Transkript
EDITORIAL q ÉDITORIAL
D ie santésuisse, der Verbund der Krankenkassen, hat mit etwas Verspätung ein Positionspapier (26.5.2004) veröffentlicht* mit dem verlockenden Begleittext: «Der Selbstdispensation stehen die Krankenversicherer nicht grundsätzlich ablehnend entgegen. Allerdings sind die Bewilligungen für die Medikamentenabgabe durch Ärzte an klare Auflagen zu knüpfen.» Das tönt doch schon mal gut. Wenigstens im ersten Teil. Und immerhin werden die Argumente der Ärzteschaft für einmal gleichberechtigt den Argumenten der Apotheker gegenübergestellt. Sogar ein gewisses Wohlwollen für den Standpunkt der selbstdispensierenden Ärztinnen und Ärzte ist herauszuhören. Gerne zitieren wir, beispielsweise: «santésuisse steht für ein wettbewerblich
Lasten der sozialen Krankenversicherung Medikamente abgeben.» Und nachgedoppelt: «An die SDBewilligung soll neu ein zusätzliches Kriterium geknüpft werden: Jeder Arzt, der eine SD-Bewilligung vom Kanton hat, muss zusätzlich eine Vereinbarung mit dem Krankenversicherer haben, damit er Medikamente zu Lasten der obligatorischen Krankenpflege-
«Gsaat isch gsaat»
organisiertes Gesundheitswesen ein. In diesem Sinne halten wir die gesetzliche Bevorzugung eines einzelnen Abgabekanals für nicht adäquat. (…) Bislang hat santésuisse zur Frage der Wirtschaftlichkeit der Abgabekanäle (Apotheke versus selbstdispensierender Arzt) stets die Haltung vertreten, dass die verfügbaren Daten keine klare Aussage erlauben. Aufgrund aktueller politischer Diskussionen, namentlich im Kanton Zürich und in Baselland, drängt sich eine Weiterentwicklung dieser Haltung auf.» Und noch einmal: «Der Selbstdispensation stehen die Krankenversicherer nicht grundsätzlich ablehnend entgegen.»
Schön. Doch leider: Die offensichtlich auch bei den Krankenversicherern eingetretene (oder gewachsene?) Erkenntnis, dass der Abgabekanal Patientenapotheke für Kassen und Patienten günstiger ist als die Apotheke, wird sogleich genutzt für den Versuch, sich mal wieder gewichtig einzubringen. Nicht etwa als neutraler Mittler, sondern als das, was santésuisse am liebsten überall wäre: Kontrollbehörde. Originalton: «Damit ein Arzt zur Medikamentenabgabe zugelassen ist, soll er neu über eine Vereinbarung mit den Krankenversicherern verfügen müssen. Hat er keine Vereinbarung abgeschlossen, darf er nicht zu
versicherung (OKP) abgeben darf.» Das werden einige Politiker gerne hören, und es wird ihnen das Alibi verschaffen, sich auf einmal auf die Vorteile der Selbstdispensation zu besinnen (die sie heimlich ja längst erkannt haben). Kleine Einschränkung: Aber die Aufsicht darüber, dass die Ärzte auch verantwortlich umgehen mit ihrem Privileg, Medikamente verkaufen zu dürfen, muss halt bei den Kassen sein. Alle Macht den Kassenfunktionären. Das passt ins gesundheitspolitische Zerrbild.
Aber seis drum: Im Schaffhausischen, dessen Dialekt der Schreibende nur bedingt mächtig ist, heisst es: «Gsaat isch gsaat.» Und gesagt haben die Verantwortlichen der santésuisse: Die Selbstdispensation ist eine valable und kostengünstige Alternative zur Versorgung über den Apothekenkanal, deren Vorteilen sie sich keineswegs verschliessen möchten. Punkt, Schluss. Wenn der Rest als kassenpolitisch motiviertes rhetorisches Beiwerk erkannt wird, dann ists ja gut.
Richard Altorfer
*Das Dokument finden Sie hier: www.santesuisse.ch/flash.html?vcid=6&cdid=10624
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