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Verletzungen und überlastungsbedingte Schäden am Fuss
Teil 2: Akute Traumata im Mittel- und Vorfussbereich
REINHARD WITTKE
Vorausgegangenes Supinationstrauma und geschwollener Knöchel – da liegt der Verdacht auf eine Aussenbandruptur oder -zerrung auf der Hand. Doch es gibt auch weniger eindrucksvolle Befunde, die trotzdem den Verdacht auf knöcherne Läsionen oder beschädigte Bänder im Bereich von Sprunggelenk oder Vorfuss lenken sollten. Bevor es «Ab zum Röntgen!» heisst, kann der Erstuntersucher mit einer ausgefeilten Untersuchungstechnik diagnostisch schon ein gutes Stück weiterkommen. Und auch für die Therapie – die heutzutage in den meisten Fällen konservativ erfolgt – gibt es einige handfeste Tipps und Tricks.
Die häufigste Verletzung des Sprunggelenks ist die Kapsel-Band-Läsion von der einfachen Distorsion bis zur Zerreissung des Aussen- beziehungsweise Innenbandapparats. Die Sportarten mit grossen Bällen (Fussball, Handball, Basketball, Volleyball ...) führen überproportional häufig zu derartigen Verletzungen. Die äusseren fibularen Bänder reissen sehr viel häufiger als das Deltaband am Innenknöchel. Obgleich kein festes Bewertungsschema existiert, werden üblicherweise drei Schweregrade unterschieden: q Grad I: Einfache Überdehnung der
fibularen beziehungsweise tibialen Bänder ohne Instabilität q Grad II: Das Lig. fibulotalare anterius ist zerrissen, und der Schubladen-Test ist positiv (Abbildung 1) q Grad III: Zusätzliche Ruptur des Lig. fibulocalcaneare mit einer verstärkten Taluskippung im Stabilitätstest (Abbildung 2). Das Lig. fibulotalare posterius ist nur in Ausnahmefällen mit betroffen (zusätzliche hintere Schublade).
Gehaltene Aufnahmen sind «out»
Die Diagnose einer Kapsel-Band-Verletzung stützt sich auf die Anamnese, den klinischen Befund und möglicherweise auf die Arthrosonografie als dynamische Untersuchung des Bandapparats. In der Praxis jedoch lässt der akute Schmerz oft keine exakte Untersuchung zu. Um knöcherne Begleitverletzungen auszuschliessen, sollten dann Röntgenaufnahmen des oberen Sprunggelenks (OSG) in zwei Ebenen angefertigt werden. Die gehaltenen Aufnahmen (besonders in Supinationsstellung) können heute als weit gehend überflüssig betrachtet werden, da die Therapieent-
Merk-
sätze
q Die gehaltenen Aufnahmen (besonders in Supinationsstellung) können heute als weit gehend überflüssig betrachtet werden, da die Therapieentscheidung nur vom Ausmass der klinisch festgestellten Instabilität abhängt.
q Die operative Indikation stellt sich nur bei knöchernen Bandausrissen sowie bei einer chronischen Instabilität des OSG.
q Die konservative Therapie mit Ruhigstellung und Entlastung für sechs bis acht Wochen ist möglich, wenn sich das Fragment noch nicht abgelöst hat.
scheidung nur vom Ausmass der klinisch festgestellten Instabilität abhängt. Diese kann man auch mehrere Tage nach der Verletzung prüfen, wenn die Schwellung abgeklungen ist und der Schmerz nachgelassen hat. Die Taluskippung sowie eine vordere und hintere Schublade müssen immer im Seitenvergleich getestet werden.
Orthese fördert die Rehabilitation
Die operative Versorgung mit Bandnaht und Gipsruhigstellung wurde vor etwa zehn Jahren verlassen zugunsten einer konservativen frühfunktionellen Behandlung (SG-Orthese). Die Behandlung zielt ab auf eine konsequente Verhinderung der Supinations- und Schubladenbewegung sowie der Plantarflexion (Abbildung 3). Unter
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© alle Abb. Dr. Wittke
Abbildung 1: Schubladen-Test zur Diagnose einer Ruptur des Lig. fibulotalare ant.
