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Fremdplatziert – Heimerziehung in der Schweiz, 1940–1990
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Weiteres Buch: Depression: 100 Fragen, 100 Antworten
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Fremdplatziert – Heimerziehung in der Schweiz, 1940–1990

Herausgeber: Gisela Hauss, Thomas Gabriel, Martin Lengwiler 349 Seiten Chronos Verlag, Zürich 2018 Fr. 47.90

Dieses Buch listet alles auf. Die gesammelten Gräuel des schweizerischen Fremdplatzierungswesens zwischen 1940 und 1990. Akribisch und wissenschaftlich belegt, werden die Ursprünge des Fremdplatzierens geschildert. Die Angst davor, dass Voll- und Halbwaisenkinder ohne Sorgeeinrichtungen Betteltum und Vagabundiererei verfielen sowie sich zu schlechten Vorbildern wandelten, bewog bereits im 19. Jahrhundert verschiedene Behörden und die christlich motivierte Wohltätigkeit zur Einrichtung von Auffangeinrichtungen. In diesen standen Suppe und Seife im Vordergrund. Das Seelenheil (sprich gute Sitte und Moral), das sonst zum berühmten Trio «Suppe, Seife, Seelenheil» gehört(e), sollte sich damals vor allem durch harte, lang andauernde Arbeit bei teilweise mickrigen Suppenrationen einstellen. Die Heimkinder sollten gute, brauchbare Arbeiter und Arbeiterinnen werden. Bis in die 40er-Jahre des letzten Jahrhunderts war dies gängige Praxis. Erst in den 1950er- und 1960er-Jahren setzte sich langsam die Erkenntnis durch, dass die Erzieher in Heimen einer definierten Ausbildung bedurften. Sie sollte sich an psychologischen, medizinischen und pädagogischen Erkenntnissen ausrichten und die Erziehenden befähigen, die Heimkinder ohne konfessionelle Zwänge zu erziehen. Heime in Städten (Genf, Basel, Zürich) und mit Nähe zu psychiatrischen, universitären und medizinischen Einrichtungen öffneten sich früher für moderne Konzepte zu Erziehung und Lebensgestaltung. So trat nach dem Zweiten Weltkrieg das Arbeiten als umfassendes Erziehungsmittel in den Hintergrund zugunsten von Modellen, die sich am bürgerlichen Familienleben orientierten. Auch Heimkindern wurde eine Kindheit zugestanden, in der «Sport und Spiel, Wandern und Bergsteigen, Lesen, Vorlesen, Theaterspielen in irgendeiner Form, Sammeln, Fotografieren, (…) Freizeitwerkstatt, Modellieren, Zeichnen und Malen inbegriffen, Musizieren, Singen usw.» Platz haben sollte. Die Einfüh-

rung dieser Segnungen bürgerlicher Lebensgestaltung verhinderte aber nicht, dass man sich vor den Halbstarken, der Jugendkriminalität und davor fürchtete, die jugendlichen Heimkinder verlören sich in den Auswüchsen und Masslosigkeiten der Konsumgesellschaft. Verschiedene Beiträge zeigen eindrücklich, dass die Stigmatisierung, die die Fremdplatzierung in den allermeisten Fällen bedeutet, die Heimkinder ein Leben lang begleitet. Beim Übergang ins Leben nach dem Heim und beim Eintritt in die Realität des Arbeitsmarktes wurden die Jugendlichen lange Zeit völlig allein gelassen. Zum meist traumatischen Erlebnis der Heimeinweisung kam so für viele ein erneut verstörender Übergang nach dem Austritt aus der Institution. Studien weisen denn auch auf eine Vielzahl von Risiken wie Armut, frühe Elternschaft, Obdachlosigkeit, Arbeitslosigkeit, soziale Isolation und schlechte Gesundheit hin. Ehemalige Heimkinder haben, bezogen auf die gleichaltrigen Jahrgänge, eine höhere Sterblichkeit. «Fremdplatziert» versammelt Beiträge von Historikern, Erziehungswissenschaftern sowie Dozenten an Fachhochschulen für soziale Arbeit und Mitarbeitern an Universitäten. Die Beiträge des ersten Kapitels widmen sich der Erziehung und dem staatlichen Handeln, die des zweiten der Heimpädagogik und dem Wandel der damit verbundenen Ausbildung, Praxis und Theorie. Das dritte Kapitel sammelt Beiträge zum «Heimkind» als Gegenstand der Betrachtung und Subjekt der eigenen Biografie. Die wissenschaftliche Darstellung der Sachverhalte in allen drei Teilen schildert oft die Ohnmacht der Heimkinder, aber auch die über lange Zeit in alten Wertvorstellungen verharrenden Eingriffe der Behörden und der Pädagogik. Eine eindrückliche Sammlung gut verständlicher Beiträge zu diesem lange übergangenen Thema.
Christoph Schönberger, Zürich

Pierre Dinner 33.90 Fr. ISBN 978-3-456-85958-3 232 Seiten Hogrefe AG

Depression
100 Fragen, 100 Antworten. 3. überarbeitete und aktualisierte Auflage

Das Buch von Pierre Dinner, «Depression – 100 Fragen, 100 Antworten», lässt – nun in der 3. Auflage – keine Frage offen, und das bei einer zwischenzeitlich unübersehbaren Anzahl von Publikationen in der Laien- und in der Fachpresse. Das Buch von Pierre Dinner ist eines der wenigen deutschen Sachbücher, welche für Betroffene, Angehörige, Pflegende, medizinische Fachpersonen und Juristen lesenswert und lesbar sind. Wir werden vom Autor über Grundsatzfragen wie «Was ist eine Stimmung», über den Verlauf von Depressionen, über berühmte Personen mit Depressionen und über die Erscheinungsformen von Depressionen fachgerecht informiert. Der Autor stellt den derzeitigen Stand des Wissens in Bezug auf Diagnostik, Biologie, Entstehung,

Gender- und Altersaspekte sowie die somatischen Hintergründe dar. Er führt umfassend die verschiedenen Möglichkeiten von Therapien und deren Indikationen auf. Das Buch ist verständlich geschrieben, ausführlich in der Darstellung stellt es den «State-of-the-Art» bezüglich Depression dar – einer weltweiten «Volkskrankheit». Ich hatte zur ersten Auflage 2005 geschrieben: «Heureka! Das gibt es also doch: ein umfassendes, kurz gefasstes, übersichtliches, für Laien verständliches und Fachleute lehrreiches Buch über Depressionen.» Diese Aussage gilt heute mehr denn je!
Dr. med. Gerhard Ebner, M.H.A.

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PSYCHIATRIE + NEUROLOGIE