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MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Gynäkologie
Schützt postmenopausale Hormontherapie vor Herzinfarkt?
© Jeanette Dietl – Fotolia.com
Die Hoffnung, dass eine postmenopausale Hormontherapie (HRT) Frauen generell vor kardiovaskulären Erkrankungen schützen könnte, hat sich nicht erfüllt. Die Autoren eines aktualisierten Cochrane-Reviews kommen vielmehr zu dem Schluss, dass die HRT meist nicht nur kardiovaskulär nutzlos ist, sondern sogar das Schlaganfallrisiko steigern kann. In den Review gingen die Daten aus 19 Studien mit insgesamt 40410 Frauen ein. Je nach Studie betrug die durchschnittliche Dauer der HRT zwischen
7 Monate und 10 Jahre. Im Vergleich mit Plazebo fand sich für die HRT insgesamt kein Hinweis auf eine kardiovaskuläre protektive Wirkung, weder bei gesunden noch bei Frauen mit bestehenden Herzerkrankungen zu Beginn der HRT. Statt dessen fanden sich unter HRT erhöhte Risiken für Schlaganfall, VTE und Lungenembolie. In absoluten Zahlen sieht das Risiko im Durchschnitt aller postmenopausaler Frauen im Vergleich mit Plazebo folgendermassen aus: In einem Zeitraum von 1 bis 7 Jahren haben von 1000 Frauen mit HRT O zusätzlich 6 Frauen einen Schlag-
anfall (1 von 165 Frauen unter HRT) O zusätzlich 8 Frauen eine VTE
(1 von 118 mit HRT) O zusätzlich 4 Frauen eine Lungen-
embolie (1 von 224 mit HRT).
Frauen, die in den ersten 10 Jahren nach der Menopause mit einer HRT beginnen, scheinen hingegen doch einen gewissen Schutz vor Herzinfarkten zu haben – ohne höheres Schlaganfall-
risiko, aber mit erhöhtem Risiko für tiefe Venenthrombosen (DVT) wie bei allen Frauen unter HRT. Profitieren jüngere Frauen in kardiovaskulärer Hinsicht letztlich also doch von einer HRT? Auch hier zeigt sich die Bedeutung für die Praxis in den absoluten Zahlen anschaut: Wenn 1000 Frauen unter 60 Jahren mit der HRT beginnen, erwarte man innerhalb von 7 Jahren 6 Todesfälle weniger sowie 8 Fälle weniger an Herzerkrankungen, aber 5 zusätzliche Fälle von Blutgerinnseln – im Vergleich mit 1000 gleichaltrigen Frauen ohne HRT, so Erstautor Dr. Henry Boardman, Department of Cardiovascular Medicine, Oxford. Die Entscheidung für oder gegen eine postmenopausale HRT erfordere somit weiterhin die individuelle Abwägung der Chancen und Risiken. RBOO
Boardman HMP et al.: Hormone therapy for preventing cardiovascular disease in postmenopausal women. Cochrane Database of Systematic Reviews 2015, Issue 3. Art. No.:CD002229.
Neurologie
Erfolgreiche Epilepsiechirurgie
Etwa ein Drittel aller Patienten mit Epilepsie leidet trotz Medikamenten unter regelmässigen Anfällen. Bei 2 von 3 Patienten beschränkt sich die Ursache im Gehirn auf ein einziges Areal. «In diesem Fall sollte der behandelnde Arzt den Patienten in ein Epilepsiezentrum überweisen, um die Anfallsquelle chirurgisch entfernen zu lassen», so Prof. Margitta Seeck, Universitätsspital Genf. Um das Risiko zu mindern, bei der Operation angrenzende Hirnareale zu beschädigen, hat sie mit ihrem Team eine neues bildgebendes Verfahren entwickelt, das High Density Electric Source Imaging (HD-ESI), eine Kombination aus Elektroenzephalografie (EEG) und Magnetresonanztomografie (MRT). Für das EEG werden 256 Elektroden plat-
ziert, zehnmal mehr als beim normalen EEG. Das MRT liefert zusätzlich ein dreidimensionales Bild des Gehirns aus extrem dünn gescannten Schichten. Mithilfe eines komplexen Algorithmus werden die beiden Bilder kombiniert und die Anfallsquelle präzise lokalisiert. Der gesamte Prozess dauert bis zu drei Stunden. Der Aufwand lohnt sich, denn HD-ESI steigert den Erfolg des neurochirurgischen Eingriffs. In einer Studie hat das Genfer Team bei 152 Patienten mit chronischer Epilepsie die Anfallsquelle mittels HD-ESI vor der Operation geortet. Fast 80 Prozent der Probanden sind bis heute, zwei Jahre nach dem Eingriff, komplett anfallsfrei, und 10 Prozent leiden nur noch selten unter Anfällen. Bei
ensprechenden Operationen ohne zusätzliche bildgebende Verfahren (ausser dem normalen MRT) sei die Erfolgsquote um 10 bis 20 Prozent geringer: «Die Erfolgsquote unserer Methode ist damit höher als bei jeder anderen Hirnbildgebung», so Seeck. Trotz enormer Fortschritte würden jedoch weit weniger als die Hälfte der Epilepsiepatienten an Epilepsiezentren überwiesen oder auch nur über die Chirurgie als therapeutische Alternative infomiert. RBOO
Pressekonferenz anlässlich der 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und funktionelle Bildgebung (DGKN) am 19. März 2015,
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ARS MEDICI 6 I 2015
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Kardiologie
Kein Routine-EKG ohne Risikofaktoren
Rückspiegel
Vor 10 Jahren
Telefonunfall
Per Freisprechanlage dürfen Autofahrer zwar auch während der Fahrt telefonieren – das Unfallrisiko ist aber genauso gross wie beim Fahren mit einer Hand am Lenkrad und einer mit dem Natel am Ohr. Das Unfallrisiko ist in jedem Fall rund viermal höher. Das ergibt eine Umfrage unter Autofahrern, die nach einem Unfall ins Spital mussten. Heutzutage erhöhen die allgegenwärtigen Smartphones selbst für Fussgänger das Risiko eines Telefonunfalls.
