiert heutzutage weniger auf der Repräsentation, das heisst auf der Wahl geeigneter Personen zur Vertretung wichtiger Politiken, sondern immer mehr auf der Kommunikation. Gefragt sind deshalb nicht nur die guten Verbindungen zur Aussenwelt, sondern auch die funktionierenden Netzwerke im Innern. Ein Verbandspräsident mag zwar kraft seines Amts und seines professionellen Gewichts nach wie vor eine wichtige Rolle spielen, reicht aber allein nicht aus, um den Verband als solchen und dessen Anliegen auf allen Ebenen zu vertreten. Zudem garantiert ein starker Präsident allein auch keine funktionierende interne Kommunikation. Ein moderner Berufsverband braucht immer beides: hohe Kommunikationsfähigkeit gegen aussen und hohe Kommunika-
tionsbereitschaft gegen innen. Diese Fähigkeiten können nur durch eine wesentliche Demokratisierung der Verbandsstrukturen und durch die gleichwertige Beteiligung der unterschiedlichen Fraktionen und Gruppen erreicht werden. Ist ein System von «Checks and Balances» durch ausreichende Beteiligung der unterschiedlichen Interessen gegeben, verfügt der Verband gleichzeitig sowohl über eine hohe interne als auch externe Legitimation.
Regionale Repräsentativität ist überholt Wenn wir dies nun auf die konkrete Situation der FMH übersetzen, so fallen folgende Nachteile ins Auge: Die regionale Repräsentativität der Delegationen entspricht nicht mehr den sachbezogenen Politiken, denen sich die Ärztegesellschaft als Berufsinteressenorganisation stellen muss. Nicht der Unterschied zwischen einem Zürcher und einem Genfer Arzt fällt heutzutage mehr ins Gewicht, sondern der Unterschied zwischen den berufsständischen Interessen eines Allgemeinpraktikers und denjenigen eines Chirurgen beispielsweise, von den unterschiedlichen berufsständischen Interessen einer Psychiaterin ganz zu schweigen. Diese sachbezogenen professionellen Divergenzen müssen in einer Berufsdachorganisation auch in entsprechend dossierorientierten Arbeitsgruppen und Kommissionen ihren Ausdruck finden. So fühlen sich alle vertreten und haben auch verbandsinterne Sprachrohre, um ihren unterschiedlichen Politiken Nachdruck zu verleihen. Die Unabhängigkeit der Kommissionen muss zudem garantiert sein, genauso wie auch deren Entscheidungskraft in den sie betreffenden und zu entscheidenden Dossiers.
Die verbandsinterne Legitimation und Effizienz wird dadurch in jedem Fall erhöht. Die wesentlichen Sachgeschäfte werden in Teamarbeit ausführlich behandelt und diskutiert, sodass schliesslich gute Lösungen präsentiert werden können. Damit funktioniert dieser Input von unten nach oben. Voraussetzung für das Funktionieren solcher Modelle ist die demokratische Zusammensetzung des Verbands insgesamt. Dazu gehört die demokratische Zusammensetzung der Exekutive nach politischen und berufsständischen Kriterien (möglichst mit einem Co-Präsidium oder rotierendem Vorsitz, was wiederum hohe verbandsinterne Kommunikationsfähigkeit fördert und fordert) ebenso wie auch die Mitsprache und das Entscheidungsrecht der Kommissionspräsidenten der diversen Sachkommissionen (die ihrerseits von den Kommissionsmitgliedern gewählt und nicht einfach vom Präsidenten ernannt werden!).
