Transkript
CongressSelection
App berechnet Prostatagesundheit
T äglich wird bei etwa 15 Männern in der Schweiz Prostatakrebs diagnostiziert, häufig in einem späten, prognostisch ungünstigen Stadium. Um Männer ab 45 Jahren für diesen Krebs zu sensibilisieren, hat die Stiftung Prostatakrebsforschung Schweiz die ProstateCheck-App für Android und iOS herausgebracht. Die App beruht auf Daten der Schweizer Prostatakrebs-Vorsorge-Untersuchung, die Teil der European Randomized Study of Screening for Prostate Cancer (ERSPC) ist. Daran haben in einem Beobachtungszeitraum von 14 Jahren über 10 000 Männer teilgenommen. Anhand medizinischer Daten wie dem PSA, dem Alter und der familiären Vorbelastung berechnen Algorithmen die Wahrscheinlichkeit eines behandlungsbedürftigen Tumors sowie die Wahrscheinlichkeit der Entwick-
lung eines Prostatakrebses in den kommen-
den Jahren. Laut Stiftung Prostatakrebs pro-
fitieren neben Männern ab 45 Jahren beson-
ders Labors sowie Haus- und Fachärzte von
der App.
«Mit der ProstateCheck-App sollen einerseits
Männer an ihre Prostatavorsorge erinnert
werden, andererseits sollen damit unnötige
Abklärungen verhindert werden», so Prof. Dr.
Franz Recker, Vorstand der Stiftung Prostata-
krebsforschung Schweiz und Chefarzt der
Klinik für Urologie am Kantonsspital Aarau.
Die kostenpflichtige App steht in den App-
Stores von Apple und Android als Download
zur Verfügung.
RH
Quelle: Plenary Session 2: «Prostate Cancer», anlässlich des EAU-Jahreskongresses, 20 bis 24. März 2015 in Madrid.
Kongressnotizen
Metformin, ASS und Familienanamnese:
Einfluss auf Mortalität beim PCa
Hat das orale Antidiabetikum Metformin einen Effekt auf die Inzidenz und Mortalität beim PCa? Zur Klärung dieser Frage wurden in der populationsbasierten Screeningstudie ERSPC Aarau über 4300 Männer während einer durchschnittlichen Periode von 7,3 Jahren beobachtet, davon nahmen 150 (3,5%) zu Studienbeginn Metformin ein. Im Ergebnis bestanden keine signifikanten Unterschiede bei den PSA-Werten oder der PCa-Inzidenz zwischen beiden Gruppen, so Dr. Marco Randazzo, Zürich, und Mitarbeiter in einem Poster. Diejenigen Männer, die Metformin einnahmen, hatten jedoch ein signifikant höheres Risiko für die Gesamtmortalität. Immer wieder wird die Einnahme von Acetylsalicylsäure (ASS) mit einem antineoplastischen Effekt in Verbindung gebracht, auch beim PCa. In einer dänischen populationsbasierten Fallkontrollstudie, die von Signe Benzon Larsen, Kopenhagen, und Mitarbeitern mit einem Poster vorgestellt wurde, wurden über 37 000 PCa-Fälle und 185 971 Kontrollpersonen ausgewertet; die Einnahme von niedrig dosiertem ASS betrug 27,8 Prozent bei den Patienten und 28,5 Prozent bei den Kontrollen. Wie die Analyse zeigte, konnte kein präventiver Effekt von ASS (75–150 mg täglich) auf die Entwicklung eines PCa gezeigt werden, allerdings war eine langfristige ASS-Einnahme von ≥ 10 Jahren mit einem leicht verringerten PCa-Risiko verbunden.
Des Weiteren untersuchte der Schweizer Arm der European Randomized Study of Screening for Prostate Cancer (ERSPC Aarau), ob ein systematisches PSA-Screening bei Männern mit positiver PCa-Familienanamnese (FH) zu höheren PCa-Detektionsraten gegenüber Männern mit negativer FH führt. In der Studie hatten von über 4900 untersuchten Männern 334 (6,8%) eine positive FH. Die kumulative Inzidenz eines PCa während einer medianen Nachbeobachtungsperiode von 11,6 Jahren betrug 60 (18%) bei Männern mit positiver FH und 550 (12%) bei denjenigen mit negativer FH. Wie die Analyse zeigte, war beim systematischen PSA-Screening die Wahrscheinlichkeit für eine PCa-Detektion bei Männern mit positiver FH 1,6-fach höher als in der Vergleichsgruppe, wie die Arbeitsgruppe um Randazzo in einem weiteren Poster berichtete. Die meisten entdeckten PCa-Fälle hatten jedoch einen niedrigen Malignitätsgrad, und eine positive FH war kein unabhängiger Risikofaktor für die Diagnose eines aggressiven PCa. RH
Quellen: Poster Nr. 14 von Benzon Larsen S et al. Does aspirin effect the risk of prostate cancer – a population-based study. Poster Nr. 15 von Randazzo M et al. Association of metformin use on prostate cancer incidence in a prospective screening trial. Poster Nr. 116 von Randazzo M et al. Family history as a risk factor for prostate cancer in a contemporary screening trial – results of the Swiss ERSPC (Aarau). Posterpräsentationen beim EAU-Jahreskongress, 20. bis 24. März 2015 in Madrid.
