Transkript
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Kooperationen ermöglichen einen unfassenden Überblick
Interview mit Prof. Dr. med. Thomas F. Lüscher, USZ, Zürich
Der 21. Cardiology-Update-Kurs bot Teilnehmern und Experten aus aller Welt wieder eine gute Gelegenheit zum Austausch. Dank erweiterter Kooperationen konnten in diesem Jahr auch Experten aus Harvard aus erster Hand berichten.
C ongressSelection: Zum 21. Cardiology Update kamen Experten aus aller Welt erneut nach Davos … Prof. Dr. Thomas Lüscher: Ja, der Cardiology Update ist immer noch in Davos, allen Befürchtungen zum Trotz. Wir haben uns behauptet, sind immer noch hier, wo der Kurs 1975 begonnen hat – diesmal mit rund 500 Teilnehmern aus 41 Ländern. Aufgrund der neuen Vorschriften mussten wir Zugeständnisse machen und das Programm deutlich straffen, damit es weiterhin als Fortbildung akzeptiert wird.
Was waren Ihre persönlichen Highlights der Woche?
Das wesentliche Merkmal unseres Kurses ist die Möglichkeit,
sich in den Tagen hier einen Überblick über das gesamte Ge-
biet der Herzmedizin zu verschaffen. Füh-
rende Kardiologen aus aller Welt präsentie-
ren zusammen mit lokalen Referenten das
Wesentliche ihrer Bereiche; Workshops run-
den das Angebot ab. Wir sind stolz auf die
nun offizielle Kooperation mit Harvard und
die Tatsache, dass wir so auch Marc Pfeffer,
Scott Solomon und Peter Libby in Davos
dabeihatten.
Spannend waren beispielsweise die Sit-
zung zu den Aortenklappenerkrankungen,
Thomas Lüscher
die wiederholten Diskussionen über die
duale Plättchenhemmung und die Frage,
welche Patienten wie lange und in welcher Kombination eine
solche Therapie erhalten müssen, oder auch die Entwicklun-
gen im Bereich der NOAC und der Lipidtherapie mit den viel-
versprechenden PCSK9-Hemmern.
Die Behandlung von Patienten mit resistenter Hypertonie ist schwierig, hier galt die Nierennervenablation anfänglich als Hoffnungsträger. Diese Hoffnungen mussten durch die negativen Ergebnisse von Symplicity HTN-3 relativiert werden. Wo stehen wir heute? Ich bin immer noch davon überzeugt, dass der Eingriff wirksam ist, wenn man ihn richtig ausführt. Dies aber muss in der
Takotsubo-Register online
Mehr Informationen zum Takotsubo-Syndrom finden Sie online unter www.takotsubo-registry.com Der abgebildete QR-Code führt Sie direkt auf die Seite.
Symplicity-HTN-3-Studie infrage gestellt werden, da sich in vielen Fällen gar keine Anzeichen dafür fanden, dass die Nerven angemessen abladiert wurden. Das mag damit zu tun haben, dass in Amerika anders als hier neue Verfahren zunächst nur in Studien zur Anwendung kommen können. So haben die Studienärzte erst im Rahmen dieser Untersuchung erste Erfahrungen sammeln können. Für den Erfolg der Nierennervenablation aber ist wie bei allen Interventionen die persönliche Erfahrung der Durchführenden entscheidend. Die schlechten Ergebnisse haben zu einem grossen Vertrauensverlust geführt, wir haben in den ersten Monaten danach kaum mehr Zuweisungen gehabt. Aber so langsam kommen wieder Patienten. Unser grosses Anliegen ist es, einen funktionellen Test zu entwickeln, um das Ergebnis der Massnahme auch wirklich überprüfen zu können. Denn erst wenn die Nerven erfolgreich abladiert sind, sinkt auch der Druck. Weitere Daten müssen den Wert der Methode beleuchten. Französische Forscher haben am 26. Januar im «Lancet» gezeigt, dass der 24-Stunden-Blutdruck damit bei therapieresistenter Hypertonie signifikant um 6 mmHg abfällt. In Amerika ist eine Studie über sechs Monate geplant, die bis anhin unbehandelte Patienten involviert. Das könnte einen weiteren Anhaltspunkt bringen, denn Ziel der Massnahme ist es ja eigentlich, die Zahl der Medikamente auf Dauer zu minimieren. In den Studien aber waren die Patienten zum Teil auf fünf und mehr Medikamenten, die überdies noch dauernd angepasst wurden – sodass der Vergleich der Intervention zur medikamentösen Therapie erheblich erschwert wird.
Stichwort Takotsubo: Wie bekannt ist das Phänomen? Wann sollte man daran denken? Das Takotsubo-Syndrom ist unter den Ärzten noch längst nicht allgemein bekannt; die Stresskardiomyopathie entwickelt sich aber zu einer wichtigen Differenzialdiagnose kardiovaskulärer Ereignisse und sollte insbesondere den im Notfall tätigen Kollegen bekannt sein. Die akut einsetzende vorübergehende ventrikuläre Dysfunktion kann einem akuten Koronarsyndrom ähneln. Als Trigger kommen aussergewöhnliche emotionale oder körperliche Belastungen in Frage. Wir sehen im USZ etwa einen Fall pro Woche. Ich denke, dahinter steckt eine neurologische Erkrankung des Mittelhirns, die eventuell im Zusammenhang mit Östrogen steht, da insbesondere Frauen in der Perimenopause davon betroffen sind. Einige der Patienten erholen sich gut, andere haben mehrere Episoden, selbst unter Medikation mit Betablockern. Diese bringen hier keinen Nutzen, die Erkrankung scheint durch Alpharezeptoren vermittelt zu sein. Takotsubo ist ernst zu
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nehmen, wir wissen mittlerweile aus unserem – retrospektiven – Register, dass es mit einer erhöhten Mortalität und schwerwiegenden kardialen Ereignissen einhergeht. Für dieses Register wurden weltweit 1700 Patientenakten ausgewertet, im nächsten Schritt müssen nun auch prospektiv Daten erhoben werden. In Zürich machen wir das schon, für ein internationales Register bedarf es noch weiterer gemeinsamer Anstrengungen.