«Checks and Balances» Ein moderner Berufsverband stellt sich neuen Herausforderungen am besten mit dem demokratischen Verständnis von politischem Verhandeln unterschiedlicher Interessen in einer Struktur von unten nach oben und einem ausgeklügelten System der «Checks and Balances». Jeder Macht muss eine Gegenmacht zur Seite gestellt werden. In der modernen Mediendemokratie heisst dies auch, dass externe Kommunikation des Verbands gleichzeitig auch interne Kommunikation des Verbands ist. Dies bedeutet aber auch, dass der eigene Verband hinter allgemein beschlossenen Politiken stehen muss, damit die Interessenwahrung funktioniert. Das heisst aber nicht, dass die Pluralität der Interessen verneint wird, im Gegenteil. Die unterschiedlichen Politiken werden kanalisiert, sie erhalten Mitwirkungsrechte und
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Kommunikationsmöglichkeiten. Was resultiert aber daraus, wenn aufgrund der hierarchischen Aufteilung des Verbands die Ausrichtung der Verbandspolitik völlig im Dunkeln oder im Konflikt liegt? Dann wirkt die Präsidenten- oder Vorstandskommunikation nur noch destruktiv. Und zwar gegen aussen als auch gegen innen. Ein Berufsverband ist dann erfolgreich, wenn er seine Mitglieder bei der Stange hält und ihnen Strukturen gibt, demokratisch mitentscheiden zu können; wenn er als Interessenverband Politiken vertritt, die dem eigenen Berufsstand nützen und ihn stärken; und wenn er als Repräsentant einer Berufsgruppe in der dargestellten Öffentlichkeit über ein positives Image verfügt. Wenn wir uns die Situation der Halbgötter in Weiss in den letzten zehn Jahren vor Augen führen, dann fällt die Analyse negativ aus: Die Politiken der Ärztegesellschaft scheinen sowohl intern als auch extern höchst umstritten, politische
Lösungen sind noch lange nicht in Sicht, und das Image der Ärzte hat in der Öffentlichkeit nicht nur durch die Kunstfehler einzelner, sondern auch durch die wahrgenommene Politik der FMH erheblich gelitten. Die Ärztegesellschaft ist, wie übrigens viele andere Berufsverbände in der Schweiz auch, durch die Moderne enorm gefordert. Es wäre an der Zeit, im Land der direkten Demokratie mal über die Grenzen hinauszuschauen und europäische Modelle moderner Verhandlungstechniken, «Checks and Balances» von Macht und Gegenmacht und verbandsinterner Demokratisierung anzuschauen. Strukturreformen sind meistens dann erfolgreich, wenn sie im Rahmen der «collective agreements» stattfinden, das heisst harter Verhandlungen zwischen Geben und Nehmen. Ein Konzept, das oft der helvetischen Rosinenpicker-Mentalität in der Politik diametral widerspricht. Doch die Zeiten, in welchen man sich als Be-
rufsverband in der Politik wie in einem
Selbstbedienungsladen aufführen konnte,
sind unter dem Druck der internationalen
Liberalisierung vorbei.
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Anschrift der Autorin: Dr. phil. Regula Stämpfli
Politikwissenschaftlerin Lindenhofstrasse 12 3048 Worblaufen Tel. 031-921 25 52
Die Autorin unterrichtet am MAZ (Schweizer Journalistenschule) und ist Autorin des Buches «Vom Stummbürger zum Stimmbürger. Das Abc zur Schweizer Politik», Orell Füssli, Zürich 2003.
Dieser Beitrag erschien zuerst in «Synapse» 4/04 (Juni). Der Nachdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung.
ECHO q ÉCHO
Unabhängig?
In dem Interview in ARS MEDICI 15/04 (S.761) mit Herrn Professor Monsch, dem Leiter der Memory Clinic Basel, wird auf eine im «Lancet» erschienene Studie Bezug genommen, welche den Nutzen von Acetylcholinesterasehemmern bei Alzheimer-Patienten in Zweifel zieht. Professor Monsch geht mit dem «Lancet»-Artikel hart ins Gericht. Korrekterweise erwähnt er: «Wir haben selbst an mehreren Studien (inkl. der Zulassungsstudien) teilgenommen...» Da stellt sich für mich
die Frage, inwiefern die Stellungnahme von Professor Monsch als unabhängig zu qualifizieren sei oder ob gegebenenfalls Interessenkonflikte bei seiner Beurteilung der Publikation eine Rolle spielen könnten.
Dr. med. Peter Flubacher Hammerstrasse 177, 4057 Basel
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