Erektionsstörungen nach radikaler Prostatektomie
Eine vollständig wiederhergestellte erektile
Funktion scheint nach einer radikalen Prostat-
ektomie nicht so häufig vorzukommen wie bis-
her angenommen. Das ergab eine Analyse von
210 sexuell aktiven Männern im Durch-
schnittsalter von 65 Jahren, die vor durch-
schnittlich 23 Monaten operiert worden waren.
Wie die Arbeitsgruppe um Dr. Mikkel Fode vom
Herlev Hospital, Herlev, Dänemark, berichte-
ten, wurde eine mögliche postoperative erek-
tile Dysfunktion mit dem zu diesem Zweck üb-
licherweise eingesetzten Standardfragebogen
IIEF (International Index of Erectile Function)
bewertet, der jedoch für die spezielle Situation
bei PCa-Patienten nicht validiert ist. Deshalb
wurde dem IIEF-Fragebogen die Frage «Ist
Ihre erektile Funktion so gut wie vor der Ope-
ration (ja/nein)?» hinzugefügt.
Dem Ergebnis zufolge gaben auf diese Frage
nur 14 Patienten (6,7%) an, dass ihre Erek-
tionen so gut wie vor der radikalen Prostatek-
tomie waren. Im Gegensatz dazu berichteten
40 Männer (23,3%) über keine Abnahme der
sexuellen Funktion im IIEF-Score. Demnach ist
den Autoren zufolge eine Erektion gleicher
Qualität wie vor der OP selten, etwa 93 Prozent
haben postoperativ sexuelle Probleme, die
durch den IIEF-Score nicht immer erfasst
werden.
RH
Quelle: Poster Nr. 629 von Fode M et al. Erectile function after radical prostatectomy – do patients return to baseline? Posterpräsentation beim EAUJahreskongress, 20. bis 24. März 2015 in Madrid.
6 Urologie • Juni 2015
Kongressnotizen
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Breaking News: Update zu Enzalutamid
Während der Late-Breaking-News-Sitzung präsentierte Prof. Dr. Bertrand Tombal, Brüssel, die neuesten Auswertungen der randomisierten Phase-III-Studie PREVAIL mit 1717 chemotherapienaiven Patienten mit metastasiertem PCa, deren Erkrankung unter einer Androgendeprivationstherapie (ADT) progredient verlief. Die Studie hat zum Ziel, die Effektivität von Enzalutamid (160 mg, 1-mal täglich) gegenüber Plazebo zu prüfen. Im Ergebnis kam es bisher unter dem Androgen-Rezeptor-Inhibitor zu einem signifikanten Vorteil beim Gesamtüberleben mit einer 23-prozentigen relativen
Risikoreduktion für Sterblichkeit. Die Studie zeigt weiterhin, dass eine Chemotherapie verzögert eingesetzt werden kann. Die objektive Ansprechrate lag der neuen Analyse zufolge bei 59 Prozent. Tombal schloss aus den Daten, dass bei einem Therapiebeginn bei noch asymptomatischen Patienten Enzalutamid eine symptomatische Erkrankung signifikant verzögern und das Leben verlängern kann. Auch die Phase-II-Studie TERRAIN mit 375 Patienten mit frühem mCRPC (metastasierendes kastrationsresistentes Prostatakarzinom) konnte zeigen, dass unter Enzalutamid
gegenüber der Standardtherapie mit Bicalutamid plus LHRH-Therapie ein besseres Ergebnis erzielt wurde. Laut Prof. Axel Heidenreich, Aachen, kam es gegenüber Bicalutamid zu einer signifikanten medianen Zunahme des progressionsfreien Überlebens (15,7 vs. 5,8 Monate). 82 Prozent der Patienten im Enzalutamidarm erreichten eine Verringerung der PSA-Werte ≥ 50 Prozent in Woche 13 gegenüber 21 Prozent im Vergleichsarm. RH
Quelle: Session «The latest on prostate and PCa», Late breaking news LBA2 am EAU-Jahreskongress, 20. bis 24. März 2015 in Madrid.
