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TAGUNGSBERICHT q COMPTE-RENDU DE CONGRÈS
Schmerzbehandlung? Aber sicher!
Verträglichkeit und Wirtschaftlichkeit von COX-2-Hemmern
ANNEGRET CZERNOTTA
COX-2-Hemmer bieten nach-
weislich Vorteile in Bezug auf
die gastrointestinale Toxizität.
Zudem scheinen sie kosten-
sparend zu sein. Kontrovers
diskutiert werden allerdings
die Resultate der kardiorena-
len und kardiovaskulären
Sicherheit. Am Symposium
der Pfizer AG, am Kongress
der Gesellschaft für Innere
Medizin 2004 in Lausanne,
stand deshalb die Sicherheit
der COX-2-Hemmer im Vor-
dergrund.
COX-2-Hemmer werden in der Schweiz seit 1999 zur Schmerzbehandlung eingesetzt. Indikationen liegen zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis, Osteoarthrose, Dysmenorrhoe und akuter Schmerz vor. «COX-2-Hemmer sind in der Schmerzbehandlung ebenso effektiv wie nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR), sie weisen zudem Vorteile in Bezug auf die gastrointestinale Toxizität auf. Die Daten
der VIGOR-Studie (1) haben uns allerdings gezeigt, dass unter COX-2-Hemmern kardiovaskuläre Ereignisse eintreten können», erklärte zu Beginn Professor Alexander So, CHUV, Lausanne. «Medikamente sind in der Schmerzbehandlung rheumatischer Krankheiten essenziell. Unbestreitbar sind allerdings auch biopsychosoziale Aspekte wichtig, bei denen wir uns fragen, wie und wann wir den Patienten in seiner speziellen Situation unterstützen können.» Zunehmend etabliert sich das biopsychosoziale Modell in der Behandlung chronischer, rheumatischer Erkrankungen. Sowohl psychologische als auch psychobiologische Konsequenzen werden im biopsychosozialen Modell dargestellt. «Das bietet die Möglichkeit einer auf den Patienten zugeschnittenen Therapieplanung», meinte So. Evidenzbasierte Studien belegen zudem, dass physische Aktivität den Schmerz verändern kann. In einem Review zur Behandlung der Fibromyalgie zeigte sich ein Rückgang der Schmerzen durch Aerobic. In einer klinischen Studie zur Behandlung chronischer Schmerzen unter Gonarthrose ergab sich ein Rückgang der Schmerzen durch Bewegung. Offene Fragen bestehen laut So aber bezüglich der Bewegungsart. Beispielsweise, ob Aerobic eher schmerzlindernd wirkt als eine andere Bewegungsart, oder ob die Bewegung isokinetisch oder isometrisch sein soll.
Kardiovaskuläre und kardiorenale Sicherheit der COX-2-Hemmer
Werden die konventionellen NSAR und COX-2-Hemmer verglichen, ist die Wasser- und Salzretention für alle NSAR charakteristisch. Deshalb kann es zu Ödemen kommen, die das kardiovaskuläre Risiko ansteigen lassen. Auch der Blutdruck kann
Merk-
sätze
q Medikamente sind in der Schmerzbehandlung rheumatischer Erkrankungen essenziell. Unbestreitbar wichtig ist es auch, die biosoziale und psychobiologische Situation der Betroffenen einzubeziehen.
q Die Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse unter Celecoxib und Valdecoxib ist mit NSAR vergleichbar. Bei Rofecoxib tritt ein dosisabhängiger Effekt auf kardiovaskuläre und renale Ereignisse ein.
q COX-2-Hemmer scheinen im Vergleich mit konventionellen NSAR nicht nur kosteneffektiv zu sein, sondern sogar kostensparend.
