Transkript
FORTBILDUNG q FORMATION CONTINUE
Sinnvolle Schilddrüsenabklärung in der Praxis
Darstellung anhand von Fallbeispielen*
KATHARINA BINZ, KLAUS GANZ
Ungezielte und unnötige Untersuchungen sind teuer und sollen vermieden werden. Anhand einiger häufiger Fallbeispiele aus der täglichen Praxis werden Leitlinien zur sinnvollen Schilddrüsenabklärung besprochen und erklärt. Daneben werden einige Therapieansätze diskutiert, welche häufigen Situationen gerecht werden. Schliesslich geht der Artikel auf die sinnvolle Anwendung der vielen Tests für die Schilddrüsendiagnostik ein.
*Diese Arbeit wurde am 6. März 2003 anlässlich der Jahresversammlung
der Vereinigung der Zürcher Internisten in Zürich präsentiert.
Patientenbeispiele und Falldiskussion
Fallbeispiel 1: Bei einer 63-jährigen Frau finden Sie anlässlich eines Check-ups ein TSH von 7 mU/l (Norm: bis 4,00). Sowohl Thyroxin (T4) als auch Trijodthyronin (T3) liegen innerhalb der Norm. Die Patientin ist seit Jahren übergewichtig, zeitweise müde und depressiv. Seit der Menopause nimmt sie Östrogene ein. Welche der folgenden Möglichkeiten sind richtig? A. Es handelt sich um eine subklinische
Hypothyreose, und unter gewissen Umständen behandle ich sie mit Schilddrüsenhormonen. B. Das erhöhte TSH ist bedingt durch die Einnahme von Östrogenen, welche die Bindungsproteine zusätzlich erhöhen. Eine Behandlung erübrigt sich daher. C. Ich möchte zusätzliche Informationen, etwa den Ultraschall der Schilddrüse (Fragestellung: Struma?) und die antiTPO-Antikörper. D. Ich wiederhole das TSH in sechs Monaten, da sich leichte TSH-Erhöhungen spontan normalisieren können.
Kommentar: Gemäss Definition liegt eine subklinische Hypothyreose vor. Diese Störung ist ausserordentlich häufig: Bei 10 bis 15 Prozent aller Frauen über 60 Jahre und etwa 8 Prozent aller Männer über 60 Jahre findet sich eine subklinische Hypothyreose. Meist handelt es sich um einen Zufallsbefund, und die Mehrheit der Betroffenen ist beschwerdefrei. Vage Beschwerden, wie Müdigkeit, Depression oder eine ungewollte Gewichtszunahme können vorhanden sein. Ob ein generelles Screening empfehlenswert ist, ist umstritten. Sicher
Merk-
sätze (1)
q Das gesamte T4 und nur zirka 10 bis 20 Prozent des T3 werden in der Schilddrüse produziert. 80 Prozent des T3 entsteht durch Dejodierung von T4 in der Leber und in anderen Organen. Diese Umwandlung kann grossen Schwankungen unterliegen. Deshalb ist die Bestimmung von T3 nur selten sinnvoll.
q Über 99 Prozent des T4 und T3 sind an Bindungsproteine gebunden, aber nur der freie Anteil ist metabolisch aktiv. Deshalb ist es fast immer sinnvoll, ausschliesslich die freien Hormonanteile zu messen (fT4 und fT3).
q Die Bestimmung des TSH-Spiegels ist in den meisten ambulanten Fällen ausreichend, um eine Dysthyreose auszuschliessen. Hypophysäre Störungen und Schilddrüsenhormonresistenzen (selten!) werden damit nicht erfasst.
q Anamnese und gründliche Untersuchung sind zur Diagnose einer Dysthyreose und Festlegung der Therapie sehr wichtig. Allerdings sind insbesondere ältere Menschen oft wenig symptomatisch.
q Ein M. Basedow kann bei einer primären Hyperthyreose mit endokriner Ophtalmopathie rein klinisch diagnostiziert werden. Bei fehlender Ophtalmopathie braucht es die Bestimmung der TSH-Rezeptor-Autoantikörper. Nur in seltenen Fällen ist eine Szintigrafie notwendig.
