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Neue Strategie zur frühen Diagnose eines akuten Myokardinfarkts
Bei Patienten mit Brustschmerzen ist ein rascher Ein- bzw. Ausschluss eines akuten Myokardinfarkts von zentraler Bedeutung. Dank moderner, hoch sensitiver Assays zum Nachweis des kardialen Troponins könnte dies in Zukunft sehr viel rascher als bisher möglich sein.
Die möglichst frühe Diagnose eines akuten Myokardinfarkts ist von kritischer Bedeutung. Sie stellt jedoch nach wie vor ein nicht befriedigend gelöstes medizinisches Bedürfnis dar», so Prof. Dr. med. Christian Müller, Basel. «Wird ein akuter Myokardinfarkt verzögert diagnostiziert, erhöht dies die Morbidität und Mortalität. Ein verzögerter Ausschluss führt zu einem unnötig langen Aufenthalt auf der Notfallstation und damit zu höheren Kosten. Und nicht zuletzt ängstigen sich die Patienten auch viel länger als notwendig.»
Kardiales Troponin als hilfreicher Biomarker Neben der Anamnese und dem EKG kann die Messung des kardialen Troponins (cTn) I oder T ein hilfreicher Biomarker für die diagnostische Aufarbeitung eines Patienten mit Verdacht auf einen akuten Myokardinfarkt (AMI) darstellen. cTn I und T kommen fast ausschliesslich im Herzen vor und stellen damit spezifische und sensitive Marker für eine Myokardschädigung dar (1). Dank der Einführung verfeinerter, hochsensitiver cTn(hscTn)-Assays können nun auch geringfügigere Erhöhungen des cTn nachgewiesen werden, als es mit konventionellen Assays bisher möglich war (1). «Dadurch wird eine frühere Diagnose sowie der Nachweis kleinerer akuter Myokardinfarkte möglich, die sonst verpasst würden», erläutert Müller. «Dies trifft insbesondere auf Patienten zu, die früh vorstellig werden, also zum Beispiel zwei bis vier Stunden nach Einsetzen der Brustschmerzen. Und gerade diese Patienten profitieren von einer frühen Diagnose und Intervention enorm.» Müller wies jedoch auf einen sehr wichtigen Punkt im Zusammenhang mit dem Troponin-Test hin: «Ein hs-cTn-Test ist kein Schwangerschaftstest. Es ist heute nicht mehr angezeigt, von einem Troponin-positiven Patienten zu sprechen, da der positiv-prädiktive Wert des Tests je nach Troponin-Spiegel sehr unterschiedlich ist.» Zudem sei die Übereinstimmung zwischen verschiedenen Assays schlecht. «Es ist also wichtig zu wissen, welcher Assay vom jeweiligen Labor verwendet wird und wie bei diesem der Cut-offLevel festgelegt ist», betonte der Redner. Hs-cTn sollte grundsätzlich als quantitativer Marker für eine Schädigung kardialer Myozyten interpretiert werden. Je höher der Spiegel, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass Brustschmerzen durch einen AMI verursacht sind (2). «Lediglich bei Werten, die leicht unter oder über der 99. Perzentile liegen, beträgt der positiv-prädiktive Wert des Tests 50 Prozent, und die Bandbreite an möglichen Differenzialdiagnosen ist damit gross.»
Ein- oder Ausschlussdiagnose nach einer Stunde Bei der Verwendung konventioneller Tests muss bis zu einer Bestätigung der Diagnose oder dem Ausschluss eines AMI oft
das Resultat der zweiten cTn-Messung nach sechs Stunden abgewartet werden. Die aktuellen Leitlinien der European Society of Cadiology (ESC) geben an, dass bei der Verwendung des hs-cTn eine zweite Messung bereits nach drei Stunden aussagekräftig ist (3). Resultate neuerer Untersuchungen weisen jedoch darauf hin, dass der zuverlässige Ein- beziehungsweise Ausschluss eines AMI bereits mithilfe einer zweiten Messung nach einer Stunde möglich sein könnte (4). «Dies wäre ein grosser Fortschritt. Experten stehen dieser Strategie jedoch noch ambivalent gegenüber», erklärte Müller. Im Rahmen einer grossen, prospektiven Multicenter-Studie (TRAPID-AMI) erfolgte daher eine Validierung dieses 1-Stunden-Algorithmus. «Die entsprechenden Resultate wurden letztes Jahr am ESC-Kongress präsentiert. Der 1-StundenAlgorithmus erreicht einen negativ-prädiktiven Wert von 99,1 Prozent. Das heisst, es können praktisch alle Patienten ohne AMI zuverlässig ausgeschlossen werden. Und auch der positiv-prädiktive Wert ist mit 77 Prozent als vernünftig anzusehen und rechtfertigt sicherlich, bei diesen Patienten eine Koronarangiografie durchzuführen.» Eine zweite vergleichbare Studie habe diese Resultate ebenfalls bestätigt. «Mit der Validierung des 1-Stunden-Algorithmus an somit über 3500 Patienten sollte einer Umsetzung dieser Strategie im klinischen Alltag eigentlich nichts mehr im Wege stehen», schloss Müller.
Therese Schwender
Referenzen: 1. Twerenbold R et al. High-sensitive troponin T measurements: what do we gain and what are the challenges? Eur Heart J 2012; 33: 579-586. 2. Mueller C. Biomarkers and acute coronary syndromes: an update. Eur Heart J 2014; 35: 552–556. 3. Hamm CW et al. ESC Guidelines for the management of acute coronary syndromes in patients presenting without persistent ST-segment elevation: The Task Force for the management of acute coronary syndromes(ACS) in patients presenting without persistent ST-segment elevation of the European Society of Cardiology (ESC). Eur Heart J 2011; 32: 2999–3054. 4. Reichlin T et al. One-hour rule-out and rule-in of acute myocardial infarction using high-sensitivity cardiac troponin T. Arch Intern Med 2012; 172: 1211–1218.
Quelle: «Early diagnosis of acute MI: novel strategies.» Cardiology Update 2015, Afternoon Session 2B, 11. Februar 2015 in Davos.
18 Kardiologie • Mai 2015