unter NSAR um durchschnittlich 5 mmHg – in Abhängigkeit vom jeweiligen NSAR – ansteigen, was eine Risikozunahme für einen Myokardinfarkt und Schlaganfall bedeutet. Die selektiven COX-2-Hemmer unterdrücken gezielt nur die Funktion der Zyklooxygenase-2, die für die Bildung von Prostaglandinen verantwortlich gemacht wird, welche bei Entzündung, Fieber und Schmerz von Bedeutung sind. Die schleimhautschützenden Effekte der COX-1 und die Blutgerinnung werden durch diese Medikamente nicht beeinträchtigt. Allerdings ist COX-1 entscheidend für den Erhalt des Plasmadurchflusses in der Niere und für die glomeruläre Filtration. Der emeritierte Professor G. Porter, Portland, ging der Frage nach, inwieweit COX-2-
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Schmerzbehandlung? Aber sicher!
Hemmer Einfluss nehmen auf Herz und Niere. Seitdem die VIGOR-Studie mit Rofecoxib (Vioxx®) und die CLASS-Studie (2) mit Celecoxib (Celebrex®) publiziert wurden, sind die kardiovaskuläre und kardiorenale Sicherheit der COX-2-Hemmer ein viel diskutiertes Thema. VIGOR hatte gezeigt, dass die Rate kardiovaskulärer Ereignisse unter Rofecoxib, verglichen mit Naproxen (Proxen® u. Generika), doppelt so hoch war, jene der Myokardinfarkte sogar vervierfacht. In der CLASSStudie mit Celecoxib, in der die Einnahme niedrig dosierter ASS (Acetylsalicylsäure) erlaubt war, fanden sich allerdings keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich HerzKreislauf-Erkrankungen im Vergleich zu Ibuprofen (Brufen® u. Generika) und Diclofenac (Voltaren® u. Generika). Die Studienergebnisse hatten aber zu Diskussionen unter Experten geführt. Beide Studien wurden konzipiert, um die gastrointestinale Sicherheit der COX-2-Hemmer zu beweisen. «Es ist fraglich, ob nicht die Dosierung und Dosierungsdauer von 50 mg Rofecoxib pro Tag in VIGOR zu hoch gewesen sind», folgerte Porter. Und wie sieht es in Bezug auf die Hypertonie aus? Porter zitierte die Studie von Whelton (3). In dieser Doppelblindstudie kam es innerhalb von sechs Wochen zu einem signifikanten Blutdruckanstieg und zur Ödembildung unter Rofecoxib, nicht aber unter Celecoxib, insbesondere bei Patienten, die mit einem ACE-Hemmer vorbehandelt waren. In der Studie von Mandini (4) erhöhte sich das Risiko einer dekompensierten Herzinsuffizienz unter NSAR und Rofecoxib, allerdings wiederum nicht unter Celecoxib. Porter sieht auch hier die Behandlungsdauer und die Dosierung von Rofecoxib als das so genannte «Missing Link». Und beim neuen COX-2-Hemmer Valdecoxib (Bextra®)? «Wird die Studie von A. Wheaver et al. (5) herangezogen, zeigt sich zwischen Valdecoxib versus Naproxen kein Unterschied in Bezug auf das kardiovaskuläre Risiko, und beide Medikamente sind gleich effektiv.» Unterschiede zwischen den einzelnen Coxiben sind nach Angaben von Porter
auf die unterschiedliche Pharmakologie zurückführbar. Zusammenfassend hält Porter fest, dass q in kontrollierten Studien zur Arthritis
unter therapeutischen Dosen die Inzidenzen kardiovaskulärer Ereignisse unter Celecoxib und Valdecoxib versus NSAR vergleichbar sind q unter Rofecoxib kardiovaskuläre und renale Ereignisse in Abhängigkeit von der Dosierung eintreten q kardiale und renale Unterschiede zwischen den verschiedenen COX-2-Hemmern auf molekulare Differenzen zurückführbar sind, und nicht auf den COX-2-Effekt.