A R S M E D I C I 1 1 q 2 0 0 4 555
FORTBILDUNG q FORMATION CONTINUE
Sinnvolle Schilddrüsenabklärung in der Praxis
Merk-
sätze (2)
q Die häufigste Ursache der primären Hypothyreose ist die chronische Autoimmunthyreoiditis. Die Diagnose wird durch positive anti-TPO(Thyreoperoxidase)-Antikörper gesichert. Negative Antikörper schliessen eine Autoimmunthyreoiditis nicht aus. Eine sonografische Untersuchung kann weitere Hinweise auf die Ätiologie oder das Vorliegen von Herdbefunden geben.
q Eine subklinische Hyperthyreose ist definiert als ein supprimiertes TSH (< 0,3 mU/l) mit im Normbereich liegenden fT4- und fT3; eine subklinische Hypothyreose wird definiert als TSH > 4 und < 10 mU/l (in der Literatur nicht einheitlich angegeben) mit im Normbereich liegenden fT4- (und fT3-) Spiegeln. Die Behandlungsindikation muss individuell beurteilt werden.
q Während der Schwangerschaft ist der Schilddrüsenhormonmetabolismus wesentlich verändert. Die Bestimmung des TSH ist auch hier das hilfreichste Mittel zur Beurteilung von Dysthyreosen. Sowohl für TSH wie für fT4 und fT3 gelten schwangerschaftsspezifische Referenzwerte. Hypo- und Hyperthyreose müssen erkannt und therapiert werden. Die Therapie gehört in die Hände von Spezialisten.
q Viele Medikamente beeinflussen den Schilddrüsenhormonmetabolismus. Dazu gehören u.a. jodhaltige Kontrastmittel, Amiodaron, Thyreostatika, Glukokortikoide, Lithium, Metoclopramid, Droperidol, Barbiturate, Antiepileptika, Fibrate, Propanolol.
sollten Frauen mit hohem Risiko (Familienanamnese, Autoimmunerkrankung) und wahrscheinlich auch schwangere Frauen untersucht werden.
Antwort A: Ein befristeter Therapieversuch kann gerechtfertigt sein, wenn die Patientin eine Behandlung wünscht. Falls es ihr unter einer Thyroxin-Substitutionsbehandlung besser geht, würden wir während sechs bis zwölf Monaten behandeln, dann einen Absetzversuch machen und den Spontanverlauf beobachten. Für eine lebenslängliche Substitution genügt diese Laborkonstellation nicht. Nur etwa 30 Prozent der Patienten entwickeln aus einer subklinischen eine manifeste Hypothyreose. Die Gefahr einer iatrogenen Hyperthyreose ist ebenfalls zu beachten. Falls das TSH > 10 mU/l liegt, wird allgemein von der Notwendigkeit einer langfristigen Substitutionstherapie ausgegangen. Antwort B: Östrogene können durch Erhöhung der Bindungsproteine das Gesamt-T4 und das Gesamt-T3 erhöhen, nicht aber das TSH beeinflussen. Generell sollte man die freien Hormone (fT4, fT3) bestimmen. Antwort C: Ultraschall und anti-Thyreoperoxidase-(anti-TPO)-Antikörperbestimmungen sind nützliche Untersuchungen zum Entscheid, ob eine Therapie sinnvoll oder angezeigt ist. Bei adipösen Patienten kann der Palpationsbefund schwierig sein. Die Sonografie gibt die Grösse (Volumen) der Schilddrüse an. Eine vergrösserte Schilddrüse sollte mit Schilddrüsenhormonen behandelt werden, da das TSH strumigen wirkt. Ausserdem kann die Echostruktur Hinweise auf eine akute Thyreoiditis oder Fibrosierung geben. Erhöhte anti-TPOAntikörper sind typisch für einen Autoimmunprozess der Schilddrüse. Bei bereits leicht erhöhtem TSH ist mit einer weiteren Funktionseinbusse zu rechnen, und die Behandlung ist deshalb bereits im subklinischen Stadium sinnvoll. Die Auswirkungen einer Therapie auf die Serumlipide und die Gesamtmorbidität und -mortalität wird kontrovers beurteilt. Antwort D: Falls man klinisch sicher ist, dass keine Struma vorliegt und auf die Bestimmung der Antikörper bei einer 63-jährigen Frau verzichten will, ist eine TSH-Kontrolle in sechs Monaten sinnvoll, da spontane Normalisierungen häufig sind und schliesslich nur 30 Prozent eine manifeste Hypothyreose entwickeln. Anders
wäre die Situation bei einer 25-jährigen Frau: Ultraschalluntersuchung und Bestimmung der Antikörper (TPO) sowie eine kurzfristigere Wiederholung der TSH-Spiegel (nach 1 bis 2 Monaten) sind obligat.