Abbildung 4: Innenbandruptur mit inkongruentem medialem Gelenkspalt
Abbildung 5: Weber-CFraktur mit Ruptur der Syndesmose, knöchernem Innenbandausriss und Fibulafraktur
Abbildung 6: Operative Versorgung einer Aussenknöchelfraktur mit Syndesmosenstellschraube
Abbildung 2: Mit dem Taluskipp-Test deckt man einen Riss des Lig. fibulocalcaneare auf.
Abbildung 3: Stabilisierende Sprunggelenks-Orthese dieser Behandlungsmassnahme in Kombination mit abschwellenden Verbänden und einer oralen Medikation (NSAR) für einige Tage sowie einer physikalischen Therapie (Lymphdrainagen, Iontophorese) lässt sich ein gleich gutes Ergebnis nach
sechs Wochen wie nach einer Operation erreichen. Der wesentliche Vorteil der konservativen Behandlung besteht darin, dass die Propriozeption des verletzten Kapsel-Band-Apparates nach der Orthesenbehandlung wesentlich schneller wiederhergestellt ist als nach der Operation. Die operative Indikation stellt sich nur bei knöchernen Bandausrissen sowie bei einer chronischen Instabilität des OSG. Auch die isolierte Innenbandruptur bei einem so genannten Eversionstrauma (Auswärtsdrehung des Rückfusses im unteren Sprunggelenk), die aufgrund des wesentlich stabileren Deltabands am Innenknöchel seltener auftritt, wird konservativ behandelt, sofern eine korrekte Gelenkstellung vorliegt. Leitsymptome sind der entsprechende Druckschmerz und die Schwellung im Innenknöchelbereich mit einem Kompressionsschmerz der Knöchelgabel. Beweisend ist der radiologisch klaffende Gelenkspalt zwischen Innenknöchel und Talus (Abbildung 4) bei der in Eversion gehaltenen Aufnahme.
Auf knöcherne Verletzungen achten!
Läsionen der Aussenbänder werden dem Hausarzt am häufigsten begegnen, da Patienten mit schwereren Verletzungen auf-
grund der Funktionseinschränkung des Sprunggelenks und der ausgeprägten klinischen Beschwerden meist sofort vom Unfallort in die Klinik eingewiesen werden. Trotzdem sollte man sich auch bei einem weniger imposanten Befund immer davon überzeugen, dass keine knöcherne Begleitverletzung vorliegt und dass die gelenksnahe Bandverbindung zwischen Tibia und Fibula (Syndesmose) nicht rupturiert ist. Ein deutlicher Druckschmerz über der Aussenknöchelspitze und entlang des unteren Fibulaendes sowie ein Schmerz in der Knöchelgabel, der durch das Beklopfen des Fersenbeins entsteht, lenken den Verdacht auf eine Syndesmosenruptur. Die alleinige Verletzung der Syndesmose ist allerdings selten und wird auch häufig nicht erkannt. Im Röntgenbild lässt sich die Syndesmosenruptur durch eine Verbreiterung des tibiofibularen Abstands diagnostizieren.
Bei Weber C hilft nur Op.
Knöcherne Begleitverletzungen sind häufig und werden nach der Klassifikation von Weber (A–C) eingeteilt. Während bei der Aussenknöchelfraktur nach Weber A (Frakturlinie unterhalb der Syndesmose) nur gelegentlich ein Innenbandriss mit
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Häufige Ursachen akuter Schmerzen im
Mittelfuss-Bereich
q Aussenbandruptur des OSG q Innenbandruptur des OSG q Syndesmosenruptur q Sprunggelenk-Fraktur q Metatarsale-V-Basisfraktur q Osteochondrosis dissecans
Abbildung 7: Osteochondrosis dissecans im lateralen oberen Sprunggelenk
vergesellschaftet ist, so ist dies bei der Weber-B-Fraktur (Frakturlinie in Höhe der Syndesmose) öfter der Fall. Bei der WeberC-Fraktur (Abbildung 5) ist die Syndesmose immer mitverletzt und meist auch das Innenband rupturiert. Die Frakturlinie ist häufig hoch am Wadenbein zu finden (Maisoneuve-Fraktur). Während Weber-A- und -B-Frakturen ohne Syndesmosenverletzung bei guter achsengerechter Stellung konservativ im Gips behandelt werden können, müssen alle anderen Frakturen operiert werden, um eine volle Wiederherstellung der Funk-
tionsfähigkeit des OSG zu erreichen. Dies gilt auch für eine Syndesmosenruptur, wenn ein gleichzeitiger Riss des vorderen und hinteren Anteils vorliegt (instabile Knöchelgabel). Die operative Behandlung besteht in einer Bandnaht mit einer fixierenden Stellschraube (Abbildung 6), die nach sechs Wochen entfernt wird (bis dahin Teilbelastung mit ca. 20 kg).