Stellenwert der MRI beim PCa-Screening?
E in Screening auf PCa mithilfe des PSA ist bekanntlich mit einer Über- und einer Unterdiagnose verbunden. Eine Strategie mit Hinzunahme der Magnetresonanztomografie (MRI) hat das Potenzial, die Genauigkeit der Diagnose zu verbessern. Im schwedischen Arm der ERSPC-Studie wurden 124 Männer mit einem PSA ≥ 1,8 ng/ml vor einer Prostatabiopsie mit einer kontrastmittelverstärkten MRI untersucht; Studienteilnehmer mit verdächtigen Läsionen beziehungsweise einem PSA ≥ 3 ng/ml wurden einer Biopsie zugeführt.
Insgesamt wurden bei diesen Männern durch die Biopsie 28 PCa-Fälle entdeckt, berichteten Anna Grenabo Bergdahl und Mitarbeiter aus Göteborg, Schweden. Die Genauigkeit der PCa-Detektion bei einem PSA ≥ 1,8 ng/ml plus MRI war signifikant besser als die Diagnostik über einen PSA-Wert ≥ 3 ng/ml allein. Demnach scheint eine Screening-Strategie mit einem niedrigen PSA-Schwellenwert und einer gezielten Biopsie bei MRI-positiven Männern das Potenzial zu haben, die Diagnose zu verbessern und Überdiagnosen zu verringern. Jetzt sollen diese Ergebnisse
in einer randomisierten Studie mit 40 000
Männern validiert werden. Dazu kommen-
tierte Prof. Dr. Manfred Wirth, Dresden, dass
der Einsatz der MRI zum Routine-Screening
gegenwärtig als nicht kosteneffektiv anzuse-
hen ist.
RH
Quelle: Grenabo Bergdahl A et al.: «Role of magnetic resonance imaging in prostate cancer screening; results from a pilot study within the Gothenburg randomized screening trial», Poster Nr. 760 anlässlich des EAU-Jahreskongresses, 20. bis 24 März in Madrid.
Todesursache beim PCa altersabhängig
D as Alter der Patienten und die Zeit nach einer radikalen Prostatektomie (RP) wegen eines Hochrisiko-PCa haben einen signifikanten Einfluss auf die Todesursache. In einer internationalen, multizentrischen Studie, an der auch die Universität Bern beteiligt war, wurden die Daten von 612 Männern im Alter unter 60 Jahren ausgewertet. Die mediane Nachbeobachtungsperiode betrug 89 Monate. Ein Hochrisiko-PCa war definiert durch mindestens eines der folgenden Charakteristika: PSA > 20 ng/ml, Stadium cT3 oder höher und Gleason-Score 8–10 in der Biopsie.
Nach den ersten postoperativen 5 Jahren betrug die Mortalitätsrate aufgrund des PCa 7,3 Prozent, nach 8 Jahren 6,7 Prozent und nach 10 Jahren 5,3 Prozent. Demgegenüber lagen die Mortalitätsraten aufgrund anderer Ursachen bei 2,6, 5,8 und 9,9 Prozent. Daraus schliessen die Autoren, dass während der ersten 10 Jahre nach RP das PCa die Hauptursache für Sterblichkeit ist, danach kommen andere Ursachen hinzu. Dazu sagte Erstautor Dr. Marco Bianchi, Mailand, dass bei jüngeren Patienten während der ersten 10 Jahre nach RP eine engmaschige Überwachung bezüglich eines möglichen Karzi-
nomrezidivs erfolgen sollte. Jeder Patient be-
nötige eine personalisierte reguläre Überwa-
chung, bei der der Urologe nicht nur das
PCa, sondern auch den allgemeinen Ge-
sundheitszustand des Patienten berücksich-
tigen sollte.
RH
Quelle: Poster Nr. 634 von Bianchi M et al. Longterm survival patterns of young patients with high risk prostate cancer treated with radical prostatectomy. Results of a multi-institutional, conditional survival analysis. Posterpräsentation beim EAUJahreskongress, 20. bis 24. März 2015 in Madrid.
Urologie • Juni 2015
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