Fallbeispiel 2: Eine 24-jährige Frau klagt über Schweissausbrüche, Palpitationen, Schlafstörungen, Nervosität und Atemnot bei Anstrengungen. Sie finden einen Puls von 110/min., BD 150/80 mmHg, Schilddrüse symmetrisch diffus vergrössert mit deutlichem «Schwirren», Ruhetremor, feuchte warme Haut, Lidretraktion und Lidödem beidseits. Im Labor finden Sie ein TSH von < 0,002 mU/l, fT4 56 pmol/l (Norm bis 28). Welche weiteren Untersuchungen, welche für die Diagnose, Therapie und Prognose wichtig sein könnten, veranlassen Sie? A. Schilddrüsenszintigrafie B. Bestimmung der TSH-Rezeptor-Auto-
antikörper C. Sonografie der Schilddrüse.
Kommentar: Anamnese und Klinik lassen keinen Zweifel offen. Auch ohne die Laborwerte zu kennen, handelt es sich um eine Hyperthyreose. Das Alter, die Lidödeme und Lidretraktion (ein Graefe-Zeichen kann auch bei anderen Hyperthyreoseursachen vorkommen, hingegen ist die Infiltration und Dysfunktion des Levator palpebrae Basedow-spezifisch) und das Schwirren sind typisch für eine Immunhyperthyreose (M. Basedow). Antwort A: Eine Szintigrafie ist in dieser Situation nicht notwendig. Dennoch wird sie häufig durchgeführt, was für die Patienten zeitraubend und teuer ist. Antwort B: Erhöhte TRAK sind spezifisch für die Immunhyperthyreose. Meist sind beim M. Basedow auch die anti-TPO-Antikörper erhöht (in 80%). In der Regel gehen sie unter einer thyreostatischen Behandlung zurück oder sind nicht mehr nachweisbar. Noch deutlich erhöhte TRAK lassen eine Remission als unwahrscheinlich erscheinen. Die Bestimmung der TRAK ist daher sinnvoll bei der Erstdiagnose und unter thyreostatischer Therapie nach 12 oder 18 Monaten, das heisst vor einem Absetzversuch.
556 A R S M E D I C I 1 1 q 2 0 0 4
FORTBILDUNG q FORMATION CONTINUE
Sinnvolle Schilddrüsenabklärung in der Praxis
Verdacht auf Hyperthyreose
TSH und FT4 Normbereich
TSH tief, FT4 Normbereich
TSH tief, FT4 erhöht
TSH Normbereich oder erhöht und FT4 erhöht
Ausschluss Hyperthyreose
Messung FT3
FT3 Normbereich
Subklinische Hyperthyreose Frühphase Badedow Frühphase einer autonomen Struma
Übermässige T4-Substitution «Euthyroid Sick Syndrome»
Abbildung: Abklärungsalgorithmus bei Verdacht auf Hyperthyreose
erhöhtes FT3
TSH-produzierendes Adenom der Hypophyse
Schilddrüsenhormonresistenz
Autoimmunthyreopathie (Basedow) Autonome Struma
(multi- oder unifokale Autonomie) Iatrogene Hyperthyreose (oder facticia)
Schwangerschaftshyperthyreose Schilddrüsenkarzinom Struma ovarii
Paraneoplast. HCG-Sekretion
Antwort C: Eine Schilddrüsensonografie ist einfach durchzuführen und nicht invasiv. Sie gibt uns ein dreidimensionales Bild, sodass die Volumenbestimmung für spätere Vergleiche zur Verfügung steht. Eine Grössenzunahme der Schilddrüse unter Therapie geht häufig mit fehlender Remission einher und wäre eine ideale Indikation für eine Thyroidektomie. Ausserdem hat das Vorkommen von Knoten bei bekannter Autoimmunthyreopathie diagnostische und therapeutische Konsequenzen. Die Diagnose einer Hyperthyreose (Abbildung ) kann meist klinisch gestellt und muss biologisch bestätigt werden. Typische Symptome sind Anspannung, Nervosität, Irritierbarkeit, Schwäche, Tremor, Palpitationen, Hitzeintoleranz, vermehrtes Schwitzen und Gewichtsverlust (manchmal auch Zunahme bei massiv gesteigertem Appetit). Mögliche Symptome sind vermehrter Stuhlgang, Oligo- oder Amenorrhö, Gynäkomastie und erektile Dysfunktion. Ältere Menschen haben oft nur wenig Symptome. Typische Laborkonstellation: supprimierte TSH- und erhöhte FT4- und FT3-Spiegel. Als Varianten kommen vor: tiefe TSH-
Spiegel, erhöhte FT3- und normale FT4Spiegel (T3-Hyperthyreose) oder tiefe TSH-Spiegel, erhöhte FT4- und normale FT3-Spiegel (T4-Hyperthyreose).