Bei chronischen Schmerzen nach Gelenkmaus fahnden
Weniger akut und dramatisch, sondern eher schleichend, mit Schmerzen und reduzierter Belastbarkeit des Fusses, verläuft die verletzungsbedingte Herauslösung eines Knorpel-Knochen-Fragments (Gelenkmaus) im OSG, die so genannte Osteochondrosis dissecans (OD). Sie gilt eher als seltenes Ereignis, aber man sollte bei anhaltenden Beschwerden mit rezidivierenden Gelenkergüssen besonders bei Jugendlichen nach einem Supinationstrauma daran denken. Meistens stellt sich der Befund in den Röntgenaufnahmen des OSG ausreichend dar (Abbildung 7), gelegentlich ist jedoch ein MRT zur Klärung notwendig. Die konservative Therapie mit Ruhigstellung und Entlastung für sechs bis acht Wochen ist möglich, wenn sich das Fragment noch nicht abgelöst hat. Operativ kommt die Refixierung mit resorbierbaren Stiften bei günstigen Verhältnissen in Frage, andernfalls die Entfernung des Fragments mit Stimulierung des freiliegenden Knochens durch die so genannte Pridie-Bohrung beziehungsweise ein Knochen-Knorpel-Transfer, zum Beispiel aus dem unbelasteten Areal des Kniegelenks.
Metatarsale-Fraktur durch Sehnenzug
Gelegentlich klagen die Patienten nach einem Inversionstrauma über Schmerzen an der Fussaussenkante in Höhe der Basis des Metatarsale V. Hier ist es dann durch den Zug der Peroneus-brevis-Sehne zu einem knöchernen Ausriss oder Abriss gekommen (Metatarsale-V-Basisfraktur). Falls es sich hierbei nur um einen gering dislozier-
Abbildung 8: Metatarsale-V-Basisfraktur (Jones-fracture) ten Abriss handelt (Abbildung 8), ist die konservative Therapie mit einer vierwöchigen Ruhigstellung im Gips ausreichend. Grössere und dislozierte Frakturen (sog. Jones-fracture) werden wegen der schlechten Heilungstendenz osteosynthetisch mit einer Zuggurtung versorgt.
Abbildung 9: Fixierender Tapeverband bei Zehenfraktur
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Marschfrakturen lassen Zehen schwellen
Bei den akuten Verletzungen im Vorfussbereich sind im Wesentlichen die Frakturen der Metatarsalia und der Zehen zu nennen. Sie entstehen meist durch direkte Gewalteinwirkung, insbesondere bei den Kampfsportarten. Eine Besonderheit stellt die so genannte «Marschfraktur» dar, die als Ermüdungsfraktur im Bereich des 2./3. und 4. Metatarsale in Erscheinung tritt (nach längerer Dauerbelastung). Klinisch besteht ein erheblicher Druckschmerz mit Schwellung über dem betroffenen Zehenstrahl und dem Vorfuss, was das Abrollen des Fusses schmerzbedingt unmöglich macht. Das Röntgenbild sichert die Diagnose, wobei Marschfrakturen in der Nativaufnahme oft stumm bleiben und nur im MRT oder Szintigramm aufgedeckt werden können.
Bei nicht dislozierten Frakturen, insbesondere Schaftfrakturen, ist der Unterschenkelgips (3 Wochen Liegegips, 13 Wochen Gehgips) gerechtfertigt bis zur Ausheilung. Bei Mehrfachfrakturen und verschobenen Brüchen wird die osteosynthetische Versorgung notwendig, um über eine exakte Reposition des Fusses das Quergewölbe zu erhalten. Bei den Zehenfrakturen ist durch die Röntgenaufnahme die Frage zu klären, ob eine Gelenkbeteiligung vorliegt und ob es zu einer Dislokation der Fragmente gekommen ist. Bei unverschobenen Brüchen ist die Fixation mittels Tape an die Nachbarzehe ausreichend (Abbildung 9). Bei luxierten Gelenken wird eine Fixation durch einen Kirschnerdraht und Gipsverband notwendig, um eine Reluxation und Verschiebung zu vermeiden. Dies gilt insbesondere für die Fraktur der Grosszehe, deren anatomische Wiederherstellung wich-
tig ist für das Abrollen des Fusses beim
Gehen und Laufen.
