Transkript
POLITFORUM
Xundheit in Bärn
INTERPELLATION vom 20.3.2015
Viszeralchirurgie: Gefährliche Roboter
Jean-François Steiert Nationalrat SP Kanton Freiburg
Vorstellung der Interpellation siehe auch ARS MEDICI 10/2015
Laut einer Untersuchung des Westschweizer Fernsehens hat die amerikanische FDA in den vergangenen zehn Jahren über 200
Todesfälle verzeichnet, die auf den Einsatz von Da-Vinci-Robotern in der Viszeralchirurgie zurückzuführen sind. Die FDA soll das Herstellerunternehmen Intuitive Surgical mit formellem Sitz in Aubonne mehrfach verwarnt haben. Im Rahmen von Sammelklagen gingen in den USA über 3000 Klagen ein. Die Swissmedic verweigert die Information über ähnliche Fälle in der Schweiz. Angesichts der Anzahl ähnlicher Roboter, die in der Schweiz eingesetzt werden,
und der Zweifel, die verschiedene Verantwortliche aus Schweizer Spitälern hegen, bitte ich den Bundesrat um Antwort auf folgende Fragen: 1. Hat er Kenntnis von ähnlichen
Fällen in der Schweiz? 2. Warum verweigert die Swiss-
medic trotz Transparenzregeln und Auskunftsrecht jegliche Information zu diesem Thema? 3. Welche Massnahmen zur Schaffung von Transparenz würde der Bundesrat ergreifen, wenn die
zuständigen Behörden in der Schweiz solche Fälle nicht ausschliessen können oder von solchen Fällen Kenntnis haben? 4. Will er, damit in der Schweiz ähnliche Fälle vermieden werden können, Massnahmen treffen, indem er, wenn nötig, Regeln zum Einsatz solcher Roboter oder zur Ausbildung von deren Nutzerinnen und Nutzern aufstellt? Welche Massnahmen will er treffen?
Und hier die Antwort des Bundesrates vom 27.5.2015
1./2. Beim angesprochenen Medizinprodukt handelt es sich um einen Operationsroboter. Dieser Roboter «da Vinci» wird unter anderem in der Urologie zur Durchführung minimalinvasiver Operationen insbesondere der Prostata quasi als verlängerter Arm des Chirurgen eingesetzt. In den USA ist es in Zusammenhang mit dem Einsatz des Operationsroboters «da Vinci» zu teilweise schwerwiegenden Schädigungen von Patienten und Patientinnen und in der Folge eingereichten Haftungsklagen gekommen. In der Schweiz finden sich aktuell 27 dieser Roboter im Einsatz, die ersten seit 2001. Hersteller und Anwender sind rechtlich verpflichtet, den nationalen Marktüberwachungsbehörden (EU, Efta/EWR, Schweiz) als für die Überwachung zuständige Behörde schwerwiegende Vorkommnisse mit Medizinprodukten zu melden. Seit 2001 wurden Swissmedic keine vergleichbaren Fälle, namentlich auch keine Vorkommnisse mit Todesfolge gemeldet. Die Regelung bei den Medizinprodukten unterscheidet sich grundsätzlich von derjenigen für Arzneimittel. Das Abkommen Schweiz–
EU über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen erlaubt Schweizer Behörden die Teilnahme am Marktüberwachungssystem der EU sowie Schweizer Medizinprodukteherstellern den gleichen Zugang zum EU-Markt wie Mitbewerbern aus den EU-Mitgliedstaaten. Aufgrund der zwischen der EU und der Schweiz hierfür vereinbarten Äquivalenz der Vorschriften orientiert sich die Schweiz unter anderem bezüglich einheitlicher Erhebung und Vertraulichkeit von VigilanceDaten an den Rechtsgrundlagen der EU. Weiter kommen in Bezug auf Schweigepflicht und Vertraulichkeit von Daten die heilmittelrechtlichen Bestimmungen zur Anwendung. Folglich werden keine Daten zu Vigilance-Meldungen von Medizinprodukten bekannt gegeben. Aktuell findet in der EU eine Diskussion über eine erhöhte Transparenz bezüglich dieser Daten statt. Es ist wahrscheinlich, dass das System Änderungen erfahren wird.