© Kzenon – Fotolia.com
Vor nutzlosen kardiologischen Abklärungen warnen US-amerikanische Internisten in einer kürzlich publizierten Guideline der Fachgesellschaft American College of Physicians (ACP). Kardiovaskuläre Erkrankungen seien zwar die häufigste Einzelursache für Todesfälle in den USA, der Nutzen eines entsprechenden Screenings bei Personen ohne kardiovaskuläre Risiken sei jedoch mehr als fraglich, heisst es in einer Pressemitteilung des ACP. Falschpositive Befunde seien nicht selten und könnten so zu weiteren unnötigen Abklärungen oder gar Therapien führen. Anstelle überflüssiger EKG, Echokardiografien oder Myo-
kardszintigrafien sollte man sich bei Patienten ohne spezielle Risikofaktoren auf eine Verbesserung des Lebensstils konzentrieren. Das ACP weist allerdings ausdrücklich darauf hin, dass diese Guideline nicht für symptomatische Patienten gedacht ist. Bei ihnen seien kardiale Tests selbstverständlich indiziert. Das Gleiche gilt für Sportler vor einem Wettkampf.
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Chou R for the High Value Care Task Force of the American College of Physicians: Cardiac Screening With Electrocardiography, Stress Echocardiography, or Myocardial Perfusion Imaging: Advice for High-Value Care From the American College of Physicians. Ann Intern Med 2015; 162: 438-447.
Psychiatrie
Eine App gegen depressive Verstimmungen
Vor 50 Jahren
Weltraumspaziergang
Am 18. März 1965 verlässt der sowjetische Kosmonaut Alexei Archipowitsch Leonow als
erster Mensch ein Raumschiff im Weltraum. Sein Weltraumspaziergang, ein Schweben an der Sicherheitsleine, dauert 12 Minuten. Weil sich sein Raumanzug im Vakuum des Alls aufbläht, passt Leonow bei der Rückkehr nicht mehr durch die Ausstiegsluke und muss in einem riskanten Manöver zunächst Luft aus seinem Anzug ablassen (Foto: Wikipedia).
Die Psychiaterin Dr. Steffi Weidt, Universitätsspital Zürich, hat mit ihrem Team in Zusammenarbeit mit Prof. Elgar Fleisch, ETH Zürich und Universität St. Gallen, eine App zur Früherkennung einer Depression entwickelt. Die Betroffenen sollen damit bei depressiven Verstimmungen mit individuellen Verhaltensempfehlungen unterstützt werden. Da Energie- und Antriebslosigkeit typisch sind für depressive Verstimmungen, versucht die App namens MOSS (Mobile Sensing and Support) anhand der Erfassung körperlicher Aktivität (Bewegung zu Fuss) oder der Anzahl von Telefonaten als Parameter sozialer Kontake
zu errechnen, ob eine depressive Verstim-
mung im Anzug ist. MOSS würde dann bei-
spielsweise empfehlen, wieder einmal einen
Spaziergang an der frischen Luft zu machen
oder sich bei Freunden zu melden, um mit
positiven Aktivitäten die Symptome zu über-
winden beziehungsweise sich bereits präven-
tiv vor einer Depression zu schützen.
Ob der elektronische Aufpasser dies tatsäch-
lich zu leisten vermag, soll nun eine Pilotstu-
die klären. Information und Anmeldung unter:
www.health-is.ch/MOSS
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Pressemitteilung des Universitätsspitals Zürich, 19. März 2015
Vor 100 Jahren
Magenanatomie
Man macht sich ein neues Bild vom Magen.
Dieser unterscheide sich «in Aktion» sehr
stark von dem Organ, das sich dem Chirurgen
oder Pathologen darbiete, schreiben Hugh
Walsham und Walter Overend begeistert in
«The Lancet» vom 27. März 1915. Sie führten
mit Röntgenstrahlen umfangreiche anatomi-
sche Studien durch und geben in ihrem Arti-
kel auch praktische Tipps zur Zubereitung
radiologisch dichter Trinklösungen für die
Probanden.
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