q
Dr. med. Reinhard Wittke Facharzt für Allgemeinmedizin
und Sportmedizin D-95444 Bayreuth
Interessenkonflikte: keine
Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Allgemeinarzt» 17/2003. Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autor.
Teil 1 «Läsionen an der Ferse und im Fussgewölbebereich» ist in ARS MEDICI 17/03, S. 859 ff. erschienen.
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Referenzen: 1) Parving H-H, et al., N Engl J Med; 345:870-878; 2001 2) Lewis E.J. et al., N Engl J Med; 345:851-860;2001
Aprovel®/ Aprovel®Forte: Antihypertonikum, Angiotensin-II Rezeptor Antagonist (Typ AT1). Z: Wirkstoff: Irbesartan, Tabletten zu 150mg bzw. 300mg, IKS-Liste B. I: Behandlung der essentiellen Hypertonie. Zur Behandlung der Nierenerkrankung bei Patienten mit Hypertonie und Typ-II-Diabetes mellitus mit erhöhtem Serumkreatinin oder Mikroalbuminurie oder klinischer Albuminurie als Teil einer antihypertensiven Behandlung. D: Übliche Anfangs- und Erhaltungsdosis: 150mg 1x täglich. KI: Überempfindlichkeit gegen einen Bestandteil des Arzneimittels, Schwangerschaft, stark eingeschränkte Leberfunktion. VM: Schwangerschafts-Kategorie C/D. Flüssigkeits- und/ oder Salzmangel durch voraus-gegangene Diuretikabehandlung, leichte bis mittelschwere Leberinsuffizienz, bilaterale Nierenarterienstenose oder Stenose der Nierenarterie bei Einzelniere. UW: Vergleichbar mit Plazebo. IA: Wenn Aprovel gleichzeitig mit Thiaziddiuretika verabreicht wird, ist der blutdrucksenkende Effekt additiv. P: Tabletten zu 150mg bzw. 300mg: 28 und 98, kassenzulässig. CoAprovel®/ CoAprovel®Forte: Kombiniertes Antihypertonikum, Angiotensin II-Antagonist (Typ AT1), Thiaziddiuretikum. Z: Wirkstoffe: Irbesartan, Hydrochlorothiazid, Tabletten zu150mg bzw. 300 mg Irbesartan /12,5 mg Hydrochlorothiazid, IKS-Liste B. E/W: CoAprovel /CoAprovel Forte ist eine Kombination aus Irbesartan und Hydrochlorothiazid. Die Kombination dieser beiden Komponenten zeigt einen additiven antihypertensiven Effekt. I: Behandlung der essentiellen Hypertonie, wenn mittels Monotherapie ein nur ungenügender Effekt erzielt werden kann. D: CoAprovel/CoAprovel Forte wird 1x täglich unabhängig von den Mahlzeiten eingenommen. KI: Überempfindlichkeit gegen einen Bestandteil des Arzneimittels, Anurie, Schwangerschaft, stark eingeschränkte Leber- und Nierenfunktion. VM: Schwangerschafts-Kategorie C/D. Flüssigkeits- und/ oder Salzmangel durch vorausgegangene Diuretikabehandlung, leichte bis mittelschwere Leberinsuffizienz, bilaterale Nierenarterienstenose oder Stenose der Nierenarterie bei Einzelniere. UW: Kopfschmerzen, Benommenheit, Müdigkeit, Übelkeit, Erbrechen. IA: Keine Interaktionen mit anderen blutdrucksenkenden Mitteln wie Betablockern, Calciumantagonisten mit langer Wirksamkeit und Thiaziddiuretika. P: Tabletten zu 150 mg bzw. 300 mg Irbesartan /12,5 mg Hydrochlorothiazid: 28 und 98, kassenzulässig.
Weitere Angaben im Arzneimittel-Kompendium der Schweiz.