Die vorgestellte Patientin möchte innerhalb der nächsten zwei Jahre schwanger werden. Was raten Sie ihr?
Tabelle 1: Endokrinologische Empfehlungen für die Überwachung der Therapie mit Amiodaron (Cordarone®)
Vor Beginn der Therapie q Persönliche und Familienanamnese betreffend Schilddrüsenfunktionsstörungen q Klinik: Untersuchung der Schilddrüse (Knoten?) q Labor: TSH
Während der Therapie q TSH-Messung mindestens 2–3 x pro Jahr oder im Fall von Zeichen einer Dys-
thyreose. (Falls TSH erhöht: zusätzlich FT4 bestimmen, falls TSH supprimiert: zusätzlich FT4 und FT3 messen.)
Endokrinologische Kontraindikationen für eine Cordarone®-Therapie q Hyperthyreose (alle Ursachen, ausser die iatrogene Hyperthyreose) q Anamnese von Schilddrüsenüberfunktion nach Verabreichen von Jod
(z.B. Kontrastmittel)
Relative Kontraindikation (hohes Risiko) q grosse Struma multinodosa q TSH < 0,6 mU/l
Keine Kontraindikation q Hypothyreose: eine Substitutionstherapie ist auch unter Cordarone® möglich
A R S M E D I C I 1 1 q 2 0 0 4 557
FORTBILDUNG q FORMATION CONTINUE
Tabelle 2: I n d i k a t i o n d e r e i n z e l n e n Te s t s f ü r d i e S c h i l d d r ü s e n d i a g n o s t i k
Test TSH-Spiegel
FT4
FT3
Gute Indikation
q Ausschluss einer Dysthyreose q Nachweis einer primären Hypothyreose q Beurteilung des Therapieerfolges
bei Hyperthyreose q Beurteilung des Therapieerfolges
bei Hypothyreose
q Nachweis einer Hyperthyreose q Nachweis einer Hypothyreose q Verlaufskontrolle bei Hyperthyreose
q Verdacht auf T3-Hyperthyreose
Gesamt-T4 Gesamt-T3 rT3 Calcitonin TRAK (TSI)
Anti-TPO-Antikörper (früher: mikrosomale Antikörper) Anti-TG-Antikörper Thyeoglobulin (TG)
TBG TRH-Test
Sonografie der Schilddrüse
q Nie (Ausnahme: Verdacht auf FDH)
q Experimentelle Bedeutung
q Verdacht auf ein medulläres Schilddrüsenkarzinom (selten!)
