Transkript
CongressSelection
Europa die Schmerztherapie eher ein Stiefkind ist und die IBD-Betroffenen unter sehr vielen unnötigen Schmerzen leiden, haben in den USA oder Australien 10 bis 20 Prozent der IBD-Patienten ein «narcotic bowel syndrome». Das heisst, die Patienten bekommen permanent zu viel Opiate in ihrer Schmerztherapie. Die dortigen Experten sind daher sensibilisiert und weisen immer auf ihr Opiatproblem und die Gefahren hin. Wir haben aber in Europa eine völlig andere Situation, nämlich eher eine Unterversorgung mit Schmerzmitteln. Deshalb werden wir mit den Ländern aus Übersee auch keinen Konsens finden. Die ECCO sollte ihre eigenen, unabhängigen Leitlinien zur Schmerztherapie herausgeben.
Auch IBD-Schwestern scheinen bei solchen Therapien eine immer wichtigere Rolle zu spielen … Die Funktion der IBD-Schwestern wurde am Kongress von den englischen Kollegen als sehr wichtig herausgestellt. So ist die Hemmschwelle der Patienten ziemlich hoch, sich bei Dingen, die über das rein Medizinische hinausgehen, dem Arzt zu öffnen. Nur die IBD-Schwester hat die Möglichkeit, das ganze Spektrum der notwendigen Fragen zu stellen. Sie soll als Bindeglied zwischen den Spezialisten dafür sorgen, dass eine integrierte Versorgung stattfindet und dass die verschiedenen Fachärzte, also neben Rheumatologen auch Schmerztherapeuten oder Psychosomatikspezialisten, mit einbezogen werden. Ausserdem ist die IBD-Schwester eine Art «Patientenan-
wältin». Man darf nicht vergessen, dass immer wieder sehr einfache Dinge schiefgehen. So werden immer wieder Impfungen vergessen oder die regelmässigen Kontrolluntersuchungen versäumt. Insbesondere in der anschliessenden Diskussion forderten die Patientenvertreter sehr deutlich, dass es dieses Bindeglied auch in anderen Ländern geben sollte.
Was kann der Hausarzt für seine CED-Patienten mit nach Hause nehmen? Er sollte sich besonders um die Patienten in Remission gut kümmern, dass bei ihnen beispielsweise kein Eisen- und Vitaminmangel auftritt. Er sollte danach schauen, dass die Patienten ihre Kontrolltermine einhalten, dass der Urinstatus stimmt und kein Urothelkarzinom und keine interstitielle Nephritis übersehen werden. Die Basistherapie, die Remissionserhaltung, die notwendigen Kontrollen, die Koordination mit den Spezialisten, das sind die die Aufgaben des Hausarztes. Wenn es aber um schwere Schübe geht oder um Patienten mit chronisch aktiver Darmerkrankung, sollten die Hausärzte zunehmend die Gastroenterologen miteinbeziehen. Bei eher komplizierten Fällen sollte man sich die Versorgung teilen: Die Therapieeinstellung und -optimierung durch den Spezialisten und die Basisversorgung, die ja eine sehr wichtige Rolle spielt, durch den Hausarzt.
Das Gespräch führte Klaus Duffner.
Kleine ECCO-Statistik
Die European Crohn’s and Colitis Organisation (ECCO) wächst. Mit 5420 Teilnehmern trafen sich am diesjährigen Kongress so viele CED-Experten wie noch nie. Dabei stellten Grossbritannien (606), Deutschland (464), Spanien (446), Italien (358) und die USA (329) die meisten. Auch die Schweiz war mit 227 Teilnehmern sehr gut vertreten. Knapp die Hälfte der Teilnehmer waren Ärzte, 19 Prozent kamen aus der Industrie, die übrigen verteilten sich auf spezialisierte CED-Pflegende (6%), klinische Forscher (5%), Endoskopiker (4%), Studenten (2%) und andere. Insgesamt wurden 1114 Abstracts akzeptiert, davon 725 Posterpräsentationen. Die mit Abstand am häufigsten vorgestellten Studienergebnisse stammten aus den Bereichen der klinischen Therapie und Diagnose, rund ein Viertel widmeten sich der Grundlagenforschung, Epidemiologie und Mikrobiologie. KD
Foto: Klaus Duffner
4 Gastroenterologie • Juni 2015