Transkript
MEDIEN ■ MODEN ■ MEDIZIN
Rosenbergstrasse 115
Mit Umfragen ist das so eine Sache. «Medical Tribune», einer unserer Mitbewerber unter den Fachzeitschriften, hat, vermutlich in bester Absicht, in der Publikumsausgabe der gleichnamigen Zeitschrift («Medical Tribune public») die Leserinnen und Leser aufgefordert, an einer OnlineUmfrage zum Thema Selbstdispensation teilzunehmen. Im Sinn von: Wenn Sie ein Medikament benötigen, ziehen Sie es vor, das Mittel direkt vom Arzt zu erhalten oder in der Apotheke zu beziehen? Beim ersten Blick auf die Ergebnisse (Stand: ein paar Hundert Antwortende) ein erster Schreck: 90 Prozent ziehen den Gang zur Apotheke vor. Die Erklärung für dieses Resultat ist einfach. Die Apotheker haben eine schlaue Kampagne gestartet und tippen offenbar täglich einmal (das lässt das System zu) die Antwort ihrer Wahl ein. Die Reaktion der Ärzte folgt prompt. (Man beachte: Wieder einmal Re-Aktion statt Aktion!) Bereits am folgenden Tag steht das Verhältnis 30:70. Wenn auch immer noch zugunsten der Apotheke. Aber keine Bange: Es gibt mehr Ärzte als Apotheker, also werden wir diesen Wettbewerb gewinnen! Werden wir? Besser wäre wohl dafür zu sorgen, dass der Unsinn gestoppt wird, statt sich auf diesen kindischen Wettkampf einlassen.
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Die Hausärzte haben die Hausarzt-Initiative eingereicht. Mit einer beeindruckenden Anzahl Unterschriften. Es ist zu hoffen (aber leider wohl nicht zu erwarten), dass die Initiative Wirkung entfaltet. Die Frage ist: welche und wann? Machen wir uns nichts vor: Die Hausarztmedizin ist jetzt also – wie vor ihr die Komplementärmedizin – in der Bundesverfassung verankert. Wo sie praktisch allerdings wenig bewirkt, solange nicht darauf basierende Gesetze und Verordnungen Geldflüsse zur Förderung der Hausarztmedizin umleiten
helfen. Nun ja, schaden tuts nicht, und wenns psychohygienisch wohl tut, warum nicht?
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Die meisten Reaktionen auf die Initiative der Hausärzte waren und sind positiv. Es gibt aber auch solche Kommentare in den Internetblogs (Originaltext): «Es sind die Reichen, die alles in die Höhe treiben auf die Kosten der Armen. Die Armen werden ja krank wegen den Reichen (viel arbeiten und wenig verdienen), aber dafür hohe KK-Prämien bezahlen. Das gilt auch für die anderen Sozialversicherungen gegenüber den Leistungen im Alter. Kleiner Lohn ergibt wenig Leistung.» (H.Z.)
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«Schein-» einmal anders. Natürlich ist die Geschichte erfunden, nicht frei zwar, aber immerhin gut, oder? Frau A. ist eine Pferdenärrin und möchte ihr Hobby zum Beruf machen. Ein grosses Haus mit viel Umschwung, sogar in der Wohnzone, besitzt sie schon. Doch leider: Der heikle weisse Amtsschimmel hat keine Freude an braunen Freibergern, schwarzen Friesen und Island-Ponys. In der Wohnzone darf Frau A. maximal vier Pferde halten, mehr nicht, und einen kommerziellen Reiterhof betreiben darf sie schon gar nicht. Kein Problem für Frau A., dann kauft sie halt einen Bauernbetrieb mit ein paar Hektaren Land. Umgebaut zu einem Reiterhof – ein Traum! Wieher, wieher, so einfach geht auch das nicht. Pferdehaltung auf Landwirtschaftsgebiet kommt nicht infrage. Jedenfalls nicht für Frau A., die keine Bäuerin ist. Ja, wenn sie einen Bauern geheiratet hätte, dann dürfte der (fast) machen was er will. Also was tun? Frau A. ist schlau wie ein Schimmel und schmiedet einen Plan. Sie lässt sich von ihrem Mann – Zahnarzt – scheiden (eine
sogenannte Scheinscheidung) und «heiratet» stattdessen Fräulein G., eine Bäuerin (kein Problem, lesbische eheähnliche Verbindungen sind heute längst kein Tabu mehr). Eine typische Schein-«Ehe». Und schwupps: Als Bäuerin darf Fräulein G. beziehungsweise inzwischen Frau G.-A. so viele Pferde halten wie sie will. Und zusammen mit ihrer «Frau» (A.) auch einen Reiterhof betreiben. Frau A.s «Freund» freut sich. Er mietet eine Einlegerwohnung (Scheinmiete) im Bauernhof. La Suisse existe!
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Es stellen sich da einige Fragen: Hätte Frau A. nicht besser Agronomie studiert und wäre dann einem Bauern gleichgestellt? Was, wenn Frau A. statt Pferde Kamele halten möchte (Kamele werden als Reittiere immer beliebter)? Oder Lamas (gehören auch zu den Kamelen)? Und was passiert, wenn sich Frau A. und Frau G. wieder «scheiden» lassen? Wieher, wieher!
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Im US-Staate Virginia kümmert sich der öffentliche Arbeitgeber ganz besonders um das Wohlbefinden seiner Angestellten. Man bietet ihnen nicht nur gesundes günstiges Kantinenessen, nein, in der Erwartung, dass wohlgelaunte Angestellte bessere Angestellte sind, wird den Beamten (selbstverständlich nur auf Wunsch) auch gratis Viagra abgegeben. Hierzulande versucht man, die Dienstleistungen der kantonalen Arbeitnehmer mit WOV (Wirkungsorientierte Verwaltungsführung) zu verbessern. Es wird interessant sein, die Erfahrungen dereinst zu vergleichen.
Richard Altorfer
ARS MEDICI 8 ■ 2010 293