q MEN-2 (evt. Stimulationstest)
q Bei Hyperthyreose ohne Augensymptome und Verdacht auf M. Basedow
q Evtl. vor dem Absetzen einer thyreostatischen Therapie bei M. Basedow (umstritten)
q Während einer Schwangerschaft bei Müttern mit bekannter Autoimmunthyreopathie (1. und 3. Trimester), speziell bei operiertem oder radiojodbehandeltem M. Basedow
q Euthyreote Ophtalmopathie (begrenzte Aussagekraft)
q Bei Hypothyreose mit oder ohne Struma (Autoimmunthyreoiditis)
q Bei Struma diffusa unklarer Genese
q In der Nachsorge des Schilddrüsenkarzinoms mit Bestimmung des TG
q Operiertes und/oder radiojodtherapiertes Schilddrüsenkarzinom
q Zur Diagnosestellung einer exogenen Hyperthyreose
q Bei Verdacht auf FDH
q Bei Verdacht auf sekundäre (hypophysäre) Hypothyreose
q Zur Differenzialdiagnose eines ETS von der Hyperthyreose bei klinisch schwer beurteilbaren Patienten (IPS)
q Jede Hyperthyreose q Strumaabklärung und -verlaufsbeurteilung q Verdacht auf solitären Schilddrüsenknoten q De-Quervain-Thyreoiditis (nicht zwingend) q Als Verlaufskontrolle beim Schilddrüsenkarzinom
nach Chirurgie/Radiojod q In Kombination mit der FNP
Keine/schlechte Indikation q In den ersten Monaten
einer Hyperthyreosetherapie q Zum Nachweis einer sekundären
(hypophysären) Hypothyreose
q Zum Ausschluss einer Dysfunktion q Bei schweren Erkrankungen
(Euthyroid Sick Syndrome) q Als Verlaufskontrolle bei Hypothy-
reose (ausser: Schilddrüsenkarzinom) q Nachweis einer Hypothyreose q Unter Therapie mit Thyroxin q Bei schweren Erkrankungen (ETS) q Immer
q Als ungezieltes Screening
q Als Screening q Als Verlaufskontrolle q Bei solitärem Schilddrüsenknoten q Alle anderen q Alle anderen
q Alle anderen q Alle anderen
q Retrosternale/intrathorakale Struma
—> Fortsetzung auf folgender Seite
558 A R S M E D I C I 1 1 q 2 0 0 4
FORTBILDUNG q FORMATION CONTINUE
Tabelle 2: I n d i k a t i o n d e r e i n z e l n e n Te s t s f ü r d i e S c h i l d d r ü s e n d i a g n o s t i k
Test FNP der Schilddrüse
Szintigrafie der Schilddrüse
Gute Indikation
q Jeder solide Schilddrüsenknoten über 1 cm Durchmesser (differenzierte Beurteilung bei der Struma multinodosa)
q Abpunktion einer Schilddrüsenzyste q Gelegentlich zur Diagnosestellung bei unklarer
Thyreoiditis
q Vor einer Radiojodbehandlung (Radiojodstudium)
q Nachsorge des differenzierten Schilddrüsenkarzinoms
q Unklare Hyperthyreosen
Keine/schlechte Indikation
q Orale Antikoagulation (absolute Kontraindikation)
q M. Basedow mit oder ohne Struma q Jede Form von Hypothyreose q Zur Malignitätsabklärung bei Struma
uninodosa oder multinodosa q Prä- und postoperativ q Nach Radiojodtherapie
(ausser: Karzinomnachsorge) q Chronische Autoimmunthyroiditis q Subakute Thyreoiditis De Quervain q Absolute Kontraindikation:
Schwangerschaft und Stillzeit
TSH: thyreoideastimulierendes Hormon. FT4, FT3: ungebundene, freie (aktive) Fraktion. ETS, NTD: Euthyroid Sick Syndrome, nonthyreoidal illness (Veränderung des Schilddrüsenhormonmetabolismus bei schweren extrathyreoidalen Erkrankungen). FDH: Familiar Dysalbuminemic Hyperthyroxinemia (Stoffwechselstörung der Albuminsynthese); rT3: reverse T3 (entsteht, wenn T4 in der «falschen Position» dejodiniert wird), ist biologisch inaktiv. MEN: multiple endokrine Neoplasien (Typ 2: medulläres Schilddrüsenkarzinom, Hyperparathyreoidismus, endokrin aktives Adenom der Nebennieren), kommt familiär oder sporadisch vor. Genetische Abklärung möglich. TRAK (TSI): TSH-Rezeptor-stimulierende Antikörper (Tyreoidea stimulating Immunoglobulin), spezifisch für den M. Basedow, können die Schilddrüsenfunktion stimulieren oder (selten) blockieren. TPO: Thyreoperoxidase. TPO wird an den apikalen Oberflächen der Follikelepithelien exprimiert und katalysiert dort die Iodinierung der Thyreoglobulinmoleküle. TG und Anti-TG-Antikörper: Thyreoglobulin ist der Vorläufer des Schilddrüsenhormons, ein Glykoprotein, welches durch die epithelialen Zellen synthetisiert und in das Lumen der Follikel sezerniert wird. Es wird in den Follikeln gespeichert (Hauptanteil des Kolloids). TBG: Thyroxin Binding Globulin. Hauptbindungsprotein der Schilddrüsenhormone in der Zirkulation. TRH: TSH-stimulierendes Hormon, wird vom Hypothalamus gebildet. FNP: Feinnadelpunktion
A. Zuerst während 12 bis 18 Monaten thyreostatisch behandeln und auf eine Remission hoffen. Unter Thyreostatika darf die Patientin nicht schwanger werden.