Im Rahmen des Herzinsuffizienztages war unter anderem auch die Ejektionsfraktion Thema, die von vielen als das Mass der Herzfunktion betrachtet wird … Dazu hat Scott Solomon, Boston, ein paar interessante Ausführungen gemacht: Dieser Wert ist zum einen nicht wirklich einfach richtig zu ermitteln und zum anderen längst nicht so repräsentativ für die Bewertung der kardialen Situation wie allgemein angenommen, da er beispielsweise die Ventrikelgrösse und die Wandspannung, die diagnostisch und prognostisch wichtig sind, ausser Acht lässt. Er diskutierte alternative Parameter, so insbesondere neue Echoparameter wie das Speckeltracking, die darüber hinaus zur Bewertung der Herzfunktion bei Herzinsuffizienz hinzugezogen werden sollten.
mittlerem Risiko ein vergleichbares oder sogar besseres Überleben als mit dem chirurgischen Klappenersatz. Weiter konnten wir vor allem in Zürich ein erfolgreiches Programm für das Mitralklipping bei schwerer Mitralinsuffizienz aufbauen, das bei Patienten, welche sich nicht für eine Operation eignen, eine deutliche Verbesserung der Symptomatik bringt. Kurz: In Zukunft werden mehr und mehr Herzeingriffe mit schonenden Katheterinterventionen durchgeführt, sodass die klassische Chirurgie demgegenüber an Bedeutung verlieren wird. Langfristig ist sogar denkbar, dass die zwei Fachgebiete Kardiologie und Herzchirurgie verschmelzen werden. Das neue Universitäre Herzzentrum am Universitätsspital Zürich, das ich zusammen mit Francesco Maisano leite, macht sich mit einer auf HeartTeams aufgebauten Struktur auf den Weg in diese Zukunft.
Das Interview führte Christine Mücke.
Wie steht es mit katheterbasierten Eingriffen bei Patienten mit Herzklappenerkrankungen? Hier wurden in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht. Während initial die Transaortic Valve Implantation (kurz: TAVI) nur bei polymorbiden alten Patienten mit sehr hohem operativem Risiko gemacht wurde, werden zunehmend auch Patienten mit geringerem Risiko dieser wenig invasiven Intervention zugeführt. Mit Verbesserung der Technik konnten die Komplikationen und die Eingriffsmortalität deutlich reduziert werden. Neuere Studien zeigen bei älteren Patienten mit
Lust auf mehr?
Auf der Seite des Zürich Heart House können Sie unter www.zhh.ch nach Anmeldung unter der Rubrik e-Learning auf die Webcasts des Cardiology Update zugreifen. Der abgebildete QR-Code führt Sie direkt auf die Seite.
Cardiololgy Update 2015 – Gewinner der Poster Awards
Abbildung von links nach rechts: Prof. Dr. Bertram Pitt, Alexander Akhmedov, PhD, Dr. Stephan Winnik, Dr. Deniz Akdis und Prof. Dr. Geoffrey Pitt
Wie an jedem Cardiology Update wurden auch in diesem Jahr die
besten Poster ausgezeichnet. Obwohl die Jury aus einem auswär-
tigen Gremium bestand (Filippo Crea aus Rom, Thierry Gillebert
aus Ghent und Geoffrey Pitt aus Durham, USA) wurden diesmal alle
Preise nach Zürich vergeben: Der erste Preis ging an die Gruppe
von PD Dr. phil. II Giovanni Camici, Center for Molecular Cardiology
an der Universität Zürich, für die Arbeit «Post-ischemic Silencing of
p66Shc Reduces Ischemia/Reperfusion, Brain Injury and its Ex-
pression Correlates to Clinical Outcome in Stroke». Der zweite
Preis wurde vergeben an Dr. Stephan Winnik, Klinik für Kardiolo-
gie, Universitätsspital Zürich, für seine Arbeit «Endogenous SIRT3
Protects from Endothelial Dysfunction in a Superoxide-Dependent
Manner by Activating SOD2 – Uncovering a Novel C/EBP Beta-De-
pendent Transcriptional Feedback Loop of SOD2». Den dritten
Preis erhielt Dr. Deniz Akdis, Klinik für Kardiologie, Universitäts-
spital Zürich für ihre Forschung zum Thema «Upregulation of Pro-
Apo-ptotic TP53, Pro-Adipogenic CPT1B and Phospholamban in
Myocardial Tissue of Patients with Arrhythmogenic Right Ventricu-
lar Cardiomyopathy/Dysplasia Compared to Dilated Cardiomyo-
pathy».
Mü
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