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EDITORIAL
Die Milch macht’s
«Breast ist best» – Muttermilch ist die beste aller Optionen für Neugeborene, darüber sind sich nicht nur Kinderärzte heute einig. Stillen kann Infektionen und Allergien vorbeugen, senkt das Risiko einer späteren Diabeteserkrankung und soll sogar schlau machen. Letzteres wollen gerade einmal mehr Forscher aus Brasilien bestätigt haben. Diese berichten im «Lancet Global Health», dass Kinder, die länger als ein Jahr gestillt worden waren, im Alter von 30 Jahren einen besseren Wert im Intelligenztest erreichten als jene, die keinen Monat lang die Brust erhielten. Die lange gestillten Kinder gingen überdies im Schnitt ein Jahr länger zur Schule und konnten so ein höheres Gehalt erzielen. Die positiven Effekte sollen umso stärker ausgeprägt sein, desto länger die Kinder an der Brust genährt wurden. Aber nicht allen Müttern ist es gegeben, ihr Kind erfolgreich zu stillen. Manche Frau kann nicht stillen, manche will vielleicht nur nicht – auch wenn man das heute angesichts einer oftmals ideologisch geprägten Diskussion gar nicht mehr so einfach zugeben mag. Was also tun? Da wäre die Formulamilch, die streng kontrolliert in verschiedenen Variationen zur Verfügung steht und in jenen Fällen eine gute Alternative darstellen könnte. Online bieten sich jedoch noch weitere Optionen – wie für so vieles hat sich hier für Frauen, die trotz
Stillproblemen ihrem Baby die gesunde Muttermilch nicht vorenthalten wollen, auch ein Markt für Muttermilch entwickelt. So zum Beispiel die amerikanische Muttermilchtauschbörse «eats on feets» oder die deutsche Seite www.muttermilchboerse.de. Letztere verheisst «Muttermilch mit Qualität und Liebe», und das auch für die Schweiz und Österreich: «Hier kannst du einfach und lokal Muttermilch kaufen, verkaufen oder verschenken.» Die Angebote für «liebevolle gesunde Muttermilch» sind vielfältig, die Preise schwanken in der Regel zwischen 2 und 8 Euro pro 100 ml. Besonders günstig wird es, wenn man den «Abverkauf» einer Inserentin nutzen möchte, die einmalig 20 Liter für 100 Euro anbietet ... Frauen, die keinen Zugang zu (kontrollierten) Milchbänken haben, sehen darin möglicherweise eine Alternative. Nicht vergessen aber darf man dabei, dass beim Onlinehandel die hygienische Handhabung der abgepumpten Milch nicht garantiert werden kann, genauso wenig wie zuverlässige Informationen über potenzielle Infektionen der Mütter mit HIV-, Hepatitis oder anderen ansteckenden Erkrankungen. Denn anders als das Alter des Babys und die Postleitzahl, die jede der Frauen angeben muss, sind etwa bei der deutschen Börse die medizinischen Angaben zu ansteckenden Erkrankungen oder Medikamentennutzung freiwillig und können nicht überprüft werden. In diesen Kontext passt die Warnung britischer Kollegen im «British Medical Journal». Angesichts der Risiken eines unregulierten Marktes für Muttermilch plädieren sie für eine gesetzliche Unterbindung dieser unkontrollierten Angebote – damit die Brust auch wirklich die beste Option bleibt. Diese beste Option ist unter Schweizer Frauen offenbar ohnehin weit verbreitet: Gemäss der neusten Studie zur Säuglingsernährung und Gesundheit im ersten Lebensjahr (SWIFS) stillen nach der Geburt 95 Prozent der Schweizer Mütter.
Christine Mücke
ARS MEDICI 7 I 2015
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