B. Unter gleichzeitiger Gabe eines Thyreostatikums und L-Thyroxin darf sie schwanger werden, sobald die Euthyreose erreicht ist. Die Gabe von Thyroxin verhindert, dass der Fötus durch die Wirkung des Thyreostatikums hypothyreot wird.
C. Sobald sie (unter dem Thyreostatikum) euthyreot ist, darf sie schwanger werden. Im Lauf der Schwangerschaft kommt es häufig zu Spontanremissionen.
Kommentar: Bei uns werden insbesondere junge Basedow-PatientInnen im Allgemeinen zuerst während 12 bis 18 Monaten thyreostatisch behandelt. Die Wahrscheinlichkeit einer Remission der Autoimmunkrankheit
nach dieser Zeit liegt bei etwa 40 Prozent. Ob dies einer langfristigen Heilung entspricht, ist nicht sicher belegt. Alternativen zur thyreostatischen Therapie sind die Radiojodbehandlung (131-Iod, ambulante Therapie meist möglich) oder die Operation (totale Thyroidektomie mit nachfolgender Substitutionsbehandlung). Antwort A: Eine Remission tritt zwar nur bei 40 Prozent der Patientinnen ein. Eine thyreostatische Therapie ist aber keine absolute Kontraindikation für eine Schwangerschaft. Eine unbehandelte Hyperthyreose führt zu erheblichen Komplikationsraten in der Schwangerschaft. Die Abortrate ist deutlich erhöht, ebenso die Rate für intrauterine Wachstumsretardierung, Frühgeburtlichkeit, geringes Geburtsgewicht und Eklampsie sowie Präeklampsie. Es gibt hingegen keine sicheren Daten, dass eine unbehandelte Hyperthyreose in der Schwangerschaft zu einer erhöhten Fehlbildungsrate beim Fötus führt. Beim M. Basedow kommt es häufig zum
Rückgang der Hyperthyreose während der Schwangerschaft (vor allem im 2. und 3. Trimester). Die Thyreostatika sind plazentagängig. Unter Carbimazol und Methamizol wurden einige wenige Fälle einer Aplasia cutis congenita beschrieben. Ausserdem gibt es vereinzelte Berichte über fragliche Methamizol-Embryopathien (in der Literatur wird die Wahrscheinlichkeit einer Thiamazol-Embryopathie mit 1:1000 bis 1:10 000 angegeben). Da Propylthiouracil in geringerem Mass durch die Plazentarschranke gelangt, wird dieses Medikament in der Schwangerschaft bevorzugt. Eine erhöhte Missbildungsrate ist ausserdem nicht beschrieben. Antwort B: Die Kombinationstherapie Thyreostatikum und L-Thyroxin («block and replace») ist kontraindiziert, da das Thyreostatikum die Plazenta passiert, nicht aber das zugeführte Schilddrüsenhormon. Antwort C: Sobald die Euthyreose unter der Therapie (Propylthiouracil, initiale Dosis 3-mal 100–150 mg/Tag) erreicht ist,
A R S M E D I C I 1 1 q 2 0 0 4 559
FORTBILDUNG q FORMATION CONTINUE
Sinnvolle Schilddrüsenabklärung in der Praxis
besteht keine absolute Kontraindikation für eine Schwangerschaft. Die fetale Schilddrüse beginnt etwa ab der zehnten Schwangerschaftswoche Schilddrüsenhormon zu bilden. Die Dosis des Thyreostatikums muss so niedrig wie möglich gehalten werden, da es zumindest zum Teil (Thiamazol 70 bis 100%, Propythiouracil ca. 30%) die Plazentarschranke passiert und so die fötale Schilddrüsenhormonproduktion stark hemmen könnte. Glücklicherweise kommt es, wie oben gesagt, im Lauf der Schwangerschaft häufig zu einer Spontanremission, sodass die thyreostatische Therapie abgebrochen werden kann. Postpartum kommt es oft zu einem Rezidiv. Auch unter Thyreostatika darf gestillt werden (bis 4 Tabl. täglich), wieder gilt die Präferenz Propylthiouracil, da es zu geringerem Grad in der Muttermilch ausgeschieden wird. Ausserdem gilt es zu beachten, dass die TRAK plazentagängig sind und deshalb beim Neugeborenen eine Hyper- oder Hypothyreose (selten, bei blockierenden TRAK) auslösen können.