3. Swissmedic sammelt als nationale Überwachungsbehörde die Meldungen zu schwerwiegenden Vorkommnissen aus dem Schwei-
zer Markt und wertet diese aus. Das Institut überwacht zudem, ob die Hersteller, basierend auf den Erkenntnissen aus dem Markt, notwendige korrigierende Massnahmen, unter anderem sogenannte Field Safety Corrective Actions (FSCA), einleiten und umsetzen. Wenn der Hersteller seiner Verpflichtung, eigenverantwortlich die notwendigen Korrekturen umzusetzen, nicht nachkommt, wird die Korrektur durch die Behörden erzwungen. Hierbei kann bei entsprechender Datenlage aus Gründen der Produktesicherheit die CE-Zertifizierung entzogen, das Inverkehrbringen eines Produktes europaweit unterbunden und ein Rückruf der Produkte vom Markt angeordnet werden. Korrigierende Massnahmen betreffend Medizinprodukte (FSCA) werden von Swissmedic wöchentlich publiziert. Zum «da Vinci»Roboter hat Swissmedic seit 2001 insgesamt 17 FSCA veröffentlicht. Diese beinhalteten zum Beispiel die Überarbeitung der Gebrauchsanweisung aufgrund von Anwenderfehlern, welche zu schwerwiegenden Vorkommnissen im Ausland geführt haben; des Weiteren die Vor-Ort-Überprüfung von Instrumentenarmen, deren Reparatur oder Austausch erforderlich
wurde, nachdem festgestellt worden war, dass auftretende Reibungen das einwandfreie Funktionieren der Instrumente beeinträchtigen könnten.
4. Die Anwender der Produkte sind ihrerseits zuständig – gestützt auf die Vorgaben der Hersteller –, Verbesserungsmassnahmen vor Ort umzusetzen. Im konkreten Fall sind dies die zuständigen Stellen in den Spitälern. Diesen obliegt auch die Verantwortung für die Instandhaltung (regelmässige Wartung) von Medizinprodukten und die ausreichende Schulung der Operateure unter Nutzung der Schulungsangebote des Herstellers. Die Wichtigkeit einer ausreichenden Schulung der Anwender zeigt auch eine Analyse der französischen Behörde bezüglich schwerwiegender Vorkommnisse beim Einsatz des «da Vinci»-Roboters in Frankreich. Diese hat ergeben, dass nicht eine mangelnde Qualität der Roboter, sondern die ungenügende Schulung der Chirurginnen und Chirurgen die Hauptursache für auftretende Komplikationen war.
Stand der Beratungen: Im Rat noch nicht behandelt.
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ARS MEDICI 12 I 2015
POLITFORUM
INTERPELLATION vom 19.3.2015
Kick-backs unter Ärzten
Jürg Stahl Nationalrat SVP Kanton Zürich
Anfang des Jahres 2015 wurde bekannt, dass es offenbar mehr Fälle als bisher angenommen gibt, in welchen Ärzte gegen Geld Spezialisten und Kliniken vermitteln:
1. Sind dem BAG solche Fälle von Kick-backs bekannt?
2. Sind strafrechtliche Schritte unternommen worden? Wenn nein, warum nicht?
3. Was für Möglichkeiten gibt es, damit solche nicht vorgesehenen Kick-back-Zahlungen gemeinsam und unter Federführung der Standesorganisationen vermehrt geahndet und sanktioniert werden können?
4. Könnte die partielle Aufhebung des Vertragszwangs dabei nicht Abhilfe schaffen und somit die Qualität des Gesundheitswesens verbessern?
Dies die Antwort des Bundesrates vom 5.6.2015
Die Thematik der sogenannten Kick-backs an den zuweisenden Leistungserbringer wurde in mehreren Vorstössen aufgeworfen. Der Bundesrat erlaubt sich daher, die Fragen in derselben Weise zu beantworten. Die zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung tätigen Leistungserbringer sind verpflichtet, im Interesse der Patientin oder des Patienten zu handeln und sich dabei an das Wirtschaftlichkeitsgebot zu halten. Sie beachten dabei die gesetzlichen Grundsätze der Wirksamkeit, der Zweckmässigkeit und der Wirtschaftlichkeit sowie die Qualität der erbrachten Leistungen. Diese Regeln gelten auch bei einer Überweisung zwischen Leistungserbringern. Der zuweisende Leistungserbringer muss im Sinne der genannten Grundsätze die Patientin und den Patienten beraten, damit diese über die nötigen Informationen zur Ausübung der freien Wahl eines ambulanten oder eines stationären Leistungserbringers verfügen. Überdies dürfen Patientinnen und Patien-