Kosteneffektivität der COX-2-Hemmer
Neben rein medizinischen Fragen interessieren in der Schmerzbehandlung immer mehr die ökonomischen Aspekte. Zu diesen äusserte sich Fabiola Delcò, Basel. Es gibt drei Typen von Kosten: q direkte Kosten, wie Hospitalisations-
oder Medikamentenkosten q indirekte Kosten, wie Arbeitsverlust,
eingeschränkte Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz q nicht fassbare Kosten, wie Angst oder Unwohlsein. In der amerikanischen Gesundheitsökonomiestudie von Stewart, die 2003 im JAMA publiziert wurde, konnte nachgewiesen werden, dass Kosten in Höhe von 61,4 Mia. $ allein durch Arbeitsabszenz und Arbeitsunfähigkeit durch Schmerzen entstehen. In der europäischen Schmerzstudie (6) zeigte sich, dass Schmerzen grossen Einfluss auf die sozialen Aktivitäten nehmen. «Die ökonomische Bürde durch Schmerzen ist relevant. Wir müssen uns fragen, ob es Strategien zur Kostenreduktion gibt», so Delcò. In der in «Managed Care» 2003 (7) publizierten Studie von Goldberg kostete eine suboptimale Schmerztherapie 843 $ im Vergleich zu 121 $ bei einer optimalen Schmerzbehandlung. Deshalb, so Delcò, stellte sich die Frage, ob durch COX-2Hemmer, die eine geringere gastrointestinale Toxizität als NSAR aufweisen, ebenfalls Kosten eingespart werden können. Studien,
die eine solche Hypothese untermauern, sind wiederum die CLASS- und die VIGORStudie mit statistisch signifikanten Unterschieden in Bezug auf symptomatische Ulzera und Ulzerakomplikationen. Als Vorlage zur Errechnung der gesundheitsökonomischen Kosten diente die Studie von ElSerag (8), die auf einen 55-jährigen Mann mit einem Basisrisiko für klinisch relevante Ereignisse im oberen Gastrointestinaltrakt von 2,5 Prozent und nach Schweizer Medikamentenpreisen umgerechnet wurde. Es zeigte sich, dass durch Celecoxib im Vergleich zum preisgünstigsten Generikum enorme Kosten von 24 866 Franken pro Jahr eingespart werden konnten (nur berechnet auf die gastrointestinalen Nebenwirkungen) – im Gegensatz zu keiner Kosteneinsparung unter konventionellen NSAR. Delcò: «Die ökonomische Bürde der Schmerztherapie ist enorm gross. Es könnte sein, dass eine optimale Schmerztherapie mit COX-2-Hemmern nicht nur kosteneffektiv, sondern sogar kostensparend ist.» q
Referenzen: 1. Bombardier C. et al.: Comparison of upper gastrointestinal toxicity of rofecoxib and naproxen in patients with rheumatoid arthritis. VIGOR Study Group. N Engl J Med 2000; 343: 1520–1528. 2. Silverstein FE. et al.: The CLASS study: A randomised controlled trial. Celecoxib Long-term Arthritis Safety Study, JAMA 2000; 284 (10): 1247–55. 3. Whelton et al.: Am J Cardiol. 2002; 90: 959– 63. 4. Mandini et al.: Arch Intern Med 2003; 163: 401–6. 5. Rheumatol 2002: 41: 1008–1016. 6. Europäische Schmerzstudie 2003, Schmerz: Ein weit verbreitetes Problem in Europa, Internet: www.naps-online.de/Downloads/OrigDoku/ 031016_Schmerz.pdf. 7. Goldberg GA.: Manag Care 2003; 12 (Suppl): 14–7 8. El-Serag HB.: Arch Intern Med 2003; 162: 2105–10
Annegret Czernotta
Interessenkonflikte: Der Bericht enstand mit finanzieller Unterstützung der Pfizer AG. Die Firma hat auf die Berichterstattung keinen Einfluss genommen.
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