Fallbeispiel 3: Einem 69-jährigen Patienten verschreiben Sie wegen supraventrikulären Rhythmusstörungen Amiodaron. Was müssen Sie beachten? A. Amiodaron kann zu einer Hypo-
thyreose führen. B. Amiodaron kann zu einer therapie-
resistenten Hyperthyreose führen. C. Regelmässige Kontrollen der Schild-
drüsenfunktion sind angezeigt.
Kommentar: 200 mg Amiodaron enthält etwa 75 mg Jod in organischer Form (etwa 10% davon wird in freies Jodid umgewandelt).
Der tägliche Jodbedarf eines Erwachsenen liegt bei etwa 0,2 mg pro Tag. Amiodaron und seine Metaboliten beeinflussen den peripheren Schilddrüsenhormonmetabolismus und auch die Synthese und Sekretion der Schilddrüsenhormone in der Schilddrüse selber. Antwort A: Der hohe Jodgehalt im Amiodaron kann zu einem intrathyroidalen Jodexzess führen, welcher für eine Suppression der Hormonsynthese verantwortlich gemacht werden kann. Patienten mit familiären Schilddrüsenerkrankungen und/ oder nachweisbaren Schilddrüsenautoantikörpern sind gefährdeter. Eine dauerhafte Hypothyreose tritt in 1 bis 32 Prozent der behandelten Patienten auf und ist häufiger in Gebieten mit ausreichender Jodversorgung. Sie tritt vor allem zu Therapiebeginn auf. Die Therapie mit Amiodaron kann weitergeführt und eine vorsichtige Thyroxintherapie kann begonnen werden (initial 25 µg/Tag). Antwort B: Die Hyperthyreose tritt in 1 bis 23 Prozent der behandelten Patienten auf und ist häufiger in Jodmangelgebieten, bei Patienten mit Knotenstrumen und bei einem tiefen TSH Spiegel vor Therapiebeginn. Sie kann jederzeit aufflammen, auch noch Monate nach dem Absetzen des Antiarrhythmikums. Amiodaron kann sowohl eine jodinduzierte Hyperthyreose bewirken wie auch eine Thyreoiditis verursachen. Jedenfalls müssen das Amiodaron abgesetzt und Thyreostatika verordnet werden. Der Verlauf entscheidet über die weitere Therapie. Die Hyperthyreosen unter Amiodaron sind oft relativ therapieresistent und können einen Patienten mit vorbestehenden Rhythmusstörungen und möglicherweise Kardiopathie in Gefahr bringen.
Antwort C: Es ist wichtig, dass vor und während der Therapie die TSH-Spiegel regelmässig kontrolliert werden (mindestens 2- bis 3-mal pro Jahr). Die Interpretation der fT4- und fT3-Spiegel verlangt Erfahrung (je nach Dauer der AmiodaronBehandlung sind unterschiedliche Resultate zu erwarten), die TSH-Spiegel können jedoch, abgesehen von den ersten zwei bis drei Therapiemonaten, als repräsentativ angesehen werden. Die Tabelle 1 gibt einige Empfehlungen für die Behandlung mit Amiodaron. Die Tabelle 2 fasst die verschiedenen Untersuchungsmöglichkeiten bei Schilddrüsenerkrankungen zusammen und kommentiert deren sinnvolle Anwendung. q
Literatur kann beim Verlag angefordert werden (info@rosenfluh.ch).
Dr. med. Katharina Binz-Siegmann FMH Endokrinologie-Diabetologie
Stockerstrasse 42 8002 Zürich
E-Mail: katharina.binz@bluewin.ch
Dr. med. Klaus Ganz FMH Endokrinologie-Diabetologie
Stockerstrasse 42 8002 Zürich
Interessenkonflikte: keine
560 A R S M E D I C I 1 1 q 2 0 0 4