ten ausschliesslich nur für die notwendigen Untersuchungen und Behandlungen überwiesen werden. Wenn die zuweisenden Leistungserbringer Vorteile für die Vermittlung erhalten würden, wäre die Information der Patientin oder des Patienten davon beeinflusst und durch einen Interessenkonflikt des Leistungserbringers geprägt. Der Bundesrat hält es für bedenklich und ethisch fragwürdig, wenn die freie Wahl der versicherten Personen durch solche Praktiken unterlaufen wird. Überdies erhöhen sie die Gefahr, dass unnötige Leistungen erbracht und Patientinnen und Patienten unnötigen Risiken ausgesetzt werden. Vergünstigungen – namentlich geldwerte Vorteile oder Rabatte – sind nicht a priori illegal. Die rechtliche Situation, bezogen auf das KVG, ist in Artikel 56 Absatz 3 festgehalten: Die Leistungserbringer haben direkte oder indirekte Vergünstigungen der versicherten Person beziehungsweise ihrem Versicherer weiterzugeben. Der Bundesrat weist auch auf die Standesordnung der FMH hin, die
Entgelte oder andere Vorteile für die Zuweisung von Patientinnen und Patienten oder für die Vornahme einzelner Untersuchungsoder Behandlungsmassnahmen verbietet. Der Bundesrat übt keine Aufsicht über die Leistungserbringer aus und verfügt daher über keine direkten Informationen zu Fällen von sogenannten Kick-backs. Entsprechend hat er auch keine Kenntnis darüber, in welchem Ausmass Vergünstigungen zwischen Leistungserbringern gewährt werden und inwieweit sie weitergegeben werden, ob strafrechtliche Schritte unternommen wurden oder Sanktionen ergriffen wurden. Das BAG hat die Thematik im Rahmen der regelmässigen Treffen mit den Verbänden der Versicherer aufgenommen. Auch den Versicherern sind keine Fälle von sogenannten Kick-backs bei Überweisungen zwischen Leistungserbringern bekannt. Der Bundesrat wird das Thema jedoch zusammen mit den Versicherern und der FMH weiterverfolgen. Das Medizinalberufegesetz sieht vor, dass Personen, die einen universitären Medizinalberuf selbstständig ausüben, bei der Zusammenarbeit mit Angehörigen anderer Gesundheitsberufe ausschliesslich die Interessen der Patientinnen und Patienten wahren und unabhängig von finanziellen Vorteilen handeln. Mit Artikel 40 MedBG soll letztlich sichergestellt werden, dass die – ausserhalb von Modellen mit eingeschränkter Wahl der Leistungserbringer – vom Gesetz garantierte freie Wahl eines ambulanten oder eines stationären Leistungserbringers durch die Patientinnen und Patienten nicht durch das Interesse an einem finanziellen Vorteil des Leistungserbringers beeinträchtigt wird. Jeder Kanton muss eine Behörde bezeichnen, welche die Personen beaufsichtigt, die im betreffenden Kanton einen universitären Medizinalberuf selbstständig ausüben. Diese Aufsichtsbehörde trifft die für die Einhaltung der Berufspflichten nötigen Massnahmen. Für den Bereich der unselbstständigen
Erwerbstätigkeit richten sich die anwendbaren Berufspflichten somit nach den kantonalen Gesundheitsgesetzen, deren Berufspflichten sich zu weiten Teilen mit denjenigen des MedBG decken. Die Kantone sind somit für die Massnahmen zur Erkennung und Sanktionierung der Kick-backs zuständig, was mit ihrer Kompetenz der Zulassung und der Aufsicht der Leistungserbringer vereinbar ist. Den Bundesbehörden obliegt lediglich eine Meldepflicht an die kantonalen Aufsichtsbehörden, bezüglich Vorfällen, welche die Berufspflichten der selbstständigen Medizinalpersonen verletzen könnten. Werden Leistungserbringer aufgrund von sogenannten Kickbacks begünstigt, besteht für den Versicherer die Möglichkeit, das Schiedsgericht gemäss Artikel 89 KVG anzurufen und gestützt auf Artikel 56 Absatz 4 KVG die Herausgabe der Vergünstigung zu verlangen, welche der Leistungserbringer nicht an die versicherte Person respektive an den Versicherer weitergegeben hat. Das Schiedsgericht würde sich für seine Beurteilung auf Beweise betreffend nicht weitergegebenen Vergünstigungen an die versicherte Person beziehungsweise an ihren Versicherer stützen. Auch in einem System ohne Vertragszwang würden Beweise betreffend sogenannte Kick-backs erforderlich sein, damit die Versicherer aus diesem Grund Vertragsverhandlungen mit einem Leistungserbringer verweigern können.
Stand der Beratungen: Im Rat noch nicht behandelt.
Erste Hilfe für Menschen mit letzter Hoffnung
www.msf.ch PK 12-100-2
ARS MEDICI 12 I 2015
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